Die Anderen

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
Die Anderen
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Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2008

Der ultimative Versuch einer Parodie

Warnendes Vorwort

Die folgende Rezension möchte ich mit einer Hommage auf die "Produktbeschreibung" der Amazon-Redaktion beginnen, der ich ein weiteres Mal ein halbes Dutzend verschenkter Lebensstunden verdanke. Und zwar indem ich, bekennender Fan von großartigen Parodien und Persiflagen auf Fantasy und Phantastische Literatur (oder Parodien auf das wirkliche Leben im phantastischen Mantel) aus den Federn von Martin Scott, Douglas Adams, Robert Asprin, Christopher Moore, John Moore, A.R.R.R. Roberts, A. Lee Martinez und natürlich Terry Pratchett, das als "ultimative Parodie" angepriesene Machwerk von Boris Koch gelesen habe. Gut, man könnte sagen, ich sei selbst schuld.

Das Wort "ultimativ" hätte schon ein ernster Hinweis sein müssen. So wie in "Die ultimative Chartshow" mit Oliver Geissen. Aber nachdem ich selbst der Ansicht war, dass eine Parodie auf die Heyne/Pipersche Titelserie (von "Die Orks" über "Die Zwerge", " Die Trolle" und "Die Elfen" bis hin zu vermutlich noch folgenden Titeln wie "Die Pferde" oder "Die Raumpfleger") längst überfällig war, dachte ich, dass man mit "die Anderen" nichts falsch machen könnte. Ich habe mich getäuscht.

Was es sein soll (inklusive versprochener Amazon-Hommage)

Nachdem die Verfilmung des Herrn der Ringe hierzulande eine wahre Flut von mehr oder minder wertvollen Romanen über Elfen, Zwerge, Orks und Co. losgetreten hat, wurde es längst schon Zeit für die ultimative Parodie! Doch statt einfach nur ein paar lahme Witze über einzelne Fantasy-Figuren zu reißen, hat Tolkiens angeheirateter Vetter achzehnten Grades im Geiste Boris B.B.B. Koch (was offensichtlich irgend jemand als witzige Hommage an den genialen A.R.R.R. Roberts gedacht hat. Leider in etwa so passend, wie wenn sich ein D. Bohlen den Künstlernamen D.B. Lennon geben würde) gleich zum Rundumschlag ausgeholt und in seiner „großen Orks-Elfen-Zwerge-Troll-Parodie" eine schier unglaubliche Folge von nicht enden wollenden, lahmen Witzen über fast jedes denkbare (und das eine oder andere undenkbare) Fantasy-Klischee aneinander gereiht. Was an sich noch verzeihlich wäre.

Denn auch große Klassiker der Unsinns-Parodie wie "Der wüste Planet" und "Der Herr der Augenringe" sind lediglich Anhäufungen von pubertärem Schwachsinn und Witzen auf Party-Schenkelklopfer-Niveau. Aber in diesem Fall ist es auch noch lieb- und planlos geschehen. Gerade so, als hätte jemand im Verlag eines Tages die Autoren gefragt: "Wer von euch hat Zeit, in zwei Wochen und für 500 Euro auf die Hand die ultimative Parodie auf euch selbst zu zusammenzuschwarten?"

Worauf die Autoren geantwortet haben: "Verarschen können wir uns selber. Wollen wir aber nicht. Soll der Boris machen, der ist sowieso gerade auf dem Klo und kann sich nicht wehren. Außerdem schuldet er uns noch Geld, also geschieht es ihm gerade recht". Zumindest sieht das Ergebnis ganz danach aus.

Worum es geht

Die Völker der Welt entsenden eine Heldengruppe, bestehend unter anderem aus einer Ork-Kriegerin, einem Troll sowie dem obligatorischen Elfen und Zwergen, zu einem Orakel, das ihnen prompt das obligatorische Unheil für die gesamte, bekannte Welt verkündet. Dabei geht es um eine bislang unbekannte Bedrohung, "die Anderen", die so schrecklich sind, dass eigentlich nie so genau herauskommt, was an ihnen so schrecklich ist, weil es zu schrecklich ist, als dass jemand darüber reden würde. Oder so
ähnlich.

Erwartungsgemäß geht die Gruppe der Helden noch vor Überbringen der Botschaft drauf und deshalb ist die nachfolgende Heldengruppe vollkommen ahnungslos oben genannter Bedrohung ausgeliefert.

Diese nachfolgende Gruppe besteht denn auch aus den Elfen Fahrdahin und Nur'a'mann, die, elfenüblich, seit Jahren ziemlich tuntig um die Elfe Doro Elle werben. Diese wiederum verliert schließlich die Geduld und lässt sich daraufhin in einem orgiastischen Traum von zweien der "Anderen" (in Gestalt der vorgenannten Weich-Elben) schwängern, worauf sie natürlich von der Elfenkönigin in die Verbannung gesandt wird. Die beiden liebeskranken und auch so schon nicht sonderlich hellen Elfen beschließen, ihre Angebetete zu suchen und zu erretten und trampeln fortan in Begleitung von zwei Zwergen (Dungdil und Inwutsch) und einem Troll namens Juan durch Wald und Heide auf der Suche nach einem Artefakt, das ihnen bei der Wiederbeschaffung der Geliebten helfen soll. Die obligatorische, epische Schlacht unter Teilnahme der Helden, der orkischen Söldnertruppe um ihren Anführer "Ball" und natürlich den
"Anderen" droht selbstverständlich auch am Horizont.

Wie es wirkt

Das Ganze hat Potential. 1001 Fantasy-Völker-Roman zusammengewürfelt bietet genügend Material für subtile Anspielungen, ironischen und tiefgründigen Witz, geschliffene Satire, den einen oder anderen bösen, zeit- und genrekritischen Seitenhieb, elegante Wortspielereien und ausgefeilte Absurditäten, liebenswürdige Kritik, beißenden Spott und/oder spitzzüngigen Screwball-Humor mit nebenbei ernsthaften Untertönen - ganz im Stile der Größen der humoristischen Fantasy wie Terry Pratchett oder A.R.R.R. Roberts (dem Verfasser des genialen "Sellamillion").

Darauf wurde verzichtet. Stattdessen trampelt ein ungeschlachtes Machwerk im Stil der hingerotzten "Blarnia" und "Barry Trotter"-Wegwerf-Parodien durch die liebevoll gehegten Gärten der Fantasy, dessen Humor sich irgendwo zwischen Ingo Appelt, Mario Barth und Police Academy 28 bewegt. Was allerdings natürlich massentauglich ist und hervorragend in die Fast-Food-Fantasyhumor-Ecke passt. Denn auch ohne Nährwert oder Geschmack kann man mit Fastfood erwiesenermaßen ja beachtliche Summen umsetzen.

Tatsächlich persifliert der Roman viele der bekannten Werke seiner Mutter-Serie, angefangen von den Namen der zahlreichen auftauchenden Figuren über die einzelnen Szenen, die sich nahezu ausnahmslos in dem einen oder anderen der persiflierten Werke wieder finden bis hin zu einer ganzen Reihe der genreüblichen Klischees.

Insofern erfüllt er grundlegend das, was man von ihm erwartet. Er geht sogar darüber hinaus, indem er für einzelne Szenen komplett aus dem Stil springt und mal auf Comic-Format wechselt, dann wieder eine Kampf-Szene im Stil einer Chatroom-Unterhaltung abbildet oder den Leser an den Leiden des jungen Autors Boris Koch teilhaben lässt - ob er will oder nicht.

In genau diesen Momenten ist der Roman tatsächlich so etwas wie eine Genre-Parodie und Satire. Leider in erster Linie auf sich selbst. Dass Koch und das Buch sich selbst nicht ernst nehmen, wird an allen Ecken und Enden deutlich - ist aber gerade das, was diesem Roman fehlt, um tatsächlich gut oder auch nur witzig zu sein (lies: mehr als den gelegentlichen, gequälten Schmunzler zu bieten).

Ja, er zieht die Fantasy durch den Kakao (was teilweise bitter nötig, weil viel zu selten und lange überfällig ist). Und ja, er schubst die eine oder andere heilige Fantasykuh im Stil texanischer Jugendlicher nachts auf der Weide um. Aber er tut das ohne Eleganz, ohne Charme und der Verdacht drängt sich auf, dass er das auch ohne Plan tut. Denn betrachtet man die Geschichte selbst, jenseits sämtlicher Witzeleien, Zoten und und des Tortenschlacht-Klamauk, dann ist sie so gut wie nicht existent.

Warum es nicht funktioniert

Das ist das Kernproblem: Boris Koch, der eigentlich weiß, wie man eine Geschichte erzählt, hat hier auf eine solche verzichtet. Seine Figuren stolpern planlos von einer Papp-Kulissen-Szene in die nächste, nur grob daran genagelte, ohne dass eine wie auch immer geartete, funktionierende Welt zugrunde liegt, und ohne dass eine Erzählstruktur erkennbar ist. Das ganze ist eine lose Aneinanderreihung von mal mehr, mal weniger gelungenen Sketchen mit zufällig denselben Darstellern. Eine logische, konsistente Geschichte, die in einen erzählerischen Spannungsbogen hat oder auch nur in einem einigermaßen befriedigenden Ende aufgelöst wird, sucht man allerdings vergebens. Das aber macht zum Beispiel die großartigen Parodien eines A.R.R.R. Roberts aus: Dass sie neben dem geschliffenen Humor auch noch eine bessere Geschichte erzählen als das Parodierte (empfehlenswert: die Star Wars-Parodie "Star Warped"). Weil sie nicht nachäffen, sondern in allererster Linie sich und das Parodierte ernst nehmen. Weil sie eigene Ideen beinhalten und neben den Seitenhieben vor allem eine wirkliche Geschichte erzählen. Das ist der Grund, warum Adam (R.R.R.) Roberts witzige Parodien schreibt und gleichzeitig ernsthafter Professor für Britische Literatur des 19. Jahrhunderts ist - und Boris Koch nicht. Und das ist der Grund, warum Boris Koch den Scherz mit den drei B auf dem Cover des Buches nicht verdient hat. Weil er scheinbar den Witz nicht verstanden hat, den er selbst erzählen wollte.

Damit ist nicht gesagt, dass Boris Koch kein guter Autor ist. Er hat schon lange (und gerade wieder) bewiesen, dass er solide, gute Fantasyromane liefern kann. Dass er mit Sprache flüssig und gewandt umgehen kann, schimmert sogar hier immer wieder durch.

Was leider nichts daran ändert, dass "Die Anderen" eine schlechte Parodie ist. Genau genommen die schlechteste, die ich kenne. Und Michael Gerbers "Die Chroniken von Blarnia" (übrigens ebenfalls die "ultimative Parodie") war schon wirklich extrem schlecht.

Was das Ganze eigentlich sollte

Ich habe keine Ahnung. Vermutlich, dem Verlag schnell ein paar Euro bringen. Eine andere Existenzberechtigung dafür habe ich leider nicht gefunden. Bekommt man es geschenkt und betäubt sein Hirn mit einigen Bieren, kann man das Buch als Parodie auf sich selbst gerade noch ertragen. Aber selbst die 5 Euro für mein Exemplar aus der Remittenden-Kiste wären besser in besagtem Bier angelegt gewesen.

Die Anderen

Boris Koch, Heyne

Die Anderen

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