Coraline. Gefangen hinter dem Spiegel

  • Arena
  • Erschienen: Januar 2003
  • 7
Coraline. Gefangen hinter dem Spiegel
Coraline. Gefangen hinter dem Spiegel
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Verena Wolf
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJun 2006

Sinistres Horror-Märchen über wahren Mut

Coraline zieht mit ihren Eltern in eine neue Wohnung. Es sind Ferien, Coralines Eltern müssen viel arbeiten und Coraline ist langweilig. So geht sie auf Entdeckungsreise in Haus und Garten. In einer anderen Wohnung leben zwei schrullige alte Damen, die früher beim Theater waren und jetzt Tee trinkend alten Zeiten nachhängen und unterm Dach ein alter Herr, der behauptet ein Mäuse-Ballett einzuüben. Aber richtig spannend sind diese Nachbarn nicht für das Mädchen, sie hören nicht einmal richtig zu und nennen sie dauernd falsch „Caroline." Coraline wünschte, die ganze Welt wäre aufregender, ihre Eltern hätten mehr Zeit für sie und mit der schwarzen Katze, die im Garten herum schleicht, könne man mehr anfangen. Dann entdeckt das Mädchen auf einem neuen gelangweilten Streifzug in der guten Stube etwas Aufregendes: eine verschlossene Tür, hinter der sich eine Backsteinmauer befindet. Lapidarer ist die Erklärung ihrer Mutter. Die ursprünglichen großen Wohnungen sind in mehrere kleinere umgebaut worden. Diese Tür hätte die zwei Teile der ursprünglichen Wohnung, in deren einer Hälfte sie jetzt wohnen, verbunden.

Nachts jedoch hört Coraline etwas und als sie dem Geräusch bis in die dunkle gute Stube folgt, steht die Tür offen und dahinter ist keine Mauer, sondern ein Gang. Neugierig geht das Mädchen hinein und kommt in eine seltsame gespiegelte Welt. Auch dort leben „Eltern" von ihr, die „andere Mutter" und der „andere Vater", die immer für sie Zeit haben. Die schwarze Katze kann dort sprechen, es gibt nur Pommes und leckere Sachen zu essen, in ihrem Kleiderschrank hängen statt doofen Klamotten spannende Verkleidungen und die Spielsachen haben ein Eigenleben. Toll! Aber es ist nicht alles Gold was glänzt. Denn die „andere Mutter" will Coraline vollständig besitzen, und die skurrile Parallelwelt wird mehr und mehr zum Gefängnis. Coraline erkennt, dass ihre normale Welt mit Höhen und Tiefen besser ist als diese verzerrte Version ihres Lebens. Aber da hat „die andere Mutter" schon ihre blutroten langen Fingernägel ausgestreckt und ihre echten Eltern gestohlen. Coraline muss sich ihren Ängsten stellen und in dem verstörenden Haus die Seelen ebenfalls verschleppter Kinder und ihre Eltern finden und befreien.

Einfache Sprache - gruselige Wirkung

Die Art, wie Neil Gaiman dieses Kinderbuch erzählt, ist schlicht und schnörkellos. Man muss sich an die vielen kurzen Hauptsätze gewöhnen und nach 175 groß geschriebenen Seiten ist schon alles vorbei. Aber die haben es in sich. Denn gerade durch die scheinbare Einfachheit ist die düstere Atmosphäre, in der Coraline klug die Nerven behält, dicht und einprägsam. Neil Gaiman hat sich einiges an Kritik eingefangen, dass „Coraline - Gefangen hinter dem Spiegel" zu unheimlich für Leser ab 11 sei. Das bemängeln aber vor allem Erwachsene. Denn das Buch spielt mit Urängsten, die auch diese berühren: hier geht es um Verlust, Einsamkeit, Fassaden und die Wahrheit dahinter. Es ist ein wenig so, als ob man sich lächelnd daran erinnert, wie man als Kind Angst vor Monstern unterm Bett gehabt hat, schaut jetzt als Erwachsener selbstsicher nach und plötzlich ist da wirklich was! So funktioniert dieses Buch.

Gaiman webt ein Gespinst aus delikatem Horror, das wie alte Schauermärchen nicht zimperlich ist. Zu entdecken gibt es düstere Keller, vergessene Gespensterseelen und schaurige Wesen, die statt Bonbons Kakerlaken kauen. Und eine klaustrophobische Welt, die nur aus diesem Parallelhaus im Nebel besteht, in der ein kleines Mädchen nicht weglaufen kann und aus klugen einfachen Weisheiten wie: „Es ist erstaunlich, wie viel von dem, was wir sind, von den Betten abhängt, in denen wir morgens aufwachen, und es ist erstaunlich, wie zerbrechlich das sein kann."

Es verwundert nicht, dass diese wörtlich merkwürdige Kindergeschichte über „Coraline" als Hörbuch vertont wurde und es „zum Film" geschafft hat.

Coraline. Gefangen hinter dem Spiegel

Neil Gaiman, Arena

Coraline. Gefangen hinter dem Spiegel

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