Der Ring

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2011
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Der Ring
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Michael Scheck
68°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2011

Teamwork contra Individuum

Das erste Buch, das von Paul Melko auf Deutsch erschienen ist, heißt "Die Mauern des Universums". Es wurde von Kritik und Publikum hoch gelobt. "Die Mauern des Universums" war bereits der zweite Roman aus Melkos Feder. Etwas verspätet wird nun der Erstling des amerikanischen Newcomers nachgereicht. Er heißt "Der Ring" und gewann 2009 den Locus Award für das beste Erstlingswerk und den Compton Crook Award der Baltimore Science Fiction Society. Es muss also etwas dran sein an diesem Buch. Aber was?

Fünf denken wie einer

"Der Ring" erzählt von einem Quintett. Damit ist keine musikalische Formation gemeint, sondern ein Pod, eine Gruppe künstlich gezüchteter Menschen, dazu entworfen, sich zu einer Art Überperson zusammenzusetzen. Diese heißt Apollo Papadopulos und ist dafür bestimmt, Raumschiffe durch die Weiten des Alls zu manövrieren. Apollo setzt sich aus den fünf Individuen Strom, Meda, Moira, Quant und Manuel zusammen; jeder für sich ist auf einem Spezialgebiet hoch spezialisiert und trainiert, zusammen sind sie ein schier unschlagbares Team.

Melko konzentriert sich in seinem Buch auf die Beschreibung einer nicht genau datierten fernen Zukunft, in welcher die Erde von solchen Pods bevölkert wird. Es gibt zwar noch immer "Einzelwesen", die sogenannten "Singletons", aber diese gelten als minderwertig und beschränkt. Die Zukunft gehört den Pods, die wie einer denken und fühlen können - nur effizienter. Im Buch führt das zu aberwitzigen Aussagen wie der folgenden:

"Alle vier von Dr. Khalid erstarren."

Die Pods sind auf jedes ihrer Mitglieder angewiesen, wenn einer fehlt, können sie nur schwerlich zum Konsens finden, einem feinstofflich ablaufenden Prozess, der für das Funktionieren des Pods entscheidend ist.

Das zentrale Element in Melkos Erstling sind die Pods im Allgemeinen und das Quintett Apollo Papadopulos im Besonderen. Diese explizit menschliche Ebene gelingt dem Autor sehr gut. Es gibt durchaus einiges zu beanstanden an seinem Roman, doch sein Entwurf von der Zukunft des Menschen und die Zeichnung des Quintetts ist erstklassig und bleibt haften. Melko verwendet viel Zeit darauf, die fünf Hauptcharaktere nicht nur glaubhaft herauszuarbeiten, sondern sie auch glaubhaft in ihren Gesamtzusammenhang "Apollo Papadopoulos" zu stellen. Sein Schwergewicht liegt auf dem Innenleben seiner Hauptfiguren; das tut gut und hält den Leser bei der Stange.

Unausgegorene Handlung

Darüber geraten andere wichtige Elemente leider ins Hintertreffen. Die Handlung etwa bleibt im Rudimentär-Episodenhaften stecken. Sie erscheint bisweilen etwas wirr und unausgegoren, zumal begonnene Handlungsstränge wie eine rätselhafte militärische Verschwörung gegen "Apollo Papadopulos" immer wieder fallen gelassen oder nur halbherzig verfolgt werden.

Überhaupt, die Gegenspieler: Es gibt deren zwei, beide bleiben seltsam gesichtslos und nebelhaft. Der wahnsinnige "Singleton" Malcolm Leto strebt zwar die Weltherrschaft an, bleibt aber eine schattenhafte Randfigur, genauso wie der Attentäter Andrew McCorkle, der es aus undurchsichtigen Gründen auf unseren Pod abgesehen hat.

Und auch der titelgebende Ring, ein verlassenes Relikt der letzten auf der Erde herrschenden, auf mysteriöse Weise verschwundenen Hochkultur, verkommt zur Staffage. Die Idee des erdumspannenden Super-Habitats - auch sie bleibt leider in der Anlage stecken. Es ist, als hätte Melko zuwenig Zeit zur Verfügung gehabt, die von ihm erdachte Welt fertig zu bauen und auszuschmücken.

Zudem erstaunt, dass ein Buch mit oben beschriebenem Inhalt keinen Diskurs zum Thema "Individuelle Entscheidungsfreiheit contra Gruppendenken" wagt. Der Widerspruch zwischen Pod und Individuum tritt im Zuge der Erzählung immer wieder deutlich zutage, eine thematische Vertiefung drängt sich an einigen Punkten im Buch geradezu auf; sie wird aber stets tunlichst vermieden, was auf Dauer irritiert.

Schade, denn genau das hätte Melkos Roman zusätzlich Tiefe verliehen. So bleibt "Der Ring" ein zwar angenehm zu lesender, unterhaltsamer Roman, der allerdings die glatte Oberfläche nie verlässt. Eine gewisse Tiefe erhält er durch die liebevolle Figurenzeichnung, doch der große Zukunftsentwurf bleibt in seiner Ausführung unbefriedigend.

(Michael Scheck, Oktober 2011)

Der Ring

Paul Melko, Heyne

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