Imagery

  • Feder & Schwert
  • Erschienen: Januar 2011
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Anja Helmers
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJun 2011

Der Traum eines jeden Werbefachmannes

Das Institute for Consumers Research Boston hat es sich zur Aufgabe gemacht, Firmen sicher durch das Zeitalter des Marketing 3.0 zu lotsen. Richard Elliot arbeitet als Verhaltensforscher beim ICR Boston, genau wie sein Freund Michael Conway. Der größte Kunde des Instituts, Chronos Communication Systems, will ein neuartiges Tablet auf den Markt bringen. Dessen technologische Marktführerschaft droht zu kippen und deswegen hat das Institut eine neue Marketingstrategie erarbeitet. Seit Wochen arbeiten alle nur für diese Präsentation, als genau am Tag der Vorstellung, nur wenige Stunden vor dem Termin, ein Anruf Richard zur Verzweiflung bringt. Conways Ehefrau teilt ihm völlig aufgelöst mit, dass die Polizei bei ihr sei und dass Michael einen tödlichen Autounfall hatte. Zusammen mit seiner Ex-Frau Patricia eilt Richard zur Wohnung seines Freundes. Dort erfährt er, dass Michael Conway frontal in einen entgegenkommenden Sattelschlepper gerast war. Für Richard nicht nachvollziehbare Umstände des Unfalls lassen ihn ratlos, er kann sich nicht vorstellen, dass sein Freund Alkohol getrunken oder Drogen genommen hat, wie der Polizist behauptet. Er hat keinen Anhaltspunkt, warum Michael sich das Wort ´Imagery´, - ein Begriff aus der Verhaltensforschung-, auf die Handinnenfläche geschrieben haben könnte. Alles läuft aus dem Ruder, als sich noch andere Probleme in der Firma auftun. Zusammen mit seiner Ex-Frau und seiner Sekretärin begibt sich Richard Elliot auf Spurensuche, während der Druck in seiner Firma immer mehr anwächst.

Imagery ist ein kurzer Roman von 281 Seiten, dessen Handlung sich nur über wenige Tage spannt, und der aus dem Rahmen von Christoph Marzis bisherigen Fantasywerken fällt. Der Autor benutzt seine Kenntnisse als studierter Wirtschaftspädagoge und verarbeitet ein sehr aktuelles Thema, nämlich moderne Technologien und wirtschaftliche Interessen versus Ethik, zu einem Science-Thriller.

Manchmal kommt alles zusammen. Manchmal läuft alles aus dem Ruder.

Die Geschehnisse werden aus der Sicht Richard Elliots in der Ich-Form geschildert. Man ist sofort drin in der Handlung und hat schnell ein Bild von ihm vor Augen, wie er dort am frühen Morgen am Kaffeetisch sitzt und versucht, seine Müdigkeit zu überwinden. Ein beruflich stark engagierter Mann, der zusätzlich zum Stress der bevorstehenden Präsentation in eine Situation hineingeworfen wird, die niemand erleben möchte. Der in seiner Hilflosigkeit seine Ex-Frau Patricia anruft und sie um Unterstützung bittet.

»Wir hätten uns nie scheiden lassen dürfen«, denkt Richard beim ersten Wiedersehen nach einem halben Jahr. Er hängt immer noch an seiner Ex-Frau, allerdings weiß er nicht, ob es ihr ebenso ergeht. In seinen Augen war ihre Ehe an beider Arbeitswut gescheitert wie auch an ihren Egos. Beide waren nicht bereit, nachzugeben.

Richard wirkt getrieben, nervös, leidet unter Angst und Kopfschmerzen und wirft sich Tabletten ein wie andere Menschen Schokolinsen (oder wie auch immer diese kleinen, bunten Dinger mit Zuckerüberzug heißen). Patricia ist sein ruhender Pol und Rettungsanker. Sie kümmert sich um Michaels Frau, die unter Schock steht, während Richard sich mit dem Polizeibeamten unterhält, um die näheren Umstände des Unfalls zu erfahren. Beim gemeinsamen Abhören von Conways Anrufbeantworter wird klar, dass es im Institut Probleme gibt und dass die Lage durchs Nichterscheinen von Michael und Richard eskaliert ist. Mit einem üblen Gefühl im Bauch fährt Richard zur Arbeit.

Das alles wird sehr dynamisch und sprachlich versiert mit knappen Sätzen beschrieben. Die Emotionen und der Druck der Situation springen einen förmlich an. Dann knickt die Dynamik leicht ein, denn die Szenen werden durch längere Abschnitte über die Historie des Instituts, über Marketingstrategien, Produkte und Marktentwicklungen unterbrochen. Es folgen Erläuterungen zu kognitiver Psychologie und Begriffe wie Imagery, Viral-Marketing-Strategie usw. werden erklärt. Christoph Marzi tut dies ansprechend und verständlich, und diese Informationen sind sicherlich notwendig, aber sie dämpfen den Lesefluss doch ziemlich. Allerdings zieht die Spannungsschraube nach ungefähr 60 Seiten handlungstechnisch an, es gibt immer mehr Verwicklungen und man beginnt sich zu fragen, was eigentlich Richard Elliot antreibt.

Die Zukunft gehört dem Marketspace

In einer globalisierten Welt mit virtuellen Netzen hat der traditionelle Marktplatz an Bedeutung verloren und die traditionelle Marktforschung ist tot. Das ICR, das Institut, in dem Richard arbeitet, berät seine Kunden bezüglich Foren-Forschung und entwickelt neue Strategien, um sich im Netz zu behaupten. Diese schöne, neue Welt des Digitalen wächst in Marzis Roman in erschreckende Richtungen, die jeden betroffen machen sollte, denn wer kann sich heutzutage schon vom Fernsehen, Werbung, Handys und der virtuellen Welt der Social Media lossagen.

Werbung ist eine legitime Form der Machtausübung, sagt ein anerkannter Marketing-Professor namens Kroeber-Riel, auf dessen Forschungen und Veröffentlichungen sich Marzi bezieht.

Frei und unabhängig entscheidende Menschen sind laut der Aussage dieses Professors nur eine Fiktion, ein bloßes Denkmodel. Nur in Ausnahmefällen verhält sich der Normalmensch anders als etwa ein Hund, dem beim Anblick leckerer Knochen, wie auf Knopfdruck, der Speichel aus dem Maul tropft. Kein besonders schmeichelhafter Vergleich, aber durchaus überlegenswert. Christoph Marzi hat in ´Imagery´ einiges an Denkanstößen hineingepackt und das in unterhaltsamer, spannender Form. Für interessierte Leser gibt er in seinem Nachwort noch Erläuterungen zur Entstehung des Romans und anschließend ein Literaturverzeichnis.

Trotz der aufgeführten positiven Seiten gibt es einige Punkte, die mich gestört haben. Es gibt einige Details, die mir unlogisch oder unrealistisch erscheinen. Zum Beispiel, dass Richard ohne Angabe von Gründen sofort von der Krankenhauszentrale telefonisch weitergeleitet wird. Und zwar direkt in den OP-Raum, zu Patricia, die gerade operiert. Oder das Verhalten von Michael Conways fünfjähriger Tochter. Sie verschläft den ganzen Vormittag, bekommt nichts mit vom Besuch der Polizei, wird nicht misstrauisch und schluckt alle Lügen bezüglich ihres Vaters. Oder dass die Polizei sich gleich von Anfang an verhält, als wäre es ein Mordfall, dabei gehen sie doch von einem eindeutigen Unfall durch Trunkenheit am Steuer aus. Oder dass Richard seiner Sekretärin anfangs nicht Bescheid sagt, was passiert ist, sondern sie lapidar mit der Bemerkung abspeist, dass er sich verspäten würde. Es gibt weitere Stellen, an denen ich das Verhalten von Richard oder anderen Personen nicht nachvollziehen konnte, aber das alles aufzuführen, würde zu viel vom Inhalt verraten.

Des Weiteren sind die Beschreibungen sämtlicher Personen bezüglich ihres Äußeren für mich zu viel des Guten. Wirklich jede Figur wird mit Angaben zur Haarfarbe, Augenfarbe, Frisur und Kleidung eingeführt. Wenn Annie, Richards Sekretärin, zum Beispiel einen Mann als ´Blondie´ betituliert, dann hat das schon genügend Aussagekraft und es ist nicht nötig, diesen Mann zusätzlich bei seinem leiblichen Auftreten genau zu beschreiben.

Zusammenfassend ist Imagery ein flott erzählter Roman, der vom Traum eines jeden Werbefachmannes, nämlich der vollkommenen Manipulation, handelt, der mich aber nicht in jeder Hinsicht fesseln konnte.

(Anja Helmers, Februar 2012)

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Christoph Marzi, Feder & Schwert

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