Limit

  • Kiepenheuer & Witsch
  • Erschienen: Januar 2009
  • 8
Limit
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Peter Kümmel
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2009

Gigantomanie

Als "Multi-Talent" wird Frank Schätzing überall hochgelobt. Aus der Werbebranche ist er über die Musik 1995 zum Bücherschreiben gekommen. Vom historischen Roman über Krimis zum phantastischen Roman "Der Schwarm" im Jahr 2004. Seitdem er diesen umfangreichen Thriller abgeliefert hat, ist er in aller Munde. Erst recht nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien, die so starke Ähnlichkeiten mit den Geschehnissen in Schätzings Roman aufwies. Nun setzt der Autor mit "Limit" noch einen drauf.

Geld regiert die Welt

Aus den Tiefen des Meeres ("Der Schwarm") entkommen sprengt Frank Schäzting nun - nicht nur seitenmäßig - alle Grenzen und breitet sich in den Weltraum aus. Wie schon im "Schwarm" bleibt er dem Thema "Neue Energiequellen" treu. Der Mond soll das Ziel und die Lösung der Energieprobleme für die Menschheit sein.

Längst haben die großen Konzerne den Regierungen der Länder den Rang abgelaufen und die Herrschaft über den Planeten übernommen. "Geld regiert die Welt", heißt es nicht umsonst. "Orley Enterprises" heißt die Firma, die an der Spitze steht. Firmeninhaber Julian Orley ist es gelungen, etwas aufzubauen, was den Planeten Erde grundlegend verändert. Helium-3 soll die fossilen Brennstoff zur Bedeutungslosigkeit degradieren und die Erde für Jahrzehnte mit Energie versorgen. Dieses Helium-3 gibt es tonnenweise auf dem Mond. Und der Transport zur Erde ist kein Problem mehr seit der Erfindung des Weltraumfahrstuhls. Aus einer Idee des russischen Raumfahrtpioniers Konstantin Ziolkowski hat Schätzing seine Erfindung virtuell entwickelt. Ein neuartiges Material macht es möglich, ein Band zwischen der Erde und einer geostationären Raumstation zu spannen, so dass Shuttles bequem und kostengünstig den Weg zwischen Erde und Weltraum zurücklegen können.

Nun ist es soweit, dass die Helium-3-Förderung steht und man rationell wirtschaften kann. Die Mondreise kann gesellschaftsfähig werden. Dazu hat Orley Enterprises unter der Leitung von Julians Tochter Lynn das luxuriöse Mondhotel "Gaia" errichtet. Dieses soll nun eingeweiht werden mit einer Reise, für die Orley die reichsten der Reichen eingeladen hat. Nicht ohne Hintergedanken - versteht sich. Denn Orley braucht Geldgeber für die Zukunft der Energieversorgung vom Mond.

Ein zweiter Handlungsstrang führt uns nach Shanghai, wo der Engländer Owen Jericho als Internet-Detektiv arbeitet. Von seinem Freund Tu Tian, Leiter der Firma Tu Technologies, erhält dieser den Auftrag, nach Yoyo zu suchen. Die junge Frau ist Tus persönliches Protegé und sie ist als Dissidentin bekannt. Jericho zögert, doch ist er es seinem Freund schuldig, den Auftrag anzunehmen. Doch er ahnt nicht, worauf er sich da eingelassen hat. Schon bald ist er im Fadenkreuz eines Auftragsmörders, denn Yoyo hat etwas entdeckt, was nicht gut für sie ist.

Theaterstück - Sachbuch - Politthriller

Es ist ein wahrhaft gigantisches Konstrukt, das Schätzing für seinen neuen Roman komplex und diffizil entworfen hat. Das muss einem als Leser apriori klar sein. Man muss sich auf die Erzählweise einlassen, sonst hat man schnell verloren. "Limit" hat den 5-fachen Umfang eines durchschnittlichen Romans. Wenn man einem solchen 50 Seiten für eine Einleitung zugesteht, so sollte einem klar sein, dass hier 250 Seiten dafür benötigt werden. Dass es wesentlich mehr werden als diese 250 Seiten, dass es eher doppelt so viele werden, bis es richtig losgeht, das ist der Hauptkritikpunkt an "Limit", der dem Roman viele Leser kosten wird, die die letzte Seite nicht erreichen.

Man fühlt sich in einem Theaterstück, bis die Reisegesellschaft endlich den Mond erreicht hat. Die Bühne ist ein Raumschiff, ein abgeschlossener Raum, in dem sich viele - zunächst nichtssagende - Personen endlose Dialoge liefern. Aufgelockert wird die langweilige Reise durch Einschübe wie den Gastauftritt eines alternden David Bowie, der als Ziggy Stardust als Inspirator für einen Julian Orley und wohl auch für einen Frank Schätzing diente.

Aufgelockert wird das Geschehen aber auch durch ausführliche technische Erklärungen und historische Beschreibungen, die "Limit" fast zu einem Sachbuch werden lassen. Wo der Autor sein komplexes Wissen erworben hat, das er dem Leser weitervermittelt, lässt sich auf den Danksagungsseiten am Ende des Buches erkennen. Die renommierten Adressen dort sollten genug Zeugnis dafür sein, "Limit" Glaubwürdigkeit in den grundlegenden Theorien zu verleihen.

Eine logische Weiterentwicklung dieser Science in die Fiction-Richtung ist die Aufgabe des Autors, um einen guten SF-Thriller auf die Beine zu stellen. Und das ist Frank Schätzing gelungen. Er orientiert sich zunächst am machbaren und entwickelt eine mögliche realistische Zukunft auf Grundlage der heutigen Gegebenheiten. Dass er dabei ein wenig spinnt, ist seine Aufgabe als SF-Autor. Seine Gigantomanie an allen Fronten führt dazu, dass die Fiction an einigen Stellen glaubhaufter wirkt als an anderen. Schätzing begnügt sich nicht damit, auf dem Mond eine Forschungsstation zu errichten - nein, es muss gleich ein riesiges Hotel in Form eines Frauenkörpers sein mit Swimming-Pool, Tennisplatz und Golfplatz.

"Ich glaube, Kopplungsmanöver gehören zu den anspruchsvollsten Manövern im Weltall" (S. 209)

Als begnadeter Erzähler erweist sich der Autor, wenn er auch an die Nebensächlichkeiten denkt, die schon mal zu kleinen Highlights werden können wie die detaillierte Beschreibung der Vollziehung des Geschlechtsakts in der Schwerelosigkeit. Auch die Aufarbeitung von zwischenmenschlichen Beziehungen ist es, die sich - im Kleinen wie im Großen - durch die Handlung zieht.

Ein Stilelement, das Schätzing oft verwendet, empfand ich allerdings als störend: Das Unterbrechen eines Satzes - Absatz - und Weiterführen des gleichen Satzes aus einer anderen Perspektive. Beim ersten Mal wirkte es auf mich wie ein Druckfehler, doch auch später vermittelte es auf mich eher das Gegenteil von dem, was es bewirken soll - eher ein Bruch in der Handlung als gekonnte Überleitung.

Nach gut 500 Seiten beginnen sich endlich erste Zusammenhänge herauszukristallisieren und man erkennt so langsam, wohin der Hase läuft. Die Handlung nimmt Fahrt auf und wird zunehmend zum Thriller. Die letzten 300 Seiten bilden einen absoluten Gegensatz zur langatmigen Einleitung, denn das ist Kopfkino pur.

Damit wendet sich Schätzing nun einem Publikum zu, das bis zur Seite 1000 schon längst die Flinte ins Korn geworfen hat. Das ist amerikanisches Action-Kino mit allen Klischees. Ich brauche diese Szenen in einem Roman nicht, in denen der feststeckende Fahrstuhl plötzlich um einen Meter absackt, welches durch einen kollektiven Aufschrei der Insassen begleitet wird. Dass Nebendarsteller ohne Aufhebens abgeknallt werden, mit Protagonisten dagegen vor der Exekution erst lange diskutiert werden muss, ist ein Stilelement, das lange überholt ist und mich so manchen Film vorzeitig abbrechen lässt.

Alles kann manchmal zuviel sein

"Limit" ist ein Polit-Thriller mit SF-Rahmenhandlung, ein Buch, mit dem Frank Schätzing alles erreichen will, doch dabei wie seine Protagonisten etwas übers Ziel hinausschießt. "Limit" ist ein Buch, das weiterhin im Gespräch bleibt. Ein guter Thriller, ein guter Science-Fiction-Roman, ein gutes Sachbuch, doch mit zuviel Beiwerk für den Liebhaber nur eines dieser Genre. Schätzing will es jedem Recht machen, doch das geht nicht. Seine Gigantomanie stösst hier an ihre Grenzen. Sein Ziel darf es nicht sein, eine weitere Steigerung zu bringen, sondern sich mit seinem technischen Handwerkszeug aufs Wesentliche zu konzentrieren und zumindest einem Teil seiner Leserschaft einen wirklichen Knüller zu bieten. Dazu ist er allemal in der Lage.

Limit

Frank Schätzing, Kiepenheuer & Witsch

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