Dämonenzeit

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
Dämonenzeit
Dämonenzeit
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Anja Helmers
60°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2011

Niemand zum mitfiebern

Amez, Gott des Chaos, stellt empört fest, dass eine Menschenwelt aus dem Gleichgewicht geraten ist und unterzugehen droht. Eine Prophezeiung ist der Schlüssel, um sie wieder in Lot zu bringen. Leider wurde sie noch nicht vollständig überbracht, und der ausgesandte Dämon scheint nicht in der Lage zu sein, sie richtig zu interpretieren.

Ratsherr Sil, wie der Kriegerdämon Baazlabeth in seiner menschlichen Gestalt heißt, vergnügt sich derweil in seinem Theater mit Sterbeszenen. Er sitzt nach seinen Abenteuern im ersten Band ´Dämonengold´ immer noch in Brisenburg fest und kann sich als Ratsmitglied mit jämmerlichen menschlichen Belangen herumschlagen. Er will nichts lieber, als endlich zurück in sein angestammtes Zwischenreich. Dafür muss er lediglich die sieben Sünden um sich scharen, um mit diesen wackeren Streitern den Endkampf gegen die sieben Tugenden zu gewinnen.

Seibot Nell, ein gewissenloser Mensch, dem kein Verbrechen fremd ist, wird von König Bellington als Spitzel gedungen und nach Brisenburg geschickt. Als personifizierte Habgier ist er einer der sieben Sünden. Beim Aufeinandertreffen mit Baazlabeth im Gasthaus ´ Zum Einsamen Wanderer´ steigt Nell auf derart ungewöhnliche Weise aus der Unterhaltung aus, dass die anderen Gäste das Lokal fluchtartig verlassen.

Stephan Russbüllt führt die Geschichte um den Dämon Baazlabeth, der im Vorgängerband vom Zauberer Nemrothar in die Welt der Sterblichen gerufen wurde, in ´Dämonenzeit´ fort. Das vorliegende Buch kann auch ohne Kenntnisse des ersten Teils gelesen werden, und unter dem Aspekt ist die detailreiche und ausführliche Beschreibung Seibot Nells und seines Lebensweg sinnvoll. Man lernt die Stadt Brisenburg kennen und erfährt notwendige Dinge über die politische Lage. Danach vergehen viele Buchseiten, in denen der Dämon dem Leser seine liebsten Tätigkeiten näherbringt.

"Entweder muss ich schnell etwas trinken oder jemanden wehtun"

Das geschieht auf amüsante Weise und der Autor animiert mit trocken beschriebener Situationskomik zu manchem Lacher, wie zum Beispiel, wenn Seibold Nell unvermittelt blutend in die Suppe kippt und Baazlabeth empört ausruft: Deswegen esse ich keine Suppe. Stephan Russbüllt hat im Interview der Phantastik-Couch gesagt, dass ihm das Prinzip des Anti-Helden wichtig sei. Mit Baazlabeth hat er definitiv einen Anti-Helden geschaffen. Grausam, nicht besonders helle, egoistisch und vor allem überheblich. Eben der personifizierte Hochmut. Leider bietet die Anlage dieses Charakters kaum Spielraum für Entwicklungen und damit kaum Überraschungen. Baazlabeth kann nur innerhalb seiner Rolle agieren, wenn er plötzlich bedacht und mitfühlend handeln würde, wäre das schlicht unglaubwürdig. Ebenso sind seine Mitstreiter äußerst unangenehme Figuren, da sie ja die negativen Seiten des menschlichen Eigenschaftsspektrums darstellen.

"Was haben nur alle gegen Hochmut?"

Damit komme ich zu einem Problem, dass ich mit dem Buch hatte. Allein schon das Setting ist mehr als düster, die Leute sterben wie die Fliegen, eine Brutalität reiht sich an die nächste, Brisenburg zerfällt unter der Herrschaft von Korruption und Bosheit, und fast jeder kocht sein eigenes Süppchen ohne Rücksicht auf Verluste. Lord Brackenmoore, der Herr von Brisenburg und eine der wenigen aufrechten Gestalten, steht allein auf weiter Flur und geht gnadenlos unter. Es gibt zu wenig Lichtblicke in einem Meer von negativen Charakteren und bösen, grausamen Ereignissen, die mit einer Schicht schwarzen Humors lackiert wurden. Die Sprüche und Witze schleifen sich ab und übrig bleibt purer Zynismus. Außerdem fehlt über weite Strecken die Spannung. Spannung entsteht sowohl im Film wie in der Literatur aus einer Mischung aus Furcht und Hoffnung. Man befürchtet aus einer Ungewissheit heraus, dass den Protagonisten etwas geschehen könne und man hofft, dass die ´Helden´ ihre Aufgabe erfüllen. Wenn aber der Protagonist nur noch nervt, kann man schlecht mitleiden und mitfiebern. Baazlabeth stolpert dank seiner Beschränktheit wirr durch die Gegend, meistens nur sauer, weil er nicht in seiner beeindruckenden echten Form auftreten kann, säuft und metzelt zum Vergnügen. Dieses Herumirren zieht sich leider über zwei Drittel des immerhin 574 Seiten mächtigen Romans. Erst mit dem Auftreten des wahren Gegenspielers kommt Schwung in die Handlung und dürfen die wenigen Sympathieträger eine größere Rolle spielen. Das letzte Drittel entschädigt ein wenig für die vorangegangenen zähen Kapitel. Auch Baazlabeth wird etwas sympathischer, obwohl das vielleicht nicht das passende Wort ist. Die Lösung des Konflikts ist durch den Prolog vorgegeben, aber die Ausführung beinhaltet interessante Ideen und ist spannend gestaltet.

Wer Baazlabeth als handlungstragende Figur ebenso unerträglich findet wie ich, wird wenig Freude an dem Roman haben. Wer sich allerdings nicht am Naturell des Hauptprotagonisten sowie seiner Mitstreiter und dem düsteren Setting stört, sondern einen Hang zu makabren, bitterbösen Figuren hat und über einige Längen hinwegsieht, der wird mit einigen interessanten Ideen und einem gelungenen Ende belohnt.

(Anja Helmers, Juli 2012)

Dämonenzeit

Stephan Russbült, Bastei-Lübbe

Dämonenzeit

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