Omen - Das Horror-Journal Nr. 1

  • Festa
  • Erschienen: Januar 2003
  • 0
Omen - Das Horror-Journal Nr. 1
Omen - Das Horror-Journal Nr. 1
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Michael Drewniok
65°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2021

Wer sich gruselt, will auch wissen

Inhalt:

Artikel/Interviews

- Der Herr der Schrecken: Kim Newman (S. 6-13)/Kim Newman: Anno Dracula - Die Hintergründe (S. 14-21): Hochinteressant sind diese beiden Berichte über einen modernen Meister des Phantastischen und sein Lebenswerk - eine alternative Weltgeschichte, die vom Vampirismus geprägt wird und sich mit allerlei fiktiven ‚Leihgaben‘ aus Literatur und Film zu einem dichten und fesselnden Gesamtbild verbindet.

- Richard Laymon: The Beastmaster (S. 54-62): Eine Art Nachruf auf den 2001 plötzlich verstorbenen, lange ignorierten Verfasser dynamischer bzw. bizarrer Romane und Geschichten, die nur sekundär ‚echter‘ Horror sind und das Böse im Menschen an sich in den Vordergrund stellen.

- Interview mit Jeffrey Thomas (S. 88-95), der die imaginäre Science Fiction-Fantasy-Geisterstadt „Punktown“ erfunden hat. Das Interview ist interessant, die „Punktown“-Saga so, wie sie hier vorstellt wird, nicht unbedingt.

- S. T. Joshi: H. P. Lovecrafts Einfluss auf Fritz Leiber (S. 108-125): Der unduldsame US-Fachmann des Phantastischen ist hier mild, weil freundlich gestimmt durch die doppelten Qualitäten des Altmeisters Lovecraft und seines selbstständigen Schülers Leiber. Joshi weist auf interessante Parallelen zwischen den Werken beider Männer hin und belegt darüber hinaus Leibers eigenständige Entwicklung im Bereich des modernen Horrors und der Science Fiction.

- Interview mit Michael Marshall Smith (S. 126-136): Der Schriftsteller wird über sein aktuelles Werk - einen Serienkiller-Thriller - und seine frühen phantastischen Romane und Erzählungen befragt.

Stories

- Kim Newman: Das Schloss in der Wüste (Castle in the Desert), S. 22-43: Philip Marlowe ist zwar alt geworden, aber ein tüchtiger Privatschnüffler geblieben in einer von Vampiren regierten Welt, in der die Menschen nur die zweite Geige spielen. Der aktuelle Fall führt Marlowe in die Mojawe-Wüste Kaliforniens, wo ein besonders fieser Blutsauger ein junges Mädchen gefangen hält - Ein Kapitel aus Newmans grandioser „Anno Dracula“-Serie, die in den 1970er und 80er Jahren spielt und sogleich neugierig macht.

- Andreas Gruber: Im Auftrag des Kardinals, S. 44-53: Anfang des 18. Jahrhunderts schickt die katholische Kirche ein Exorzisten-Rollkommando nach Wien, wo sich mörderische Vampire breitgemacht haben. - Nach vielversprechendem und atmosphärisch intensivem Beginn versackt die Handlung in dilettantischer Peinlichkeit, als sie von notgeilen Vampirweibchen übernommen wird.

- Ralph Adams Cram: Schwester Maddelena (Sister Maddalena), S. 63-76: In einem ehemaligen Kloster an der sizilianischen Küste geht es um, bis ein unerschrockener Amerikaner sich ein Herz fasst und dem Gespenst folgt, das nichts als Erlösung ersehnt. - Eine Ausgrabung aus dem Jahre 1895, eher interessant als faszinierend, weil doch recht angestaubt und rührselig. Immerhin außerordentlich stimmungsvoll und jeden deutschen Beitrag dieses Magazins (s. u.) mit deprimierender Leichtigkeit übertreffend.

- Holger Kutschmann: Rosannas Blut, S. S. 77-87: Ein Vampir will Hochzeit machen, aber die Angebetete wurde entführt und muss befreit werden. - Kläglicher Versuch einer Gruselgeschichte im Untoten-Milieu; ein Erzählton, der offenbar ‚getragen‘ wirken soll, suggeriert eine Bedeutsamkeit, die von der wenig originellen und sprachlich trivialen Geschichte nicht erfüllt werden kann.

- Jeffrey Thomas: Zeit der Häutung (The Flaying Season), S: 96-107: Eine junge Frau hat sich medizinisch unerfreuliche Erinnerungen aus dem Hirn tilgen lassen, aber die Vergangenheit ist damit noch lange nicht tot, sondern beginnt sie heimzusuchen. - Eine ‚Erzählung‘, die mit einigen starken Stimmungsbildern aufwartet, aber ansonsten wie ein willkürlich herausgerissenes Kapitel aus einem Roman wirkt und die angebliche Faszination der hochgelobte „Punktown“-Saga nicht vermitteln kann.

- M. M. Smith: Der Mann, der Katzen zeichnete (The Man Who Drew Cats), S. 138-155: Ein genialer Künstler, der nicht ganz von dieser Welt ist, rächt Familiengewalt und Missbrauch mit Hilfe ganz besonderer Gemälde - Großartige, an Stephen King erinnernde, vom Plot nicht unbedingt originelle, aber intensive und dichte Gruselgeschichte aus der US-amerikanischen Provinz.

- William Hope Hodgson: Die Insel des Ud (The Island of the Ud), S. 156-171: Der Kapitän eines Handelsschiffes hat eine echte Schatzinsel entdeckt; dummerweise wird sie von allerlei Monster-Amazonen und namenlosen Schrecken bewacht. - Wunderbare, in Deutschland bisher unveröffentlichte Kurzgeschichte aus dem Nachlass des im Ersten Weltkrieg umgekommenen Hodgson; ein abenteuerliches Garn des Schriftstellers, der als Meister des ‚maritimen‘ Horrors gilt.

- H. D. Römer: Einige Nächte im langen Leben des J..., S. 173-192: Jesus Christus war ein Vampir und hat sich nach Golgatha weiter durch die Jahrtausende gekämpft, während ihm die Jäger aus Rom stets auf den Fährten blieben. - Die durchaus originelle Idee vom ewigen Krieg zwischen Mensch und Vampir wird halbherzig (und unter Darbietung einer peinlich lächerlichen Sexszene mit Jesus und der ebenfalls vampirischen Maria Magdalena, die nun ein Bordell in Los Angeles führt) zum überhasteten und pseudo-ironischen Finale geführt.

Start mit Schwierigkeiten

2003 war es wieder einmal soweit: Abseits der Fanzine-Szene unternahm ein wagemutiger Herausgeber den Versuch, ein Magazin auf den Markt zu bringen, das sich dem Horror bzw. der Phantastik in seinen und ihren vielen Spielarten widmen sollte. Die Mischung war klassisch: Kurzgeschichten älteren und jüngeren Datums wechselten sich ab mit Artikeln zur Geschichte des Genres, über Autoren und ihr Werk; hinzu kamen Rezensionen.

„Omen“ war und blieb ein Nischenprodukt für diejenigen, die hinter die Kulissen ‚ihres‘ Genres blicken wollten. Damit hatten die Leser freilich Schwierigkeiten, denn das lobenswerte Werk scheint im Detail recht überhastet realisiert worden zu sein; diese Kritik beschränkt sich nicht auf die zahlreichen Rechtschreib- und Tippfehler!

Die Stories lesen sich ausgesprochen unterhaltsam, solange sie nicht aus deutschen Landen stammen. Traurig ist die Erkenntnis, dass es hier zumindest kurz nach dem Millennium offenbar keine echten Phantastik-Talente gab; jedenfalls glänzen sie in diesem Magazin durch Abwesenheit. Stattdessen gibt’s Deutsch-Grusel auf Groschenheft-Niveau - plakativ, platt, linkisch.

Allzu offensichtlichen Eigennutz

Natürlich wird primär der Festa-Horror kommentiert. Kann das jedoch der Sinn eines „Horror-Journals“ sein? Das Interview mit Michael Smith oder der Lovecraft/Leiber-Artikel von Joshi hängen dagegen in der Luft; sie sind interessant für den Fachmann, nutzten aber 2003 dem deutschen ‚Durchschnittsfan‘ wenig, denn es dauerte, bis diese u. a. Autoren in Deutschland verlegt wurden.

Rezensionen werfen stets eine Frage auf: Wieso werden gerade diese Titel vorgestellt? Sie sollen offenbar auf den Nischen-Horror abseits der gepushten Bestseller-Grusler aufmerksam machen - recht so, aber was nützt das, wenn die herausgepickten Werke trotz Kritiker-Lobeshymen keineswegs überzeugen? Da auch hier die Festa-Autoren überwiegen, merkt man die Absicht und ist verstimmt.

Das „Journal“ ist bebildert; schwarzweiß insgesamt und gut, wenn es darum geht, Artikel zu illustrieren. Autorenporträts und Abbildungen von Buchausgaben oder Filmen, die wir hierzulande sonst wohl nie zu sehen bekämen, erfreuen das Leserauge. Das ist wichtig, da es sich verfinstert, sobald sich ‚Künstler‘ daran machen, den fiktiven Grusel durch Illustrationen zu verstärken. Es gelingt ihnen außerordentlich gut, wenn auch garantiert nicht so wie vorgesehen: Es schaudert einen ob dieser Mischung aus bedeutungsschwangerem Horrorsymbolismus der ungelenken Art und Kinderbuch-Kunsthandwerk. (s. Vorsatzblatt oder S. 182; wer für das jeweils verantwortlich ist, bleibt zugunsten der ‚Künstler“ rätselhaft, da sich die Bildnachweise auf Seite 3 nur bedingt mit den Werken in Verbindung bringen lassen.) Unter den Armlosen ist der Einhändige König, und das ist in diesem Fall Timo Kümmel, dessen Bilder zwar auch keinen hintergründigen Schrecken erzeugen, aber wenigstens professionell umgesetzt wurden; es ist kein Wunder, dass Kümmel sich inzwischen einen Namen machen konnte.

Cliffhanger der unerfreulichen Art

Einen dicken Minuspunkt verdankt „Das Omen“ der ärgerlichen (und peinlichen) Tatsache, dass fünf Seiten der Hodgson-Erzählung spurlos verschwunden sind - vom Seemonster gefressen? Die fehlenden Seiten wurden in Ausgabe 2 nachgereicht.

So blieb Festas erstes „Horror-Journal“ eine zwiespältige Angelegenheit - mehr Versprechen als die Erfüllung des Wunsches, endlich mit mehr als dem Mainstream-Horror abgefüttert sowie mit Hintergrund-Informationen versorgt zu werden.

Fazit:

Ein (weiterer) Versuch, in Deutschland ein professionelles Magazin zu etablieren, das Kurzgeschichten und Hintergrund-Informationen zum aktuellen Horror-Genre, zu seiner Geschichte und seinen Autoren präsentiert. Der Info-Part besticht durch sein solides sekundärliterarisches Fundament. Insgesamt ein Projekt, das trotz einiger Schwächen das Interesse möglichst vieler Käufer verdient. (Eine Hoffnung, die sich rasch zerschlug).

Omen - Das Horror-Journal Nr. 1

Frank Festa, Festa

Omen - Das Horror-Journal Nr. 1

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