Der Mann, der nichts vergessen konnte

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2008
  • 1
Der Mann, der nichts vergessen konnte
Der Mann, der nichts vergessen konnte
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Carsten Kuhr
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2008

Die Suche nach der echten amerikanischen Unabhängigkeitserklärung

Ein altes Mysterium, Geheimgesellschaften, Forscher der berühmtesten anglo-amerikanischen Universitäten, die NSA und ihre Agenten, islamische Terroristen und Computer-Hacker - das ist der Stoff, aus dem Bestseller sind.

Diese kurze, nicht abschliessende Aufzählung erinnert an einen typischen Blockbuster nach dem Sakrileg-Muster, doch wer den Namen Ralf Isau kennt, der weiß, dass hier ein Verfasser hinter dem Thriller steckt, der nicht nur schreiben kann, sondern auch etwas auszusagen hat.

Genug des Vorgeplänkels, um was geht es?

Ein Gerücht erschüttert die Geheimdienste der Welt. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung soll eine Fälschung sein. Wo das Original verblieben ist, was darin steht, das kann in drei vor Jahrzehnten aufgefundenen, verschlüsselten Papieren enthalten sein. Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, auf die politische und militärische Vormachtstellung der USA im Kampf gegen den Terror sind unübersehbar. Panik, Krisen, der Zusammenbruch des mühsam aufrechterhaltenen Gleichgewichts droht, sollte sich herausstellen, dass die amerikanischen Kolonien immer noch dem Commonwealth tributpflichtig sind.

Eines der Blätter hat man decodiert, die beiden anderen, die wichtigeren aber entzogen sich bislang jeglichem Versuch, sie zu entschlüsseln. Selbst die Megacomputer des US-Geheimdienstes kapitulierten vor dem Zahlensalat. Nur Tim Labin, aufgewachsen in der sozialistischen Hauptstadt der DDR, ein Mensch, der nichts vergessen kann, ein Mensch, der Bücher in Minuten in seinen Geist scannt, amtierender Schachweltmeister und Gewinner sämtlicher Wissensquiz´ der Welt könnte in der Lage sein, das Rätsel zu lösen.

Doch wie ködert man einen solch menschenscheuen Exzentriker? Geld ist ihm egal, er hat genug, und wenn es alle ist, beschafft er sich neues. Frauen gegenüber ist der menschenscheue Einzelgänger, dem jede Berührung unangenehm ist, immun, doch die geistige Herausforderung, sie reizt ihn.

So macht er sich, vermeintlich im Auftrag eines englischen Professors in Cambridge an die Entschlüsselung der Papiere, begegnet Intrige, Gewalt, Terror, aber auch einer betörenden, mehr noch, einer intelligenten Frau. Und er kommt dem Einen auf die Spur, an das er sich nicht erinnern kann, die Nacht des Mauerfalls, in der seine Eltern in Ostberlin verbrannten, die Nacht, die ihn prägen sollte wie keine andere, und was in dieser Nacht wirklich geschah ...

Bestsellermaterial - atemberaubende Action, zeitlose Aktualität und der Kampf zweier Geistesgrössen

Ralf Isau ist dem Leser anspruchsvoller Phantastik kein Unbekannter. Nachdem er jahrelang fast ausschließlich im Kinder- und Jugendbuchbereich publizierte, erscheinen seit einigen Jahren auch Romane für ein erwachsenes Publikum - zunächst bei Lübbe, jetzt bei Piper.
Inhaltlich sind die Werke für jugendliche Leser und die für ein erwachsenes Publikum kaum zu unterscheiden. Einzig, die erwachsenen Protagonisten lassen sich als wirkliches Unterscheidungsmerkmal feststellen, ansonsten nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund.

Wie so üblich, nutzt Isau seine spannende Handlung dazu, vor aktuellen Gefahren und Entwicklungen zu warnen. Sei es die zunehmende Radikalisierung politischer und religiöser Gruppen - und hier ist nicht nur die Al-Kaida gemeint - die Gefahren des Internets und die realistische Furcht vor einem immer umfassenderen Überwachungsstaat, dies alles und viel mehr verbindet der Autor mit einer mitreißenden Handlung.

Wie so oft setzt er einen gesellschaftlichen Außenseiter als Handlungsträger ein. Ein innerlich unsicherer, gehemmter Mensch, der trotz seiner Intelligenz, seiner Erfolge und seines Reichtums nicht glücklich ist. Zunächst weiß unser Erzähler selbst nicht, was ihm fehlt. Die geistiger Herausforderung, die Suche nach neuen Zielen sind es nicht, eher die Aufklärung der eigenen Vergangenheit und mehr noch, der Wunsch nach zwischenmenschlicher Geborgenheit treiben ihn unbewusst um. Dabei steht er sich nur zu oft selbst im Weg, wirkt arrogant, überheblich und selbstherrlich, stößt seine Mitmenschen mit seiner direkten, ruppigen Art vor den Kopf. Doch schaut man unter diese Tünche, so erblickt man einen Menschen, der alleine, der zutiefst einsam ist. Dass sich solch ein intelligenter, ja genialer Mensch nur zu leicht übertölpeln lässt, dass man ihn, einmal auf den emotionalen Haken genommen, leicht leiten kann, ist nachvollziehbar.

Hierzu gesellt sich dann aber die behutsam gezeichnete wachsende Zuneigung der Agentin zu ihrem Zielobjekt. Gerade weil der Autor hier sehr wenig Worte verliert, mehr andeutet als ausspricht, lässt sich diese Entwicklung sehr gut nachvollziehen, wirkt glaubhaft. Auf der einen Seite das Mastermind, das endlich Vertrauen zu einer mehr als attraktiven und intelligenten Frau fasst, auf der anderen Seite die trainierte Agentin, die von der Unbeholfenheit aber auch der Ehrlichkeit ihres Zielobjekts überrascht wird.

Verpackt hat Isau diese Liebesgeschichte in einen Plot, der mit allem aufwartet, was der Thriller Fan goutiert. Verschwörungen, alte Geheimnisse, Logen, Kugelhagel und Verräter. Das Instrumentarium wird leidlich genutzt. Im Ergebnis liest sich das Werk spannend und flüssig auf einen Rutsch durch, besticht durch sorgfältig recherchierte Fakten, die dem Plot ein gerüttelt Maß an Glaubwürdigkeit verleihen sowie Figuren, die vielschichtig agieren, die interessant und kantig daherkommen.

Der Mann, der nichts vergessen konnte

Ralf Isau, Piper

Der Mann, der nichts vergessen konnte

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