Der letzte Schattenschnitzer

  • Klett-Cotta
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
Der letzte Schattenschnitzer
Der letzte Schattenschnitzer
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Marcel Buelles
78°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2011

Es ist schwieriger über seinen eigenen Schatten zu springen als man denkt

Als die ersten Menschen die Sprache und die Magie der Schatten erlernten, lebten Mensch und Schatten in Harmonie. Doch eines Tages kam eine neue Magie auf, die die Schatten unterjochte und sie zu Sklaven machte. Die alten Zauberer hatten dieser nichts entgegenzusetzen und wurden vernichtet. Erst heute, viele Jahrhunderte später, scheint einer der Schattenschnitzer zurückzukehren, die bestehenden Verhältnisse in Frage zu stellen und die Welt aus den Angeln heben zu wollen. Nur zwei Menschen können seinen Rachefeldzug aufhalten: Jonas, der gelernt hat mit seinem Schatten zu sprechen, und Carmen, die keinen Schatten hat.

Nicht einmal seinem Schatten kann man trauen

Den meisten Menschen ist nicht klar, daß ihre ständigen Begleiter - ihre Schatten - ein eigenes Bewußtsein haben, und daß ein Rat der Schatten dafür sorgt, daß das Gleichgewicht der Macht beibehalten wird. Würden die Schatten den Aufstand wagen, so könnten sie die Menschen, zu denen sie gehören, versklaven und die Welt, wie wir sie kennen, vernichten. Doch der Rat, die Kraft mächtiger Siegel und das Wissen, daß es niemanden gibt, der ihrer gemeinsamen Kraft widerstehen kann, sorgt dafür, daß alles friedlich bleibt. Bis zum heutigen Tag.

Denn der Schatten des letzten Schattenschnitzers, George Ripley, wurde befreit, und die Siegel der Macht werden eins nach dem anderen vernichtet. Ohne sie ist der Zugang zum Limbus der Schatten frei, dem Ort, an dem die Schatten nach dem Tod ihrer Besitzer verharren, um einem neuen Träger zugewiesen zu werden - dem Ort, an dem ihnen ein Magier den Befehl erteilen könnte, das Gleichgewicht der Mächte zu ignorieren und den Angriff auf die Welt zu beginnen.

Zwei unschuldige Kinder sollten die Welt retten - aber für wen?

Der Protagonist der Erzählung, Jonas Mandelbrodt, ist ein Junge, der von Natur aus gelernt hat, mit den Schatten zu sprechen. Das ist noch nie geschehen, und sein Schatten entschließt sich, ihm alles beizubringen, was ein Schattenmagier wissen muß - auch weil der Schatten weiß, daß ein solch ungewöhnliches Kind vom Rat der Schatten verfolgt und vermutlich umgebracht werden wird. Jonas wächst als einsames Kind auf, und erst an dem Tag, als am anderen Ende der Welt ein Mädchen ohne Schatten geboren wird, ahnt er, daß sich in seinem Leben etwas ändern wird.

Es ist nicht einfach, Sympathie für Jonas zu entwickeln, dessen Dasein sich auf seinen Schatten reduziert und der zum Spielball größerer Mächte wird. Seine Suche nach Carmen und seine Liebe zu ihr, nach dem einzigen anderen menschlichen Wesen, das ihn zu verstehen scheint, führt ihn auf Irrwege, die auf den düsteren Pfaden eines rachsüchtigen Schattenschnitzers basieren. Menschen, denen er vertraut, erweisen sich als Verräter, die ihn nur zu eigenen Zwecken zu mißbrauchen trachten. Wer am Ende die Oberhand behalten wird, entscheidet Jonas - der nicht weiß, was er tun soll.

Was wäre der Mensch ohne seinen Schatten?

»Der Schattenschnitzer« ist wahrlich kein Kinderbuch, auch wenn seine Protagonisten Kinder sind. Es ist vielmehr ein Gleichnis über Macht, Moral und Vergebung, denn zuweilen scheint es um nichts Anderes zu gehen, als Gott und seine Schöpfung herauszufordern. Der fantastische Hintergrund, der in geradezu märchenhafter Form erzählt wird, gespickt mit schattenumwölkten Zitaten aus Literatur, Philosophie und Geschichte, und die Erzählperspektive, die vom jungen Jonas Mandelbrodt zu seinem Schatten wechselt, fordert den Leser heraus, zwischen den Zeilen zu lesen und sich auf die Welt der Schatten einzulassen. Wer dann noch die kurzen Auszüge aus dem Buch der Schatten des John Dee blättert, ist auf dem besten Wege in eine faszinierende, andersartige Welt.

(Marcel Bülles, Oktober 2011)

Der letzte Schattenschnitzer

Christian von Aster, Klett-Cotta

Der letzte Schattenschnitzer

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