Das mechanische Herz

  • Feder & Schwert
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
Das mechanische Herz
Das mechanische Herz
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Carsten Kuhr
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2010

Steampunk, die Liebe und das Leben

Willkommen in Ondinium, der Stadt, in der unsere Protagonistin Taya als Ikara, als fliegende Botin unterwegs ist. Die Stadt, die von einer großen Maschine geleitet wird, ist in drei streng voneinander abgegrenzte Teile untergliedert. Die Menschen leben in ihrer jeweiligen Kaste, einzig die Ikara wandeln frei zwischen den Wohn- und Arbeitsstätten der Kasten, ansonsten bleibt man durch Geburt innerhalb seiner jeweiligen Umgebung. Nur durch Inkarnation kann man aufsteigen, Hochzeiten zwischen den Kasten sind zwar prinzipiell möglich, werden jedoch mit Argwohn bedacht.

Taya liebt es, auf ihren metallenen Schwingen, die aus Ondium, einem Metall, das leichter als Luft ist, geschmiedet sind, über der Metropole zu schweben. Nach einem langen Tag in der Luft ist sie auf dem Weg zur Hochzeit ihrer Schwester, als sie zu einem Unfall kommt. Eine der Gondeln, die an ihren Stahlseilen die Sektoren der Stadt miteinander verbinden, hängt an einem beinahe geborstenen Stahlseil. Nur Taya ist es zu verdanken, dass die beiden Insassen, eine Erhabene und ihr Sohn, gerettet werden. Noch während die Presse die mutige Tat feiert, machen sich die Liktoren daran, den vermeintlichen Unfall zu untersuchen.

In derselben Nacht explodiert nicht nur eine Bombe in einer Fabrik, auch Taya wird von Agenten einer verfeindeten Macht überfallen und beinahe ihrer kostbaren Flügel beraubt. Nur dem beherzten Eingreifen Cristofs, eines Erhabenen, der seiner Kaste entsagt und als Uhrmacher im Sektor der Plebejer lebt, verdankt sie, dass sie noch einmal mit dem Schrecken davonkommt.

Dass sie seinen charismatischen Bruder Alister, der dem Rat der Erhabenen angehört, kennt, dass sie seine Nichte und deren Sohn gerettet hat, bringt sie näher in Berührung mit den Erhabenen. Alister macht ihr den Hof, Cristof fasziniert sie durch seine raue Art, aber auch durch seine Kompetenz und der Tatsache, dass er dem verwöhnten Leben als Erhabener entsagt hat. Sie findet Hinweise darauf, dass einer der beiden mit den Anschlägen der geborstenen Karte, einer Terrororganisation zu tun hat, aber das macht ihr Leben nicht einfacher. Entgegen aller Warnungen macht sie sich nicht nur auf die Suche nach ihrem persönlichen Glück, sondern auch auf die Suche nach den Verbrechern ...

Komplexe Krimihandlung in einem phantastischen, detailreichen Setting

Was ist das nur, das deutsche Leser vor einem der interessantesten Sub-Genres der phantastischen Literatur geradezu Reißaus nehmen lässt? Steampunk, das sind Romane und Erzählungen, die zumeist eine Gesellschaft beleuchten, die an die der viktorianischen Ära erinnert. Die Dampfmaschine beherrscht die Fabrikhallen und Verkehrswege, dazu gesellen sich mehr oder minder originelle phantastische Erfindungen und eine in aller Regel packende Handlung.

Bei den jüngst verliehenen Locus Awards 2010, die auf einem reinen Leservotum beruhen, haben nicht weniger als drei Steampunk-Titel die Preise für bestes Jugendbuch ("Leviatan" von Scott Westerfield - dt. bei cbj in Vorbereitung), bester Roman ("Boneshaker" von Cherie Priest) und beste Novelle (Kage Bakers "Die Frauen von Nell Gwynnes" - dt. bei Feder & Schwert) abgeräumt.

Der kleine, aber in den letzten Jahren fast unmerklich vom Spiele- zum Belletristikverlag gewachsene Feder & Schwert-Verlag hat gar eine eigene, entsprechende Reihe aus der Taufe gehoben und präsentiert dem Interessierten dort entsprechendes Lesefutter. Nachdem die großen Verlagshäuser noch nicht auf den Zug aufgesprungen sind, kann Verlagsleiter Oliver Hoffmann noch aus dem Vollen schöpfen. Und so wartet in der Edition so manches Schmankerl auf den Leser.

Vorliegendes Buch, ein Erstlingsroman, hat mich zunächst nachdenklich gestimmt. Gut fünfhundert in einem sehr kleinen Satzspiegel gehaltene Seiten versprachen sehr viel Text, und das von einer unbekannten Autorin - würde das gut gehen? Um dies vorwegzunehmen, es ging mehr als gut! Dru Pagliassotti baut ihre Dreiecksgeschichte um Taya und die beiden so ungleichen Brüder auf mehrere große Säulen.

Da ist zunächst ihre Welt. Das strenge Kastenwesen erinnert an Indische Vorbilder, die Religion mit dem Glauben an die Wiedergeburt und den damit verbundenen Aufstieg an den Hinduismus. Gepaart hat sie diese auch in Einzelheiten sorgfältig ausgedachte und in sich überzeugende Gesellschaftsform mit der alles beherrschenden Großen Maschine an der Spitze mit dem Bild einer Metropole, das ebenso sorgfältig durchdacht und ausgestaltet wurde. Die drei voneinander getrennten Sektoren, die Fabriken, der Turm der Programmierer, die Horste der Ikarier, die Gondeln, das sind alles griffige Bilder, die im Gedächtnis bleiben und die schlicht faszinieren. Das atmet den Duft der Realität, wirkt auch in Details glaubwürdig und überzeugend, so dass man sich beruhigt zurücklehnen und dem Geschehen folgen kann.

Und Selbiges ist weit von der üblichen, offenbar so angesagtem Romance entfernt. Sicher geht es auch um eine Dreiecksbeziehung, eine Frau, die zwischen zwei interessanten Männern schwankt, doch im Zentrum des packend aufgezogenen Geschehens steht die Suche nach den Tätern der Anschläge und deren Motive.

Die Gestalten sind vielschichtig und interessant gezeichnet, die Übersetzung, nach einer Eingewöhnungsphase gefällig und flüssig lesbar, das Cover sehr passend. Das ist eine komplexe Krimihandlung in einem phantastischen Setting, bietet jede Menge Rätsel, Action und ein klein wenig Liebe - somit genau die richtige Mischung für Leser jeglichen Alters und Geschlechts.

Das mechanische Herz

Dru Pagliassotti, Feder & Schwert

Das mechanische Herz

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