Feed. Viruszone

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  • Erschienen: Januar 2012
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Feed. Viruszone
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Eva Bergschneider
72°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2012

Mehr als Popcorn-Lesefutter

Im Jahre 2034 hat sich die Welt gravierend verändert. 2014 feierte man die Entwicklung zweier therapeutischer Viren zur Überwindung von Krebs und Schnupfen. Doch diese vereinigten sich zum Kellis Amberlee-Virus, der Tote zu neuem Leben erweckt, zu Zombies macht. Ihre Masse und eine Winzigkeit Restintelligenz lassen sie ganze Landstriche erobern. Die überlebenden Menschen leben in abgeschotteten und mehr oder weniger gesicherten Distrikten. Jeder Aufenthalt im Freien bedeutet ein Risiko, jedes Betreten eines Gebäudes erfordert einen Bluttest. Angst ist das alles beherrschende Gefühl, sie lähmt das freie Denken, ein unabhängiger Informationsaustausch findet nicht mehr statt. Georgia und Shaun Mason haben nie etwas anderes gekannt als ein Leben unter Zombies oder im Internet, Blogger wie sie verkünden rasend schnell die ungeschminkte Wahrheit.

Die Vorwahlen zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner stehen an und Peter Ryman nimmt Georgia und Shaun Mason sowie ihre Technikerin und Lyrikerin im Team Buffy in sein Team von Berichterstattern auf. Ihr Blog "Nach dem jüngsten Tag" will schonungslos über politische Skandale berichten, findet jedoch zunächst keinen Anlass dafür. Senator Ryman gibt sich offen, liberal und bürgernah. Bis es zu unerklärlichen Virusausbrüchen und Zombieattacken kommt.

Bekannt und doch irgendwie anders

Das Buch "Feed" von der amerikanischen Autorin Mira Grant polarisiert. Schaut man sich die Leserkommentare dazu an, fallen diese entweder begeistert oder vernichtend aus, eine mittelmäßige Bewertung findet man nicht. Diese Rezension wird eher zu ersteren gehören, auch wenn die °-Bewertung nicht so hoch ausfällt, denn einige Schwächen sind leider nicht zu übersehen.

Die Story ist nicht neu, schon in "I am Legend" von Richard Matheson wurden die Menschen von Viren zu degenerierten Zombies verwandelt, nur dass es sich in dessen Erscheinungsjahr 1954 noch um Bazillen und Vampire handelte. Ähnlich wie in dem SF-Klassiker geht es in "Feed" nicht in erster Linie um diese Zombies. Sie prägen zwar den Ausnahmezustand, weil sie es ständig darauf abgesehen haben, Menschenfleisch zu essen, die Ansteckung in kürzester Zeit erfolgt, unumkehrbar ist und es immer wieder zu massenhaften Ausbrüchen kommt. Im Mittelpunkt steht hier, wohin sich die Gesellschaft unter diesen Umständen entwickelt, und genau darin liegen auch die Stärken dieses Romans.

Wir begleiten das Geschwisterpaar Georgia und Shaun und ihre Mitstreiterin Buffy Meissoniere, die als Blogger einen gefährlichen Job ausüben. Statt sich wie die meisten Menschen in den Häusern zu verkriechen, gehen sie hinaus, um die Zombies aufzuspüren, um sie zu provozieren, um die Wahrheit über sie herauszufinden und der Welt mitzuteilen. Denn die konventionellen Medien unterliegen längst der staatlichen Zensur und halten die Menschen mit Verharmlosungen der Situation hin.

Das Buch vermittelt Zeitgeist

Diese Situation, in der die Blogger den unabhängigen Teil der journalistischen Berichterstattung aufrecht erhalten, hat Grant 22 Jahre in die Zukunft verlegt, doch sie ist bereits jetzt Realität. Die Geschwindigkeit des weltweiten Datennetzes machte es möglich, das aus dem Iran 2009 Blogger von der grünen Revolution berichtetet haben. Und in diesen Tagen erfahren wir das wahre Ausmaß des Bürgerkriegs in Syrien ebenfalls von Bloggern. So unbegreiflich Georgias und Shauns Aktionen auch erscheinen mögen, die syrischen Blogger setzen sich vielleicht einer genau so großen Gefahr aus, nur um die Wahrheit zu berichten. Die Blogger sind also die Meinungsmacher und werden zu gefeierten Helden. Eine Vorstellung, die für eine restriktive und kontrollierte Gesellschaft nicht so abwegig ist.

Die Charakterzeichnung der beiden Hauptfiguren wirkt arg heroisch. Die Autorin hat die Geschwister extrem eng aneinander gebunden und kaum voneinander abgegrenzt, so dass wenig eigenständige Entwicklung möglich war. Aber sie sind vorzügliche Identifikationsfiguren und Sympathieträger. Die Technikerin und Dichterin Buffy kommt dagegen exzentrischer daher und entwickelt mehr eigenes Profil.

Diese Drei werden nun dem Stab der Berichterstatter des fortschrittlichen, wenn auch republikanischen Präsidentschaftskandidaten Peter Ryman hinzugefügt (einen derart liberalen und toleranten Kandidaten kann man sich bei den Republikanern kaum vorstellen, besonders wenn man sich die tatsächlich derzeit gegeneinander streitenden Romney und Santorum ansieht). Der smarte Präsidentschaftskandidat wurde schwach gezeichnet. Ohne Fehl und Tadel schickt er sich an, die Herzen seiner Wähler im Sturm zu erobern. Besonders negativ und als Logikbruch fällt Rymans unbedarft passives Verhalten nach dem Anschlag auf seine Farm auf. Was muss denn passieren, damit er selbst tätig wird und erkennt, das jemand ein oberfaules Spiel spielt?

Es kommt also zu Virenausbrüchen infolge von Sabotage und eines gezielten Terroranschlags. Der politische Skandal hat seine Wurzeln in einem Übel, das uns ebenfalls bereits heute bekannt ist. Nämlich eine tiefsitzende gesellschaftliche Angst, die als perfekter Nährboden für religiösen Fundamentalismus und politische Hetze dient.

Bleibt noch hinzuzufügen, dass "Feed" zwar nicht so aktionsgeladen ist, wie man das vielleicht aus anderen Romanen mit ähnlichem Setup kennt, aber trotzdem auf keiner Seite langweilig. Eine künstlerische Vielfalt zeigt sich auch im Schreibstil der Autorin, mal dokumentarisch erklärend, mal emotionsgeladen in den Blogeinträgen, spritzig in den Dialogen.

Obwohl der Roman einige inhaltlicher Schwächen aufweist und sich eines Themas bemächtigt hat, das nicht gerade originell erscheint, ist "Feed" absolut lesenswert. Denn Mira Grants Buch bietet uns einen komplexe Sicht auf eine Zukunft, in der die Menschheit in Angst lebt. Das macht "Feed" tatsächlich besonders und auf seine verquere Art tiefgründig.

(Eva Bergschneider, März 2012)

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