Auferstehung

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2011
  • 0
Auferstehung
Auferstehung
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Michael Drewniok
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonDez 2010

Dämonenbelebte Zombies überrennen die Welt

Geplant waren die Experimente mit dem Nuklearbeschleuniger der Havenbrook National Laboratories in Hellerton, US-Staat Pennsylvania, mit dem Ziel, das Wissen um das Universum und seine Bausteine erweitern. Stattdessen öffneten die Forscher ahnungslos eine Pforte zwischen den Dimensionen, die besser verschlossen geblieben wäre: Aus der „Leere", in die sie einst verbannt wurden, kehren die bösartigen Siqqusim auf die Erde zurück. Der Mensch kannte sie einst als Dämonen, Teufel und unter vielen anderen Namen. Die Siqqusim werden körperlich, indem sie in die Leichen toter Menschen und Tiere fahren. Zu intelligenten und bösartigen Zombies mutiert, führen sie einen blutigen Krieg gegen die verhassten Menschen, die auf der ganzen Welt massakriert und gefressen werden.

Eine kleine Gruppe verzweifelter Männer und Frauen stemmt sich gegen den Untergang. Da ist Jim Thurmond, der seinen Sohn Danny retten will, nachdem ihn dessen letzter telefonischer Hilferuf aus New Jersey erreichte, wo er mit seiner Mutter lebt. Ihm schließt sich der Pfarrer Thomas Martin an, der Gott in der derzeitigen Apokalypse sucht. Zu ihnen stoßen Frankie, eine drogensüchtige Prostituierte, die aus den Ruinen der Stadt Baltimore entkam, und Professor William Baker, der wissenschaftliche Leiter von Havenbrook und mitverantwortlich für das Inferno.

Man schlägt man sich durch ein Land der Sterbenden und der Toten, die sich mit buchstäblich teuflischer Schläue auf die Spur der Reisenden setzen. Doch immer noch ist der schlimmste Feind des Menschen der Mensch selbst - hier demonstriert dies Colonel Schow, der sich zum Herrscher eines eigenen Reiches aufschwingt, das er mit seinen Soldaten als Diktator beherrscht und dessen "Bürger" er in Sklaven verwandelt ...

Zombies mit Hirn & bösen Absichten

Da sind sie wieder - die Zombies, noch mehr als die Werwölfe proletarische Schmuddelkinder des Horrorgenres. Sie sind schrecklich anzuschauen (und zu riechen) und benehmen sich entsprechend. Allerdings endet hier die Ähnlichkeit zwischen den ‚klassischen' Zombies, die in Gestalt und Verhalten von George A. Romero definiert wurden, und den Siqqusim, die Brian Keene auf die Menschheit loslässt. Während erstere von diffusen Urinstinkten und der Gier nach Menschenfleisch getrieben werden, sind letztere buchstäblich von Dämonen beseelt, die nach äonenlanger Verbannung in menschliche Leichen fahren und weder blöd noch unbeholfen, sondern sehr zielorientiert ihren Gemeinheiten frönen.

Was die Zombifizierung der Welt tatsächlich bedeutet, erfahren wir nur nebenbei. Keene konzentriert sich lieber auf einige Figuren, die stellvertretend für die Menschen der (nordamerikanischen) Welt mit der neuen Situation konfrontiert werden. Sie begeben sich auf private Questen, deren Ziele die Ankunft an einem hoffentlich sicheren Ort bzw. die Rettung geliebter Familienmitglieder darstellen. Bis es soweit ist, bildet der Weg dorthin eine Kette gefährlicher Abenteuer: ein simples Handlungsgerüst, das freilich gut trägt, wenn es so geschickt mit Inhalt gefüllt wird hier.

Dabei spielt die Kompromisslosigkeit, mit der Keene zu Werke geht, eine wichtige Rolle. Er verzichtet auf eine politisch korrekte Dämpfung des Schreckens. Schwangere Frauen, Kleinkinder, Priester, Ärzte, Polizisten und andere normalerweise sakrosankte Respektspersonen reihen sich nahtlos ein in sein Kaleidoskop des Grauens. Sie werden konsequent ausgelöscht, wenn ihre Stunde gekommen ist, und wirken besonders abstoßend, wenn sie als Untote wiederkehren.

Alles, was lebte, wird wiederkehren

Die Handlung wird durch hübsche bzw. hässliche Einfälle horribel aufgeladen. Damit sind nicht einmal die Splattereffekte gemeint, obwohl diese mit viel Liebe zum faulig-blutigem Detail und mit immer neuen Schauerlichkeiten beschrieben werden, bis man sich - darf man es so ausdrücken? - daran "satt" gelesen hat.

Darüber hinaus hat sich Keene Gedanken über das Zombie-"Leben" gemacht, die längst überfällig waren. Wieso sind Zombies so stark, obwohl sie doch sichtlich verwesen und verfallen? Wie überleben sie, obwohl sie ihrer Nahrung - Menschenfleisch - irgendwann nicht mehr in erforderlicher Quantität habhaft werden können? Keene ‚erklärt' den Widerspruch überzeugend: Seine Zombies fressen Menschen, weil sie ihnen schmecken. Ansonsten hält sie eine unbekannte Kraft zusammen, die den Verlust lebenswichtiger Organe oder Gliedmaßen kompensiert. So können sie quasi bis zum Skelett verfaulen und trotzdem agil bleiben.

Keene berücksichtigt außerdem einen weiteren, eigentlich naheliegenden Gedanken: Wenn tote Menschen neu ‚belebt' werden, gibt es keinen logischen Grund, Tiere auszusparen - sie sind ebenfalls Lebewesen! Die Notlage der lebenden Menschen verschärft sich um ein Vielfaches, wenn sie nunmehr auch den Attacken untoter Hunde, Katzen oder Vögel ausgesetzt sind. Die beliebte Flucht in die zombiefreie Wildnis fällt damit aus, denn dort, wo keine untoten Menschen auf ihre Opfer lauern, hausen jetzt untote Bären, Hirsche und andere Wildtiere, die ihre Ernährungsroutinen radikal umgestellt haben. Einige grandiose Szenen verdanken ihre Wirkung dem bizarren Effekt dieser Tier-Zombies: So wird der unglückliche Baker einmal von blutgierigen Eichhörnchen und Karnickeln durch die Wälder gehetzt. Hitchcock hatte Recht, als er Vögel als potenzielle Gegner der Menschen brandmarkte. Frankie erlebt Grausiges, als sie von den in ihren Käfigen und Gehegen verhungerten und wieder belebten Kreaturen des Zoos in Baltimore gejagt wird - ein Zombie-Löwe ist ein wahrlich erschreckender Gegner!

Das Grauen bekommt viele (bekannte) Gesichter

Normalbürger werden mit dem Unbeschreiblichen konfrontiert: Es ist ein bewährtes Prinzip, das uns in holzschnitthafter Prägnanz vor allem dank Hollywoods Horror- und Katastrophenfilmen vertraut ist. Am Beispiel von Menschen, die eben keine omnipotenten Superhelden sind, werden Grundzüge der menschlichen Psyche herausgearbeitet. Keene wandelt hier auf vertrauten Pfaden.

Da haben wir u. a. den schlichten „Mann aus dem Volk", der Himmel und vor allem Hölle in Bewegung setzt, um seinen geliebten Sohn zu retten. Zu ihm gesellen sich: die Nutte mit Herz, die sich im Rahmen dieser edlen Mission bewähren und somit ‚reinwaschen' darf; der reuevolle Wissenschaftler, der zu neugierig war und das Verderben über die Welt brachte; der standhafte Pfarrer, der noch in der Apokalypse einen göttlichen ‚Sinn' findet. Konfrontiert werden sie mit weiteren Klischeefiguren wie dem übergeschnappten Militär, der Kaiser von China (oder Ähnliches) werden will; dem geilen Spießer, der endlich die Sau ‚rauslassen kann; dem feigen Mitläufer oder dem Psychopathen, der mit den Untoten um die Wette murkst. (Zwar lässt man dem Verfasser viele Klischees durchgehen, doch harte Kritik verdient Keene für die Erfindung der schrecklichsten Kinderfigur, mit der man in den letzten Jahren gequält wurde. Danny – „Ich will meinen Daddy!" - ist ein schafsblödes Balg, das prompt in Schreckstarre verfällt, ins Stolpern gerät oder sich in einer Telefonzelle verläuft, wenn gerade tausend geifernde Zombies um die Ecke biegen.)

Zombies sind Monster, so Keenes Credo, aber die Menschen stehen ihnen auf ihre Art wenig nach. Der Verfasser ist ein Pessimist, der nicht davon ausgeht, dass eine elementare Krise den Zusammenhalt fördert. Das Ende bleibt offen, was im Zombie-Genre fast schon Vorschrift ist. Ein Happy-End ist ohnehin schwer vorstellbar, wenn draußen noch immer die Untoten auf der Lauer liegen. Die Überlebenden kesseln sich irgendwo ein und hoffen auf eine Sicherheit, die tatsächlich trügerisch ist. So war es Keene 2005 in Stadt der Toten problemlos möglich, an die Ereignisse von Auferstehung anzuknüpfen - eine Herausforderung, der er sich mit durchwachsenem Erfolg stellte. Doch das ist eine andere Geschichte bzw. Rezension.

Auferstehung

Brian Keene, Heyne

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