Nybbas Nächte

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  • Erschienen: Januar 2011
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Nybbas Nächte
Nybbas Nächte
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Anja Helmers
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2011

Erstklassige Urban Fantasy aus deutschen Landen

Joana, Taxifahrerin und gescheiterte Psychologiestudentin, hat alles hinter sich gelassen: ihre Heimatstadt Hamburg, ihr geregeltes Leben und ihre Freunde. Aus Liebe zu einem Dämon, der sich von menschlichen Gefühlen ernährt. Und nach erschreckenden Ereignissen und der Erkenntnis, dass sie selbst über eine besondere Gabe verfügt. Durch ihre Weigerung, sich zur Dämonenjägerin ausbilden zu lassen, um ein vollwertiges Mitglied der Clerica zu werden, hat sie sich unversöhnliche Feinde geschaffen. Zusammen mit Nicholas, wie der menschliche Name ihres geliebten Dämons lautet, flieht sie nach Portugal. Leider steht Nicholas alias Nybbas auf der Abschussliste des ersten Höllenfürsten. Er hat einen Mord an einem seiner dämonischen Brüder begangen, um Joana zu retten.

Der Versuch, so etwas wie Normalität in ihr Leben zu bringen, scheitert schon nach wenigen Wochen mit der Ankunft eines Kampfgefährten. Der junge Dämon Ilyan will seinen Freund warnen. Elias, wie Joana den Ilyan trotz seines neuen menschlichen Körpers nennt, hat in Boston erfahren, dass der Luzifer die Jagd auf seinen abtrünnigen Sohn vorbereitet. Der Dämonenfürst sammelt unschuldige Kinderseelen zur Erlangung alter Stärke.

Nur mit knapper Not entkommen die drei einem Überfallkommando aus menschlichen Dämonensklaven. Joana sieht endlich ein, dass sie ihre besonderen Kräfte schulen muss, um sich notfalls selbst verteidigen zu können. Durch ein Telefonat mit ihrer Mutter erfährt sie von einer ausgestoßenen Dämonenjägerin in Island.

Island erscheint als eine gute Wahl. Dort gibt es praktisch keine anderen Dämonen, denn Nordlichter bilden eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle für sie, und Rut Jensdóttir erklärt sich bereit, Joana zu trainieren. Elias begibt sich nach London, Nicholas und Joana fliegen nach Reykjavik. Dort steht ihnen eine große Prüfung ihrer Liebe und ihres Vertrauens bevor, in die alsbald auch Elias involviert wird.

"Durch und durch verdorbene Seelen sind erstaunlich schwer zu finden."

Mit diesem Satz beginnt Nybbas Nächte, der zweite Teil von Jennifer Benkaus Schattendämonen-Trilogie. Der letzte Teil, Nybbas Blut, soll im nächsten Sommer erscheinen. Man kann den Roman auch ohne Kenntnis des ersten Bandes lesen und verstehen, aber natürlich ist es ratsamer, die richtige Reihenfolge einzuhalten.

Erfolgreiche Urban Fantasy aus deutschen Landen ist eher die Ausnahme im Meer der englischsprachigen Bestseller. Das ist schade, denn so einiges, was über den großen Teich zu uns herüberschwappt, zeichnet sich vor allem durch überdimensioniert ausgestattete Heroen und rosarote Schönheiten aus, die mir jeden Lesespaß verderben. Ich würde mich freuen, wenn die überaus talentierte junge Autorin Jennifer Benkau ein wenig am amerikanischen Podest rütteln könnte. Nybbas Nächte, ebenso wie sein Vorgänger, bietet erstklassige Paranormal Romance, die keinen Vergleich mit den amerikanischen oder australischen Erfolgsautoren des Genres zu scheuen braucht, sondern in einigen Bereichen deutlich überlegen ist.

Eine ausgewogene Mischung aus Action und Atempausen. Keine Scheu vor großen Gefühlen, vor Blut und Gewalt, vor Leidenschaft und Tragik, vor den gemeinen, dunklen Seiten, die auch in normalen Menschen stecken, aber ohne diese amerikanische Neigung, alles zu übertreiben oder mit Pathos zu überfrachten.

Eine fesselnde Geschichte, spannend und überraschend, mit vielschichtigen Charakteren, die nicht nur rein böse oder gut sind. Nicholas und Elias sind keine weichgezeichneten Dämonen, keine Edeldämonen, sondern handeln ihrem Naturell entsprechend. Für Nicholas ist es völlig normal, einem Menschen seine Gefühle zu rauben. Er manipuliert ohne Gewissensbisse, er tötet äußerst brutal, er unterwirft sich nicht einer menschlichen Moral, er bereut nichts. Er schützt kompromisslos, was ihm gehört, das ist seine Natur, aber sein Handeln ist weit ab vom hehrem Edelmut à la Edward.

Elias ist ebenso wie Nicholas eine sehr ambivalente Figur. Einigen Lesern, die eindeutig positive Figuren bevorzugen, werden die beiden männlichen Protagonisten mit ihrem Verhalten sauer aufstoßen. Der Ilyan ist ein sehr junger Dämon, hin- und hergerissen zwischen seiner Eifersucht und seiner Wut über den Verlust seiner Schöpferin Laureen. Getrieben vom Wunsch nach Anerkennung und Liebe seitens Nicholas. Auf Joanas Frage, auf welcher Seite er stehe, antwortet Elias, immer auf der richtigen. Er ist der Racheengel, so wie Laureen ihn sich erdacht hat, dicht an der Schwelle zum Verrat. Um sich von Nicholas zu befreien, überschreitet er diese Schwelle sogar. In meinen Augen ein interessanter Charakter, empfindsam, hellsichtig, auf der verzweifelten Suche nach sich selbst und seinem Sinn. Mit ihm zusammen bilden Joana und Nicholas eine gelungene Ménage à trois mit einem spannenden Beziehungsgeflecht.

"Du musst begreifen, dass wir anders funktionieren als Menschen"

sagt Elias einmal zu Joana und erklärt ihr weiter, dass Dämonen auf die Welt kommen, nicht einfach nur um zu leben, sondern um Aufgaben und Wünsche des Nekromanten zu erfüllen, der sie herbei ruft. Sie sind Befehlsempfänger, ausgestattet mit den Eigenschaften, die von ihrem ´Schöpfer´ erdacht wurden. Erst wenn der Nekromant stirbt, sind sie frei. Aber damit verlieren sie eigentlich auch den Sinn ihrer Existenz. Nicht alle Dämonen überleben das. Diejenigen, die es schaffen, suchen sich einen neuen Sinn. Sie entwickeln Persönlichkeiten, die nicht unbedingt im landläufigen Sinn böse sind. Sie unterscheiden sich auf jeden Fall sehr von den dumpfen, blutrünstigen Dämonen in vielen anderen Büchern. Sie besitzen mehr Facetten und einen freien Willen, auch wenn sie ihre Macht nur innerhalb eines streng hierarchischen Systems ausbauen können. Das macht sie zu faszinierenden Geschöpfen. Ich bin sehr gespannt auf den Luzifer, der in Nybbas Nächte nur einen kurzen, aber sehr ungewöhnlichen Auftritt hat und sicherlich im Abschlussband eine größere Rolle spielen wird.

Benkaus Dämonenwelt und die Entstehungsgeschichte dieser Geschöpfe gefallen mir deshalb so gut, weil Luzifer und die anderen Dämonen nicht christlich geprägt sind und es keinen Gott gibt. Besonders die Entstehungsgeschichte der Dämonen, Benkaus Auslegung des Lilit-Mythos, ist eine originelle Idee. Ein fieser Teufelskreis, und er entspricht auch meiner Meinung, dass Menschen sich immer ihre eigene Hölle und ihre eigenen Dämonen erschaffen, und es dazu nicht Wesen von außen bedarf, die die armen Menschen zum Bösen verführen.

Die paranormale Welt passt nahtlos zur normalen Welt und Joana agiert und reagiert so natürlich, dass sie sehr echt wirkt. Die Streitereien zwischen ihr und Nicholas sind köstlich. Handfestes Gekabbel mit einem wutschnaubenden Nicholas, Tränen der Erleichterung oder fluchen ihrerseits. Aber auch ihre perfektionierten Verdrängungsmechanischem bezüglich seiner Nahrungsaufnahme, ihre Angst vor seiner dämonischen Seite, lassen Joana sympathisch menschlich erscheinen.

Fabelhafte Schauplätze und eine Liebesgeschichte, die nicht überzuckert ist, und sich nicht so in den Vordergrund drängt, runden das positive Gesamtbild ab.

Erotische Szenen, die Spaß machen, die prickeln dank hervorragender Verpackung, und eben nicht nerven wie bei so vielen öden Nackenbeißern, sind die Schlagsahne des Romans.

Stilistisch eigenständig, modern, locker und kreativ. Man spürt die Freude an Formulierungen, keine ausgeleierten Vergleiche, witzig, nie übertrieben oder aufgesetzt. Mir sind nur ganz wenige Ausrutscher aufgefallen, die ich nicht so schön fand. Ansprechender Stil in jeder Beziehung. Ein klasse Cover, auf der Rückseite endlich einmal ein Text, der zutrifft und neugierig macht.

In Anlehnung an den ersten Satz des Romans wage ich zu sagen: Durch und durch gute romantische Urban Fantasy ist schwer zu finden, aber dieser Roman zählt definitiv dazu.

(Anja Helmers, August 2011)

Nybbas Nächte

Jennifer Benkau, -

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