Angelus

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2010
  • 3
Angelus
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Andreas Kurth
78°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2010

Faszinierender Kampf um die Weltherrschaft

Engelsgleiche Haare, Engelsgeduld, unschuldig wie ein Engel - die aus der Bibel bekannten Himmelswesen sind bei uns Menschen durchweg mit positiven Eigenschaften belegt. Nur der Teufel, als gefallener Engel, kommt nicht so gut weg. Was wäre aber, wenn es eine ganze Rasse von gefallenen Engeln gäbe, die gegen Gott rebellierten und jetzt nach der Herrschaft über die Menschen streben würden? Danielle Trussoni bietet ihren Lesern eine atemberaubende Geschichte an. Und man muss nicht bibelfest sein, um das Ganze zu verstehen, denn die Quellen der Story im Buch Genesis des Alten Testaments werden in faszinierenden Dialogen erläutert.

Demnach sind die Nephilim nicht nur Nachfahren von Rebellen gegen göttliche Gesetze, sondern eben auch der Kern dieser Rebellion. Denn einige männliche Engel haben mit Menschenfrauen eine neue Hybrid-Rasse geschaffen. Unbewusst zwar, aber gegen Gottes Willen. Und die Nephilim haben sich über die Jahrtausende eine starke Position erobert. Sie haben Herrscher-Dynastien gesteuert und infiltriert, neue Reiche gegründet oder erobert. Der Mehrheit der Menschen ist ihre Existenz dennoch völlig unbekannt. Nur die Organisation der Angelologen kämpft seit Jahrhunderten gegen die Nephilim und um den Besitz einer geheimnisvollen Leier, deren Musik immensen Schaden für die Menschheit anrichten, aber auch eine degenerative Erkrankung der Nephilim heilen kann.

Im Kloster St. Rosa am Hudson River stößt die junge Nonne Evangeline zufällig auf eine Korrespondenz aus dem Jahr 1943 zwischen der Äbtissin des Klosters und Abby Rockefeller, der großen Kunstliebhaberin und Gattin von Nelson Rockefeller. Und bereits zu diesem frühen Zeitpunkt gelingt es Danielle Trussoni, die beste Spannung zu erzeugen. Nicht Action, Mord und Totschlag fesseln hier, vielmehr blickt der Leser Evangeline interessiert über die Schulter und möchte unbedingt wissen, wie die Geschichte weiter geht. Sie lernt einen gewissen Verlaine kennen, einen Kunsthistoriker, der für die Familie Grigori arbeitet, die Spitze der Nephilim in Amerika. Er deckt nicht nur - gemeinsam mit Evangeline - die Zusammenarbeit zwischen Abby Rockefeller und den Angelologen auf, sondern verliebt sich auch in die junge Nonne und findet eine neue Bestimmung als Angelologe.

Die zarte Beziehung zwischen der Nonne und dem Kunsthistoriker deckt das offenbar unvermeidliche Thema Liebe geschickt und unaufdringlich ab, ohne die Haupthandlung des Buches zu sehr zu überdecken. Verlaines Verliebtheit erklärt zum Teil, warum er sich den Angelologen anschließt. Er ist jedoch auch fasziniert von deren Arbeit und sieht hier plötzlich die Erfüllung seiner eigenen langjährigen Studien.

Ein neuer Ansatz

Der zweite Teil des Buches führt zurück in die Zeit zwischen 1939 und 1943. Die Angelologen stehen in Europa im Abwehrkampf gegen die Nephilim und die junge Celestine Clochard spielt dabei eine Schlüsselrolle. Sie bringt schließlich die bei einer Balkan-Expedition erbeutete himmlische Leier in die USA, wo sie versteckt wird. Die Jagd nach dieser Leier prägt den dritten und Schlussteil des Buches. Es kommt zu einem hochdramatischen Finale mit einigen überraschenden Enthüllungen. Wer die Anfänge der Geschichte zu langatmig fand, wird hier mehr als entschädigt. Einzelheiten über das Ende dürfen hier aus dramaturgischen Gründen nicht verraten werden - nur soviel: Es wird richtig spektakulär.

Dieser Mysterythriller von Danielle Trussoni bietet einen - jedenfalls für mich - völlig neuen Ansatz. Andere Autoren - z.B. Joseph Nassise - haben auch schon gefallene Engel und furchtlose Menschen, die im Jenseits gegen diese Kreaturen kämpfen, kreiert. Aber eine ganze Rasse von gefallenen Engeln, die nach der Weltherrschaft streben und dabei von einer Geheimgesellschaft bekämpft werden - das ist neu. Manchen Leser mag der eher theoretisch anmutende Teil mit den vielen Erklärungen abschrecken. Aber ich finde, wenn man so einen Konflikt aus dem Buch Genesis im alten Testament herleitet, macht es schon Sinn, die Hintergründe ausführlicher anzulegen und zu erklären. Etwas knapper und prägnanter hätte es vielleicht sein können. Geschickt finde ich dagegen, den europäischen Teil der Handlung nach Frankreich zu verlegen. Passt irgendwie gut, und dass die Angelologen sich in der Resistance engagieren, wirkt durchaus glaubhaft.

Der völlig überraschende Schluss macht im Nachhinein deutlich, warum Evangelines Charakter und ihre inneren Kämpfe nicht breiter ausgeführt wurden. Insgesamt bietet das Buch beachtliche Figuren, von denen durchaus auch einige geopfert werden, als es die Geschichte erfordert, immerhin auf beiden Seiten, also bei den Guten und den Bösen. Über Evangelines Großmutter Gabriella erfährt der Leser viel mehr und lernt sie als harten Charakter kennen und auch schätzen. Ihre Studienfreundin Celestine spielt ihre wichtigste Rolle im Mittelteil und kommt am Schluss noch mal groß heraus, als sie mit einer Beschwörung den Angriff der Nephilim auf St. Rosa beantwortet. Bei einigen Nonnen und anderen Mitspielern bleibt deren Motivation etwas im Dunkeln, eine kleine Schwäche, die man einem Erstlingsroman durchaus nachsehen kann.

Eine pfiffige Nuance ist, dass die gefallenen Engel nicht selbst arbeiten und kämpfen müssen, sondern über verschiedene Rassen von niederen Engeln gebieten, die als Dienstboten oder Kämpfer für das Grobe agieren. Allerdings wird deren Existenz als gegeben voraus gesetzt und ihre Herkunft nicht erläutert. Das ist im Gesamtkonzept des Buches - wo sonst nahezu alles akribisch erläutert wird - eine ärgerliche Schwäche. Auf jeden Fall lässt das offene Ende nicht nur Raum für eine Fortsetzung der Geschichte um Evangeline und die Engel, sondern leitet geradezu dazu über. Und wie aus Verlagskreisen zuverlässig zu erfahren war, wird es in absehbarer Zeit auch einen weiteren Band geben. Darauf können sich die Leser wirklich freuen, vor allem wenn die kleinen handwerklichen Mängel noch ausgemerzt werden.

Angelus

Danielle Trussoni, Droemer-Knaur

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