Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2012
  • 2
Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo
Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo
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Carsten Kuhr
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2011

Monster gibt es nicht, Vampire sind Hirngespinste - oder doch nicht?

Amerika im Jahres des Herren 1889. Nach dem Tod seiner Eltern nahm Dr. Warthrop sich des Waisenjungen Will Henry an. Wie sein Vater vor ihm soll der Junge den exzentrischen Wissenschaftler bei dessen Forschungen unterstützen und dafür sorgen, dass dieser bei all der Arbeit das Essen nicht vergisst.

Was in dem kleinen Örtchen New Jerusalem kaum einer ahnt, ist, dass sich Dr. Warthrop nicht nur als Philosoph betätigt, sondern auch der höchst respektierlichen, aber auch geheimen Gesellschaft der Monstrumologen angehört. Die Erforschung und, so es denn Not tut, die Jagd auf Monster, das ist wie allenthalben bekannt eigentlich nur etwas für abgedrehte Spinner. So zumindest dachte auch Will, bis der örtliche Leichendieb und Schänder der Gräber eines Nachts einen Fund an der Hintertür des Hauses ablieferte.

Seitdem hat unser einstmals unschuldiger Junge so allerhand erlebt und überlebt. Als er aber eines Morgens dem Klopfen an der Tür folgt und eine bezaubernde Frau vorfindet, die zu seinem Meister will, versteht er die Welt nicht mehr, zumal sich dieses bezaubernde Wesen als frühere Verlobte seines Herren entpuppt! Deren Gatte, ehedem einmal der beste Freund Dr. Warthrops, ist in der Wildnis Canadas auf der Suche nach dem Wendigo verschollen. Nun weiß Dr. Warthrop natürlich, dass es Wesen wie Vampire - und nichts anderes soll der sagenhafte Wendigo sein - nicht gibt und wie es seine Art ist, lässt er dies die junge Dame in Not auch unmissverständlich wissen.

Dennoch begibt er sich, begleitet von Will Henry auf die Suche nach dem Vermissten. In den einsamen, unerschlossenen Wäldern Canadas stoßen sie dabei auf etwas, das selbst den Monstumologen unbekannt ist - ein Wesen, das nicht gejagt wird, das selbst seine Beute verfolgt, mit gelben Augen, die sich von hoch oben auf die Jagd nach dem auserwählten Opfer begeben. Dass ihnen die Flucht gelingt, dass sie den Vermissten gar retten können scheint wie ein Wunder - bis selbiger dann im heimatlichen New York der Obhut der Gesellschaft entflieht und sich auf die Suche nach Nahrung begibt - nach roter, flüssiger und warmer Nahrung ...

"Im Namen von allem, was heilig ist, sag mir, warum Gott das Bedürfnis verspürte, eine Hölle zu erschaffen? Sie wirkt so überflüssig". (S. 373)

Der moderne Gruselroman ist tot - so zumindest schallt es uns überall entgegen. Dass dem nicht so ist, beweist nach dem fulminanten ersten Roman um Dr. Warthrop auch vorliegendes Buch aus der Feder eines bislang vornehmlich im Jugendbuchbereich publizierenden Autors, das es in sich hat. Mit vielen, liebevollen Illustrationen versehen wartet ein absonderliches, grausames und höchst unterhaltsames Lesevergnügen auf den - hoffentlich - erwachsenen Leser.

Nach einem an Jack Londons Alaska-Beschreibungen erinnernden ersten Teil geht es im scheinbar gesitteten New York dann ans Eingemachte. Geschickt lässt der Autor hier Tatsachen über das Leben im Big Apple zur damaligen Zeit einfließen, berichtet von der Not, dem Elend und der Ausbeutung an den Immigranten, von der Brutalität der Polizisten und der Überheblichkeit der oberen Zehntausend.

In diese uns aus Erzählungen und Filmen bekannte Kulisse setzt er dann sein Monster. Und dieses agiert nicht etwa gesittet oder klinisch rein, ja nicht einmal ethisch untadelig wie viele seiner modernen Artgenossen, sondern, wie es Monstern nur einmal eigen ist, gnadenlos, ohne Gewissen, ohne Mitleid oder Zurückhaltung.

Vom beißenden Hunger getrieben geht es seinem naturgegebenen Jagdinstinkt nach. Da wird nicht weichgespült, beschönigt oder verharmlost, da fährt der Autor auf, was seine Leser schockt. Maden winden sich in offenen Wunden, Köpfe zerplatzen oder werden abgerissen, Innereien fliegen aus der kalten Bauchhöhle, das noch schlagende Herz wird angeknabbert, der Kampf fordert von seinen Streitern und den Lesern alles ab. Das Gebotene überschreitet dabei aber nie die Grenzen des guten Geschmacks, ja, so manches Mal schleicht sich gar eine Spur schwarzen Humors in die Ich-Erzählung ein.

Stilistisch zunächst ein wenig ungewöhnlich, weil auf alt getrimmt, liest sich der Text mit zunehmender Dauer immer faszinierender, taucht der Leser ganz in die packende Handlung ein. Dazu tragen natürlich auch die passenden Illustrationen aus der Werkstatt Jürgen Spehs bei.

Sicherlich kein Kinder- oder Jugendbuch, auch für Zartbesaitete nicht unbedingt die passende Bettlektüre, dafür aber werden Horrorfans den zweiten von bislang geplanten vier Bänden (Band 4 ist für 2013 in den USA in Vorbereitung) lieben.

(Carsten Kuhr, Februar 2012)

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Rick Yancey, Bastei-Lübbe

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