Der Eden-Effekt

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
Der Eden-Effekt
Der Eden-Effekt
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Michael Scheck
50°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2012

Etikettenschwindel

"Meere treten über die Ufer. Stürme verwüsten Kontinente. Brände hüllen die Welt in Dunkelheit. Der Kollaps beginnt..."
Der Covertext weckt Erwartungen auf eine Endzeitvision, wie sie die Science-Fiction-Literatur seit ihrem Bestehen immer wieder hervorbringt. Doch hier handelt es sich um einen hanebüchenen Etikettenschwindel des Verlags - oder haben die Cover-Texter das Buch nicht gelesen?

Die Jagd nach dem Modell

Der Roman des Ehepaares Gear handelt einmal mehr - von Anthropologen. Michael Gear ist selbst einer; die letzten Romane, die er zusammen mit seiner Gattin geschrieben hat, handelten ebenfalls von der Anthropologie.

Anika French, eine junge Anthropologin hat ein statistisches Modell entwickelt, das den Zusammenbruch der Welt voraussagen kann. Zudem hat sie statistisch bewiesen, dass der Zeitpunkt des Zusammenbruchs bereits gekommen ist. Ihr Mentor, Professor Mark Schott, der Anikas Modell netterweise heimlich unter seinem Namen veröffentlicht hat, erhält ein lukratives Angebot, es zusammen mit weiteren Wissenschaftlern zu vervollkommnen. Schott merkt zu spät, dass er sich mit der Zusage in die Fänge und uneinnehmbare Festung Michail Kasperskis begeben hat, eines der mächtigsten Männer der Unterwelt. Und eine zweite Geheimorganisation ist ebenfalls hinter dem Modell her. Aber weshalb? Und in welchem Maße ist der CIA involviert?

Wo bitte geht's zum "Eden-Effekt?

Soweit, so spannend. Aber was hat das alles mit einem so genannten "Eden-Effekt" zu tun? Auch auf der letzten Seite wird dieses Geheimnis nicht gelüftet. Der Begriff wird im Buch kein einziges Mal erwähnt. Aber er klingt gut - zusammen mit dem eingangs erwähnten Buchrückentext. Und auch auf Fluten, Brände und das Ende der Welt wartet man bis zur letzten Seite vergebens. Es wird zwar ständig behauptet, das Ende sei nah, der "Punkt ohne Umkehr" sei überschritten, es werden politische, klimatische und gesellschaftliche Ereignisse heraufbeschworen, die "das Fass zum Überlaufen bringen könnten", doch es geschieht nichts dergleichen.

Um es ganz klar zu stellen: Hier wird nicht das Fehlen dieser Elemente kritisiert, sondern die Behauptung des Verlags, sie kämen im Buch vor. So wird der "Eden-Effekt" als Science-Fiction ausgegeben, doch diesem Genre lässt sich der Roman in Wahrheit nur bedingt zuordnen. Im Grunde handelt es sich um einen wissenschaftlich angehauchten Thriller, und um einen höchst mittelmäßigen dazu.

Mittelmäßige Agentengeschichte

Die Figuren sind schlichtweg lachhaft und scheinen einem schlechten Agentenfilm entsprungen zu sein. Die Frauen sind allesamt schön, sexy, verführerisch, kurvenreich und meist obendrein noch gefährlich... Das Buch liest sich wie eine Altherrenphantasie, und man fragt sich, ob Gears Gattin nicht gegengelesen hat - immerhin steht ihr Name auch darauf. Vielleicht hat sie aus Gründen der Verkaufsförderlichkeit ein Auge zugedrückt. Die Männer sind alle muskulös und durchtrainiert; die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen sind schlaksig, haben spitze Nasen, unordentliche Frisuren, schlampige Klamotten - also bitte! Väter der Klamotte war gestern!

Die Handlung hingegen liest sich flüssig und, wenn man über das Abziehbilder-Personal hinwegsehen kann, spannend. Aber da taucht schon das nächste Ärgernis auf: Die ständigen Untergangs-Prognosen und die realistisch gezeichneten Endzeit-Szenarien. Sie lauten etwa: "Wenn in Indonesien die Stromversorgung zusammenbricht...." Und dann wird der Domino-Effekt beschrieben, den ein solches Ereignis in unserer vernetzten Welt auslösen könnte; der Endeffekt wäre der totale Zusammenbruch. Diese Szenarien beruhen im Roman auf Statistiken, allerdings werden sie nirgends untermauert. Das ergibt einen Angst-Effekt, mit dem die Leserschaft allein gelassen wird. Die Annahmen klingen zwar plausibel, aber wie die Autoren zu diesen Behauptungen kommen und worauf sie beruhen, bleibt diffus und wird nirgends offen gelegt. Dabei wäre es durchaus interessant gewesen, die Gefahren der globalen Vernetzung ernsthaft zu thematisieren, statt sie oberflächlich nur am Rand zu erwähnen - als Vorwand für eine oberflächliche Action-Kiste.

(Michael Scheck, Februar 2012)

Der Eden-Effekt

W. Michael Gear, Bastei-Lübbe

Der Eden-Effekt

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