Die Ankunft

  • Atlantis
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
Die Ankunft
Die Ankunft
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Carsten Kuhr
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2010

Die Kaiserliche-Wilhelminische Marine und das Römische Reich

Wir schreiben das Jahr 1911. Krieg liegt in der Luft. Der Kaiser hat schon vor Jahren befohlen, die Marine mit aller Kraft auszubauen, um mit neuen, schlagkräftigen Schiffen die Übermacht des Britischen Empires nicht nur im Ärmelkanal, sondern auf den Weltmeeren selbst Paroli zu bieten.

Der kleine Kreuzer Saarbrücken bricht aus Wilhelmshaven auf seine letzte große Fahrt auf. Zwar wurde das Schiff generalüberholt, doch mit den neu auf Reede gelegten Kreuzern kann es nicht mithalten. So gilt es nur eine Truppe Infanterie zu der deutschen Kolonie in Südwest-Afrika zu bringen und in den Gewässern vor der kargen südafrikanischen Küste Flagge zu zeigen.

Vor Portugal gerät die Saarbrücken, noch bevor sie dort neue Kohle bunkern kann, in ein merkwürdiges Nebelband. Nachdem die Besatzung aus ihrer tiefen Bewusstlosigkeit wieder aufgewacht ist, findet sie sich nicht nur 1500 Jahre in die Vergangenheit versetzt wieder, auch räumlich hat sie das Schicksal um einige tausend Kilometer vom Kurs abgebracht.

Spätestens als eine römische Trireme sich auf Angriffskurs gegen das Stahlungeheuer der Saarbrücken begibt, ist auch dem letzten klar, dass sie sich einen neuen Kaiser suchen müssen, dem sie dienen können. Mit ihrem Wissen, um das, was sein wird, vermögen sie die Geschichte zu verändern, ja bewusst umzuschreiben. Mehr noch, wenn man sie denn lässt, wäre es ihnen möglich, das im Niedergang befindliche Römische Weltreich wieder zu neuem Glanz zu führen. Doch bevor sie eine technische Revolution ohnegleichen anstoßen können, müssen sie zunächst die Mächtigen, Senatoren wie Kirchenpäpste und nicht zuletzt den jungen west-römischen Kaiser davon überzeugen, sich helfen zu lassen ...

Alternativwelt-Geschichte made in Germany - ein Qualitätserzeugnis

Alternativwelt-Geschichten, das intelligente Spiel mit dem "was wäre wenn" erfreuen sich schon seit Jahrzehnten ständig wachsender Beliebtheit. Sei es, dass es einen bestimmten Punkt in der Geschichte gibt, an der sich selbige abweichend entwickelt hat, oder dass ein äußeres Ereignis, wie vorliegend, den verbrieften Lauf der Historie ändert, immer sind die Romane etwas Besonderes. Wir alle haben im Geschichtsunterricht gelernt, wie sich Gesellschaften und Staaten entwickelt haben, zumindest, wie die Geschichte von den jeweiligen Siegern geschrieben wurde. Um so interessanter scheint das Spiel mit der Idee, was ein kleiner Stoß in eine andere Richtung nicht alles bewirken könnte.

Dirk van den Boom kennen wir als engagierten Autor. Nach seiner Mitarbeit bei der Ren-Dhark- und Rex-Corda-Neuausgabe, einer Handvoll Zamorra-Heften und seinem Steckenpferd, der Rettungskreuzer-Ikarus-Serie hat er sich insbesondere durch seine Military-SF-Trilogie um die Tentakel-Invasion (Atlantis Verlag) einen Namen gemacht. Stilistisch ansprechend, inhaltlich packend hatte er dort zu unterhalten gewusst.

Nun also liegt der erste von insgesamt sechs projektierten Romanen vor, respektive hinter mir, in denen er seine Leser ins Römische Reich entführt. Statt Military-SF mit Weltraumgefechten zieht es den Privatdozenten vorliegend eher zu maritimen Gefechten im Mittelmeer. Zunächst aber bleibt van den Boom sich selbst treu - sprich: er siedelt seine Handlung im militärischem Milieu an. Ausgehend von dem wilhelminischen Deutschland kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges lässt er zunächst ein wenig geschichtliches Lokalkolorit einfließen. Die angesichts der Ausbeutung der Arbeiter um sich greifende Zuwendung breiter Arbeiterschichten zum Sozialismus wird hier ebenso thematisiert wie der hochnäsige Adel oder das hohe Ansehen insbesondere der Marine bei Kaiser und Volk.

Ohne dass er uns die Tatsache der Versetzung des Kreuzers Saarbrücken in die Vergangenheit näher erläutert, entführt er seine Besatzung dann ins schon strauchelnde Römische Weltreich des Jahres 378. Die große Zeit der Imperatoren ist vorbei, neben den Goten und den germanischen Stämmen stürmen erste Verbände der Hunnen gegen die Grenzen des Reiches. Ein ständig auf Machtzuwachs schielender christlicher Klerus, der auch vor Verfolgung abweichender christlicher Brüder nicht zurückschreckt, unfähige, raffgierige Politiker und auf die eigene Zukunft schielende Heerführer bestimmen zunächst das Bild. Dass sich die Mannschaft der Saarbrücken unter dieser Prämisse entschließt, das Beste aus ihrer Situation zu machen und mit den Mächtigen zu taktieren, ist nachvollziehbar. Erste Antagonisten, etwas überzeichnet sogar ein versnobter Verräter aus den eigenen Reihen, werden eingeführt, der Plot kommt gerade so richtig in Schwung, da sind wir auch schon am Finale des Romans angelangt.

Es wurden diverse Handlungsstränge eröffnet, die Abweichung von der geschichtlich verbürgten Historie erscheint gleichzeitig glaubwürdig und spannend, die handwerkliche Umsetzung solide und sehr gut lesbar. Hier merkt man dem Roman dann an, wie viel Arbeit der Autor in die Recherche investiert hat. Mit leichter Hand lässt er viel Wissenswertes über das Leben der alten Römer in die Handlung einfliessen, nimmt Bezug auf soziologisch-politische Entwicklungen und Auswirkungen der damaligen Zeit.

Insoweit legt der Atlantis Verlag mit diesem Buch, das sowohl im Trade-Paperback als auch direkt über den Verlag in einer wohlfeilen Hardcoverausgabe zu beziehen ist, einen interessanten Zyklenstart hin, der nicht nur Appetit auf die Fortsetzung weckt, sondern auch einmal mehr beweist, dass auch heimische Autoren faszinierend zu unterhalten wissen und sich vor anglo-amerikanischen Konkurrenten wahrlich nicht mehr verstecken müssen.

Die Ankunft

Dirk van den Boom, Atlantis

Die Ankunft

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