Die Stadt der Regenfresser

  • Loewe
  • Erschienen: Januar 2009
  • 0
Die Stadt der Regenfresser
Die Stadt der Regenfresser
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Carsten Kuhr
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2009

Die Renaissance des phantastischen Abenteuerromans

Wissenschaft hat nur entfernt etwas mit Vermehrung von Wissen zu tun. Es geht nur am Rande um die Vermehrung von Wissen. Vielmehr geht es um Macht. Wer sie besitzt, darf bestimmen, was wahr ist und was falsch (Seite 437).

Der fünfzehnjährige Oskar lebt - mehr schlecht als recht - als Taschendieb im wilhelminischen Berlin. Zeit für eine rechte Ausbildung hat der Waisenjunge mangels Elternhaus nicht, doch lesen, das kann er. Und so investiert er immer wieder einen Teil seiner Beute in Kolportageromane. Auf den Spuren von Karl May, Jules Verne oder Henry Rider Haggards träumt er von Abenteuern auf allen Kontinenten, von bahnbrechenden Entdeckungen, von Ruhm und Reichtum.

Eine Tages gerät er an das falsche Opfer. Der großgewachsene, durchtrainierte Mann mit dem hohen Zylinder übergibt den ertappten Dieb aber nicht etwa den Gendarmen, sondern unterbreitet dem aufgeweckten Bengel einen Vorschlag, der auf den ersten Blick zu gut aussieht, um wahr zu sein. Oskar soll Carl Friedrick Donhauser, einen illegitimen Sohn des großen Alexander von Humboldt, auf seiner nächsten Expedition als Diener begleiten. Dass Donhausers haitianische Voodoo-Heilerin und ein Kiwi mitkommen, ist ja noch toll, zumal die dunkelhäutige Frau nicht nur einfühlsam und intelligent, sondern auch mit besonderen Gaben ausgestattet ist, aber muss ausgerechnet die eingebildete Nichte des Abenteurers mit an Bord sein?

Kaum in Südamerika angekommen, machen sich unsere vier Forscher auf die Suche nach etwas, das gemeinhin ins Reich der Märchen und Legenden verwiesen wird. Auf einer Fotoplatte, die Donhauser für viel Geld ergattern konnte, sieht man eine hängende Stadt über einem unermesslichen Abgrund und davor merkwürdige, offensichtlich künstliche Flugobjekte. Schnell wird klar, dass die verschollene Stadt und ihre Bewohner nur in der unwirtlichen Colca-Schlucht mitten in Peru zu finden sein dürften - wenn überhaupt. Verfolgt von zwei Konkurrenten macht sich unsere Expedition auf, mitten hinein in ein Abenteuer, wie sie es sich so haarsträubend und gefährlich sicherlich nie ausgemalt hätten. Riesige Insektenkrieger, von Inkas betriebene Luftfahrzeuge und eine Prophezeiung halten sie auf Trab - und dann gibt es da noch eine alte Rechnung zwischen Donhauser und einer alten Bekannten zu klären - und diese ist nicht nur eine begnadete Kämpferin, sondern auch sehr nachtragend ...

Voller Drive, mit viel Phantasie und markanten Gestalten gespickt

Thomas Thiemeyer hat, seitdem er vor ein paar Jahren bei Droemer-Knaur im seinen Abenteuer-Thrillern debütierte, einen weiten Weg zurückgelegt. Seine Romane zeichnen sich durch eine sehr cinematische Erzählweise, packende Verfolgungsjagden und markante Handlungsorte aus. Sei es die afrikanische Wüste, der Regenwald oder die Tiefsee, der Leser konnte in seinen Werken die oftmals triste Realität hinter sich lassen und in ein packendes Abenteuer eintauchen.

Vorliegend richtet er sich an eine jugendliche Klientel. Und er präsentiert diesen das, was er selbst und mit ihm viele, viele andere Jungs und Mädels förmlich verschlungen haben - Abenteuer pur. An der Seite unserer Helden - natürlich ist unser Protagonist ein aufgeweckter, schlitzohriger Junge - geht es hinein in exotische Welten voller Geheimnisse und Gefahren.

Die Handlung selbst läuft stringent und kurzweilig ab, zehrt natürlich viel von den exotischen Orten, den unbekannten, verschollenen Inkas und den Geheimnissen, die den Forscher Dornhauser umwehen. Stilistisch unauffällig, ohne Schwächen nutzt der Autor seine Stärken, die insbesondere in der überzeugenden Darstellung von unwirtlichen Gegenden besteht, um seinen Plot voranzutreiben. Man reitet förmlich mit unseren Helden durch karge Schluchten, hangelt über riesige Hängebrücken und balanciert an steilen Berggraten entlang. Was bislang - noch zumindest - ein wenig unscharf bleibt, ist das wilhelminische Berlin. Dies kann aber auch daraus resultieren, dass sich unser Quartett nur kurz in Berlin aufhält, bevor sich das Augenmerk nach Südamerika richtet. Auch die etwas zu stereotype Zeichnung des korrupten Bezirkgouverneurs in Peru fiel mir auf. Keine Frage, dass in den Bananenstaaten Südamerikas die Regierenden korrupt und despotisch agieren, doch hier wäre weniger letztlich überzeugender gewesen. Insgesamt aber ist dies für den Genuss der Lektüre irrelevant, zumal die sympathische Zeichnung der Inkanachkommen hier gleich wieder entschädigt. Voller Drive, mit viel Phantasie und markanten Gestalten gespickt, in einer handwerklich vorbildlichen Ausstattung geht es auf den Spuren eines Sun Koh, eines Kapitän Nemo und Konsorten mit vollen Segeln hinein ins Abenteuer - Schmökerfutter der besseren Art, und das sicherlich nicht nur für Jugendliche.

Die Stadt der Regenfresser

Thomas Thiemeyer, Loewe

Die Stadt der Regenfresser

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