H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Tote erinnern sich (Horrorgeschichten 2)

  • Festa
  • Erschienen: Januar 2012
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H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Tote erinnern sich (Horrorgeschichten 2)
H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Tote erinnern sich (Horrorgeschichten 2)
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Michael Drewniok
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2020

Vergangenheit, die nicht sterben, sondern töten will

16 Horrorgeschichten von Robert E. Howard:

- Das Hügelgrab auf der Landzunge (The Cairn on the Headland; 1933), S. 7-33: Vor elf Jahrhunderten starb Gott Odin auf dem Schlachtfeld, wo er als Mensch gekämpft hatte. Doch er ist nicht tot und wartet darauf, dass ein Pechvogel sein Grab öffnet; dann wird Odin rachsüchtig über die moderne Welt kommen.

- Casonettos letztes Lied (Casonetto's Last Song; 1973), S. 34-38: Der mörderische Nekromant war auch ein Meistersänger, weshalb er dem Mann, der ihn an den Galgen bringt, ein Geschenk hinterlässt, das beide Talente tückisch miteinander vereint.

- Dermods Verderben (Dermod's Bane; 1967), S. 39-45: Der trauernde Bruder wird vom Geist eines erzbösen Raubmörders in eine Todesfalle gelockt, wo auf beide eine Überraschung wartet.

- Das Tal der Verlorenen (The Valley of the Lost; 1975), S. 46-73: In seiner Not verbirgt sich ein Mann dort, wo es umgehen soll; die Flucht wird zur Odyssee in eine grausige Vergangenheit, als sich die ‚Bewohner‘ des Tals zeigen.

- Der Mann auf dem Boden (The Man on the Ground; 1933), S. 74-81: So verbissen kämpfen zwei Todfeinde gegeneinander, dass selbst der Tod ihr Duell nicht beenden kann.

- Das Herz des alten Garfield (Old Garfield's Heart; 1933), S. 82-95: Ihn kann offenbar nichts umbringen, was daran liegt, dass Garfield einst ein ganz besonderes Organ eingepflanzt wurde.

- Kelly, der Zaubermann (Kelly the Conjure-Man; 1964), S. 96-100: Ein Bericht über den angeblich realen Kelly, der sich in einem abgelegenen Winkel des US-Staates Arkansas als Hexenmeister seine Mitmenschen terrorisierte.

- Tote erinnern sich (The Dead Remember; 1936), S. 101-111: Im Suff hat Viehtreiber Jim Gordon zwei Menschen umgebracht; dafür wurde er mit einem Fluch belegt, der sich immer deutlicher manifestiert und schließlich handfest zuschlägt.

- Schemen im Dunkel (Spectres in the Dark; 1985), S. 112-128: Eine unsichtbare Macht fährt in Menschen und verwandelt sie erst in Wahnsinnige, dann in Mörder und schließlich in Leichen.

- Der Fluch des goldenen Schädels (The Curse of the Golden Skull; 1967), S. 129-133: Der sterbende Zauberer belegt seine Gebeine mit einem bizarren Fluch, der sich Äonen später tödlich erfüllt.

- Das Schädelgesicht (Skull-Face; 1929), S. 134-254: Aus geschichtsloser Vergangenheit erhebt sich ein untoter Hexenmeister, um die moderne Welt in den Krieg zu treiben, sollten ein rauschgiftsüchtiger Abenteurer und ein furchtloser Polizist ihm nicht Einhalt gebieten können.

- Die rechte Hand der Verdammnis (The Right Hand of Doom; 1968)*, S. 255-261: Der Hexer sitzt zwar sicher in seiner Zelle, aber er findet trotzdem einen Weg den zu strafen, der ihn verraten hatte.

- Schädel inmitten der Sterne (Skulls in the Stars; 1929)*, S. 262-276: In einem düsteren Moor klärt Solomon Kane das ebensolche Drama eines Mordes mit Folgen auf.

- Schritte im Grabmal (The Footfalls Within; 1931)*, S. 277-296: Kane muss in Afrika erleben, wie ein vom biblischen König Salomon verbannter Dämon wieder in Freiheit gesetzt wird.

- Die Berge der Toten (The Hills of the Dead; 1930)*, S. 297-322: Dorfbewohner leiden unter den Attacken uralter Vampire, die in den nahen Bergen hausen. Kane nimmt sich ihrer Sache an = den Kampf gegen die untoten Kreaturen auf.

- Klappernde Knochen (Rattle of Bones: 1929)*, S. 323-332: Im deutschen Schwarzwald gerät Kane erst an einen Gauner, dann an einen verrückten Mörder und schließlich an einen toten, aber weiterhin umtriebigen Hexenmeister.

- Howard Phillips Lovecraft: In Memoriam: Robert Ervin Howard (In Memoriam: Robert Ervin Howard; 1936), S. 333-338

- Christian Endres: Dunkle Träume aus Texas, S. 339-346

* Solomon-Kane-Storys

Handwerk und Leidenschaft

Robert E. Howard gilt hierzulande primär als Autor (historisierender) Fantasy. Vor allem als Schöpfer des Barbaren „Conan“ kennt man ihn, doch obwohl Howard nur 30 Jahre ‚alt‘ wurde, hat er ein beachtliches Werk hinterlassen, das ein sehr viel breiteres Genre-Repertoire abdeckt. Seinen Weg als Autor von Horrorgeschichten beschreibt Christian Endres in einem ausführlichen und informativen Nachwort. Er weist u. a. auf die Bekanntschaft mit H. P. Lovecraft (1890-1937), dem modernen Meister des ‚kosmischen‘ Horrors hin, der nur ein Jahr vor seinem eigenen Tod einen Nachruf auf Howard schrieb, die auch eine kurze, aber prägnante und weiterhin gültige Analyse darstellt; auch dieser Text ist im vorliegenden Band enthalten.

Obwohl Lovecraft Howard durchaus prägte, ließ dieser sich keineswegs einschüchtern. Es gibt es mehrere Storys, die dem „Cthulhu“-Mythos zugerechnet werden können, aber Howard emanzipierte sich rasch und ging als Schriftsteller seinen eigenen Weg. Anders als Lovecraft konnte er sich auf dem Markt der zeitgenössischen „Pulp“-Magazine etablieren, denn er war fähig und willens, den Publikumsgeschmack zu bedienen, ohne dabei seine persönliche Note aufzugeben. Howard hatte kein Problem damit, schon fortgeschrittene Storys aufzugeben, wenn sich ein lohnenderer Stoff fand („Schemen im Dunkel“).

Es entstand keine Kunst, und vieles hat die Zeit schlecht überstanden. Nichtsdestotrotz beeindruckt die Zahl jener Werke, die zumindest ihren Unterhaltungswert kaum oder gar nicht eingebüßt haben. Howard war ein großartiger Geschichtenerzähler, der die Weltgeschichte plünderte, Fakten mit Mythen verwob und unbekümmert zu einer ‚alternativen‘ Historie verquirlte, die er erstaunlich prägnant so skizzierte, dass er sie seinen Bedürfnissen stets anpassen konnte, ohne sich von ihr einengen zu lassen.

Lebe kurz, aber intensiv (bzw. schmerzhaft)

Zeit ist für Howard nicht relevant; sie lässt sich auf vielfältige Weisen überwinden. Meist ist (schwarze) Magie im Spiel („Das Hügelgrab auf der Landzunge“, „Das Schädelgesicht“). Auch ein Fluch kann für Unsterblichkeit sorgen („Dermods Verderben“), aber vor allem garantiert Rache ein Weiterleben („Casonettos letztes Lied“, „Der Mann auf dem Boden“, „Der Fluch des goldenen Schädels“)

Zorn zeichnet das Wesen einer typischen Howard-Figur aus. Hinzu kommt ein Stolz, der stets auch die Furcht vor dem Vorwurf ‚unmännlicher‘ Feigheit beinhaltet. Die Protagonisten der hier versammelten Geschichten sterben lieber, als sich dem zu beugen, das sie nicht akzeptieren wollen. Zwar lässt sie das immer wieder in lebensbedrohliche Situationen geraten, die jedoch durch ein finales Aufbäumen und die Freisetzung in der Krise übermenschlicher Kräfte überstanden werden.

Dies prägt auch jene Figuren, die ihre Abenteuer in der Gegenwart (der 1920er und 1930er) Jahre erleben. Gern macht Howard deutlich, dass diese Männer sich einer Vergangenheit verpflichtet fühlen, in der rohe, offene Gewalt als legitime Methode der Problemlösung galt. Die Zivilisation ist verdächtig, denn sie „verweichlicht“ und ersetzt klare Verhaltensrichtlinien durch dekadentes Durcheinander.

Die Welt als Spielplatz

Howards Storys sind nicht raffiniert geplottet oder geschrieben. Sie sind jedoch spannend, und vor allem strahlen sie eine enorme Begeisterung und Vitalität aus. Oft genügen wenige Worte, um faszinierende Orte zu gestalten - es sind die richtigen Worte, wobei Howard sich wie schon erwähnt durch Realitäten nicht beeinträchtigen lässt. Landschaft ist immer auch ein Spiegel für Emotionen und muss deshalb nicht Naturgesetzen unterliegen.

Dies funktioniert dort besonders gut, wo Howard sich auskennt - im Süden der USA und hier vor allem in Texas, wo er aufwuchs und lebte. Die Region ist reich an Geschichte/n und Mythen, auf die der Verfasser in „Das Tal der Verlorenen“, „Der Mann auf dem Boden“, „Das Herz des alten Garfield“, „Tote erinnern sich“ sowie „Kelly, der Zaubermann“ stimmungsvoll zurückgreift. Solche Storys sind (bis auf „Das Tal der Verlorenen“; hier kombiniert Howard geschickt ‚seinen‘ Horror mit dem Lovecraft-Konzept einer urschleimmutierten „lost race“) simpel gestrickt, können aber durch ihr (Wild-West-) Ambiente punkten.

Das Howard-Werk zeigt dort sein Alter, wo es Rassismen zeigt, die allerdings zeitgenössisch waren. Dies kann zum Problem werden, das auch viele alte, an sich weiterhin unterhaltsame Hollywood-Filme beeinträchtigt: Heute verursachen viele einst selbstverständliche Klischees schlicht Unbehagen. Hier ruft primär die Novelle „Das Schädelgesicht“ diese Reaktion hervor. Das an sich turbulente Garn leidet unter der offensichtlichen Verachtung ‚farbiger Rassen‘, die einerseits als dumm und andererseits als tückisch hingestellt werden: Ein ebenfalls ausdrücklich nicht-weißer Bösewicht kann sie problemlos instrumentalisieren und einen Welt- bzw. ‚Rassenkrieg‘ anzetteln. Nicht nur Howard nutzte bzw. missbrauchte vor allem die asiatische Kultur. Die „Pulps“ der Ära wimmeln vor Fu-Manchu-gleichen Bösewichten, die mit ihren Schergen moderne Großstädte buchstäblich unterhöhlen, um dort orientalische Ränken zu spinnen: Solche politisch gar nicht mehr korrekten Garne muss man kulturhistorisch korrekt einordnen, um sie goutieren zu können. Dazu gehört ein Frauenbild, das - freundlich ausgedrückt - #MeToo-untauglich ist.

Held im Gotteswahn

Bevor Conan kam, sah und siegte, war Solomon Kane eine Howardsche Serienfigur. Ende der 1920er Jahre kreierte er einen besonders düsteren ‚Helden‘. Kane sieht sich als puritanischer Streiter im Dienste Gottes. Tatsächlich ist er ein Abenteurer, der sich wie ein Süchtiger in selbstgewählte Kreuzzüge stürzt. Dass er sich dabei wie ein Vigilant aufführt und das Recht, wie er es versteht, in die eigene Hand nimmt, wird von Howard keineswegs geleugnet - ein geschickter Schachzug, der die Figur ungleich interessanter macht.

Die Solomon-Kane-Storys stellen die Höhepunkte dieses Sammelbands dar. Howard lädt objektiv trivialen Grusel mit einer atmosphärischen Intensität auf, die der Handlung Flügel verleiht. Selbstverständlich ist das von Kane durchstreifte Afrika („Schritte im Grabmal“, „Die Berge der Toten“) eine Brutstätte einschlägiger Klischees. Der Wirkung dieser Geschichten wird man sich trotzdem schwerlich entziehen können.

Dies gilt für den gesamten Band, der uns die edierten Storys gut übersetzt und wie weiter oben erwähnt sachkundig kommentiert vorstellt. Die gesamte Howard-Edition sollte im Buchbestand jedes Liebhabers zwar alter, aber lesenswerter Phantastik zu finden sein.

Fazit:

Band 2 der (insgesamt fünfbändigen) Howard-Edition präsentiert 16 oft fantasylastige Horrorstorys. Archaisches Übel trifft auf zwar entsetzte, aber durchaus wehrhafte Männer, die sich ihm im buchstäblich offenen Kampf stellen: turbulente, farbenfrohe, politisch unkorrekte, im besten Sinn triviale Geschichten sorgen viele Jahrzehnte nach ihrer Entstehung weiterhin für beste Unterhaltung.

H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens: Tote erinnern sich (Horrorgeschichten 2)

Robert E. Howard, Festa

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