Der Ruf der Schlange

  • Klett-Cotta
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
Der Ruf der Schlange
Der Ruf der Schlange
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Eva Bergschneider
83°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2010

Schlangenvoodoo und wahnsinnige Magie

Mythologie und Historie sind, wenn man sich die Bibliographie des Autors ansieht, für Andreas Gößling keine neuen Themen. "Der Ruf der Schlange" spielt jedoch in einer fiktiven Welt, in einer befremdlichen Kultur und Zeit.

Beginn eines Schlangenalbtraums

In Phora, der dunibischen Haupstadt, hat sich einiges verändert. Schlangenkulte sind auf einmal der letzte Schrei und dampfbetriebene Fahrzeuge prägen das Straßenbild, obwohl der Linglu-Glaube eine Apokalypse infolge der Herstellung selbstbewegter Maschinen voraussagt. Mit Schlangen und ihren Gottheiten bekommt es der Mysto-Agent und Leiter der königlichen Ermittlungsstelle für mysteriöse Todesfälle, Samu Rabov, zu tun. Soeben wurde ihm der seltsame Tod einer Frau, die an einem durch die Luftröhre gezogenen Seil erstickt ist, gemeldet. Zuerst muss er allerdings einen Jungen aus höchster Not befreien. In einem magisch getarnten Zirkus soll der junge Zoran der Schlangengöttin Ragadhani geopfert werden. Nach der Flucht in einer Schutzblase zum Meeresgrund und einem holprigen Start ihrer Beziehung, entdecken der Agent und das Strassenkind eine Gemeinsamkeit: Das "Dunkeldu", die böse magische Kraft, die auch starke Persönlichkeiten in den Wahnsinn treiben kann. Diese dunkle Seite in Samu macht ihm, und vor allem seinem zugeteilten Assistenten Port Sola zu schaffen. Doch sie hilft, zu begreifen, was ihnen an unfassbaren Schrecken noch begegnen wird.

Die gemeldete Frau ist nicht tot, sondern verwandelt sich in ein Hybridwesen aus Baum und Schlange. Die Wissenschaftlerin Velissa Labiano arbeitete am Archäologischen Institut, an Professor Gol Hergos Lehrstuhl. Der zaketumesische Professor nahm sie nicht, wie geplant, mit auf die Expedition nach Moliat, von der er Übles mitgebracht hat. Etwas, das eine noch bizarrere Metamorphose hervorruft und ganz Dunibien bedroht.

Technik, Theismus,Tod

Zuerst eine Warnung: Wer ein ernsthaft gestörtes Verhältnis zu Schlangen hat, sollte sich gut überlegen, ob "Der Ruf der Schlange" die richtige Lektüre ist. Man erfährt alles über die Kriechtiere und das wenigste ist angenehm. Wer jedoch in eine Fantasywelt mit altorientalischem Flair und einer eigenwilligen Mythologie - in der Schlangen ein zentraler Bestandteil sind - eintauchen möchte, liegt mit Andreas Gößling neuem Roman genau richtig.

Ein vielseitiges Werk ist dem Autor, der sonst eher historische Romane schreibt, gelungen. Auch wenn man momentan vermehrt Steampunk-Elemente im Genre beobachtet, hier hätte ich sie nach Lesen des Klappentextes nicht erwartet. Aber die Dampfmaschine ist der zweite wesentliche Aspekt, der in "Der Ruf der Schlange" zum Tragen kommt. Der Autor verankert Schlangenmythologie und Dampfmaschinenzeitalter geschickt in die Gesellschaft seiner Welt und entwickelt daraus eine Zerreißprobe zwischen Okkultismus, Religiosität und Fortschrittsglauben.

"Dann werden die urbösen Schlangen aus ihren nassen Nestern hervorschnellen und dies wird das Zeichen für die zweite Große Flut sein."

Damit nicht genug. Mitten hinein und untrennbar mit der drohenden Apokalypse verbunden, platziert der Autor eine grausige Mordserie, Extremitäten verspeisende Monster und teuflische Schwarzmagie. Die Story enthält also reichlich Zündstoff, den Andreas Gößling auch zu nutzen weiß.

Land und Leute

Samu Rabov ist der Held dieser Geschichte, ein cooler Ermittler und emotionalerer Typ zugleich, ein Sympath mit Ecken und Kanten. Samus Eifersucht und Leidenschaft überwältigen bisweilen seinen Verstand. Die Lakori (Magie) wendet Samu eigentlich nur im Notfall an. Lieber verlässt er sich auf seine Sichel, ein Instrument der königlichen Ermittler, das die Gegner erstarren lässt. Doch dieser Fall scheint den Notfall zum Dauerzustand zu machen. Immer öfter unterliegt Samu der Verführung, Lakori auszuüben, was ihm erheblichen Schaden zufügen kann und tut. Ein eigenwilliger Einzelgänger ist dieser Agent Rabov, immer bereit, sich mit den Autoritäten anzulegen. Den kleinen Leuten steht er näher als den Mächtigen - mit einer Ausnahme. Seiner Chefin, der Geheimrätin Calin Stingard ist er hoffnungslos verfallen.

Ein wenig dick trägt der Autor manchmal die Heldentaten des Samu Rabov auf. Was ihm an tollkühnen Taten gelingt, wirkt manchmal übertrieben absonderlich. Gößling läßt seinen Held gegen würdige Gegner antreten, aber letztendlich verblassen sie vor dem Einfallsreichtum und Mut des taffen Agenten.

Originell und liebevoll hat Gößling die Welt Dunibien gezeichnet, von der man aus Reiseerzählungen und Hintergrundberichten mehr erfährt. Flora, Fauna und monströse Kreaturen hat Gößling mit eigenen Namen ausgestattet und detailliert beschrieben, was seine Welt noch eigenständiger, noch fremdartiger macht, manchmal vielleicht einen Tick zu andersartig. Nicht immer hat man für das Beschriebene eine Vergleichsgröße aus der realen Welt vor Augen.

Insgesamt präsentiert der Autor in "Der Ruf der Schlange" einen üppigen, stets spannenden und atmosphärischen Mix aus Gruselgeschichte, Abenteuer und Fantasy. Andreas Gößlings Mut, unterschiedlichste Phantastik- und Thriller-Elemente zu kreuzen, hat sich gelohnt und bietet Lesevergnügen jenseits der Genregrenzen.

Der Ruf der Schlange

Andreas Gößling, Klett-Cotta

Der Ruf der Schlange

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