Gottesopfer

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2010
  • 3
Gottesopfer
Gottesopfer
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Andreas Kurth
89°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2011

Geister, weise Frauen und ein brutaler Inquisitor

Der "Hexenhammer" - mit lateinischem Titel "Malleus Maleficarum" - ist ein Buch des Dominikaners Heinrich Kramer. Veröffentlicht wurde es 1486 in Speyer und diente Generationen von Inquisitoren fortan als Anleitung zur Verfolgung von Hexen und Häretikern. Im 21. Jahrhundert ist das Buch wohl nur noch von historischem Interesse - oder doch nicht? Ein brutaler Serienmörder richtet seine Opfer in der Gegenwart hin, nachdem er sie übelst gefoltert und gequält hat. Seine Vorgehensweise erinnert dabei an die Methoden der mittelalterlichen Inquisitoren. Der Münchner Profiler Sam O'Connor, ein ausgewiesener Spezialist, wird auf den Fall angesetzt. Die grausamen Morde haben in Rom, Salzburg, Amsterdam und Hamburg stattgefunden. Insbesondere in der Elbmetropole findet O'Connor interessante Spuren an den Tatorten.

Viele Hinweise deuten auf typische Foltertechniken der Inquisition hin, allerdings kann sich der skeptische Profiler zunächst keinen Reim auf die Sache machen. Für ihn sind Seancen und Geisterbeschwörungen schlichtweg unsinniger Hokuspokus. Bei seinen gründlichen Nachforschungen verdichtet sich jedoch das Bild eines Killers, der skrupellos Frauen tötet, die nach seiner Überzeugung einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Ein junger Hamburger Pater - der selbst zu Geisteranrufungen einlädt - und die hübsche Sprechstundenhilfe Lina geraten in den Fokus der Ermittler. Lina ist offenbar selbst ein Medium, und ahnt daher nicht, wie sehr sie in Gefahr ist. O'Connor, der mehr als Sympathie für die junge Frau entwickelt, kommt dem Psychopathen langsam auf die Spur - kann weitere grausame Morde aber dennoch nicht verhindern. Im dramatischen Finale kommen ihm schließlich der Zufall und die Spürnase eine Kollegen zu Hilfe.

Ein Held zum Anfassen

Tanja Pleva hat ein - in meinen Augen - sensationelles Debüt vorgelegt. Mit Sam O'Connor präsentiert sie ihren Lesern einen starken und recht authentischen Protagonisten. Der Kommissar muss im Zuge der Ermittlungen private Rückschläge verkraften - seine Schwester erleidet nach der Entlassung aus der Psychiatrie neue Anfälle - und wirkt gerade durch gezeigte Schwächen und ständige Selbstreflektion auf den Leser überaus sympathisch. Um seine Schwester zu retten, denkt Sam sogar an eine Geisteranrufung - für den überaus skeptischen Kommissar ein purer Akt der Verzweiflung. Neben diesem "Helden zum Anfassen" hat die Autorin eine überaus spannende Geschichte kreiert. Von der ersten Seite an wird der Leser gefesselt und mit starken, zuweilen auch heftigen Bildern konfrontiert.

Die Autorin hat eine ausgezeichnete Mischung zwischen Horror- und fantastischen Elementen geschaffen. Die aufgefundenen Mordopfer bieten reichlich Gruseleffekte, aber noch eindringlicher ist dann das Gespräch des Ermittlers mit einem Professor, der ihm als Mittelalterexperte viel über die Methoden der Inquisition berichtet. Geradezu fröhlich und enthusiastisch schildert der Wissenschaftler die Tötungs- und Folterinstrumente der dunkle Epoche der europäischen Geschichte, und verursacht bei Sam O'Connor - und vor allem beim Leser - eine Gänsehaut nach der anderen.

Gruselig bis zur letzten Seite

Die in Rückblenden angerissene Lebensgeschichte des irren Mörders gibt erschreckende Einblicke in die Welt des religiösen Fanatismus, der in Wahnsinn umschlägt. Der selbst ernannte Teufelsaustreiber hat bereits als Jugendlicher getötet - und glaubt damit Seelen gerettet zu haben. Das perfide Spiel dieses Mörders enthält auch überraschende Wendungen, zumal der "Inquisitor", wie ihn O'Connor im Zuge der Ermittlungen nennt - einige falsche Spuren legt, die Kommissar und Leser trefflich in die Irre führen. Überhaupt ist der Killer der genaue Gegenentwurf zum sympathischen Ermittler. Der im Kloster aufgewachsene Fanatiker ist von Sendungsbewußtsein förmlich durchdrungen, von keinerlei Selbstzweifeln geplagt, und deshalb eine eiskalte Tötungsmaschine. Teufelsaustreibung mit den Methoden des "Hexenhammers" - eine hervorragend erzählte Geschichte, die den Leser intensiv berührt, gruselig und spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Nach diesem Debüt freut man sich als Leser bereits auf die Fortsetzung.

Gottesopfer

Tanja Pleva, Piper

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