Dark Canopy

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  • Erschienen: Januar 2012
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Dark Canopy
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Julia Tambor
83°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2012

Mit dem Herzen und dem Verstand und allem, was wir sagen und tun

"Ich weiß nicht, womit die Menschen im Dritten Weltkrieg kämpfen, aber im Vierten werden es Keulen und Steine sein." Dieses Zitat Albert Einsteins ist dem Roman vorangestellt und umschreibt die Atmosphäre des Buches schon einmal ganz treffend, wenn auch die Kriegsparteien nicht ausschließlich Menschen sind und ihre Waffen eindeutig moderner als Keulen und Steine. "Dark Canopy" ist nicht der erste Roman der Autorin, die bisher paranormale Romanzen schrieb, aber ihr erster Ausflug in eine düstere Zukunft. Der zweite Teil der Dystopie soll im März 2013 erscheinen.

Mensch vs. Killermaschine

In der Intro wird uns Joy vorgestellt, zu diesem Zeitpunkt noch eine Sechzehnjährige, die im Wald versteckt einen Percent beobachtet und hofft, er würde sie nicht entdecken. Percents sind ausschließlich männliche, von Menschen für den Krieg geschaffene und genetisch veränderte Wesen. Der Umsturz, in dem die Percents die Herrschaft an sich rissen und seitdem die Menschen unterjochen, liegt schon Jahrzehnte zurück. Joy gehört zu einem der Rebellenclans, die nicht in den von den Percents dominierten Städten leben, sondern sich außerhalb ihres Einflussbereichs in vom Krieg halb zerstörten Gebäuden verstecken. Sie führen ein gefährliches, entbehrungsreiches Leben, das mehr ein täglicher Kampf ums Überleben ist als ein aktiver Guerillakrieg gegen die verhassten Percents. Joy, das Messermädchen, die jedes Karnickel im Lauf erwischt, bringt es nicht fertig, den Percent in einem günstigen Augenblick zu töten. Aus unerfindlichen Gründen lässt auch er sie laufen.

Anfangs scheinen die Fronten klar - hier die mutigen Rebellen, da die übermächtigen, körperlich überlegenen und brutalen Percents. Doch Joy wird dreieinhalb Jahre nach der verstörenden Begegnung im Wald bei einer Befreiungsaktion von den Percents gefangen genommen und Neél, einem jungen Percent, für die Ausbildung zur Soldatin übergeben. Die Percents veranstalten alljährlich eine Menschenhatz, das Chivvy der Rekruten, deren späterer Rang von der Leistung ihres Auszubildenden abhängt. Das Training ist hart und schonungslos, beide schenken sich nichts. Der abgrundtiefe Hass und die Verachtung auf beiden Seiten wird eindringlich beschrieben. Mehr als einmal kommt es zu äußerst brutalen Szenen. Doch Joy setzt sich zur Wehr und lässt sich trotz der unfairen Konditionen nicht unterkriegen. Die ständige Konfrontation der beiden kratzt zunächst an der Oberfläche der beidseitigen Vorurteile, und insbesondere Joys Weltbild kommt sehr ins Wanken.

Authentisch und unterschwellig emotional

Die Erzählweise der Autorin ist geradlinig und klar. Die Atmosphäre ist dabei äußerst beklemmend, düster und spannungsgeladen. Die Autorin führt den Leser stellenweise in die Irre, indem sie Joy, aus deren Sicht die Handlung größtenteils beschrieben wird, falsche Schlüsse ziehen lässt und diese Irrtümer erst später aufgeklärt werden.

Die Handlung vollzieht sich im Wesentlichen zwischen Neél und Joy, aber auch die Nebencharaktere und -plots sind gut herausgearbeitet. Der Roman ist trotz leichter Lesbarkeit weder verkitscht noch seicht und lässt an einigen Stellen den Leser innehalten und darüber grübeln, wie man selbst damit umgehen würde, wenn man in seiner Gesellschaft Missstände erkennt, die von den verhärteten Fronten festzementiert scheinen. Wie überwindet man den gegenseitigen Hass und das Misstrauen, die Schuldzuweisungen, die auf beiden Seiten völlig berechtigt sind? Und bis zu welchem Punkt setzt man sich für den anderen ein, auch um den Preis, sich selbst zu schaden?

Die langsame Veränderung der Sichtweise Joys wird wunderbar überzeugend beschrieben. Sie hat sehr mit sich zu kämpfen, begreift sie dies doch als Verrat an ihrem Clan und der gemeinsamen Sache. Mit dem Aufweichen der Fronten muss Joy erkennen, dass auch der Gegner ein Individuum ist, einen Namen hat und Mitgefühl ebenso wie jede andere menschliche Gefühlsregung empfindet. Gut beschrieben ist auch, wie bereits die Kinder in derartigen Konflikten dogmatisiert werden. Im Hinblick auf grausame Kinderlieder nehmen sich beide Seiten nichts.

Angenehm aufgefallen ist auch, wie abgeklärt und pragmatisch Joy beschrieben wird. Sie ist keine naive und schüchterne Schönheit ohne amouröse Erfahrungen, die sich wie sonst so häufig Knall auf Fall aufgrund einer mysteriösen Anziehung in den Helden verliebt. Neél ist, sobald die Fassade fällt, ein sehr liebenswerter Charakter. Allerdings fehlt nach der Erkenntnis, dass er ein Menschenfreund ist und sich auch schon vor der Begegnung mit Joy für sie eingesetzt hat, eine Erklärung für sein anfängliches brutales Verhalten. Allein der Frust darüber, dass er ausgerechnet ein Mädchen als Soldat zugeteilt bekommen hat und so seine Chancen für das Chivvy schlecht stehen, dürfte dafür nicht ausreichen. Hier hätte ich mir zum Teil Szenen aus seiner Sicht gewünscht, die seine Beweggründe klarer werden lassen.

Dark Canopy

Weiterer Kritikpunkt ist der nicht bis zu Ende gedachte Weltenaufbau. Oder ist es zu kleinlich, wenn man sich fragt, warum die Menschen eine Killermaschine erschufen, die in allem perfekt für den Einsatz ist, bis auf die Kleinigkeit, dass die Percents kein Sonnenlicht vertragen und damit kaum für einen Krieg tauglich wären? Wie realistisch ist eine Verdunkelung der Erdatmosphäre durch Staub mit Hilfe von Dark Canopy genannten Maschinen, wenn Sonnenlicht für die Photosynthese, also für die Lebensgrundlagen auf der Erde, notwendig ist?

Aufgrund der sonst sehr schlüssigen und zum Nachdenken anregenden Handlung ist es jedoch nicht schwer, darüber hinwegzusehen und einfach die Geschichte zu genießen. Spannende Fragen bleiben nach der Lektüre für den zweiten Band auf jeden Fall offen. Oh, und seid gewarnt vor dem miesesten Cliffhanger ever.

(Julia Tambor, September 2012)

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Jennifer Benkau, -

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