Brut des Teufels

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
Brut des Teufels
Brut des Teufels
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Michael Drewniok
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2012

Es bleibt dämonisch (&) in der Familie

Geschasster Angehöriger einer Elite-Einsatztruppe der Polizei, dann erfolgloser Privatdetektiv in London, einst vom Vater an die Hölle verkauft und auf der Abschussliste mindestens einer nachtragenden Dämonin: Jack Nightingale ist kein Glückskind, und seine Pechsträhne setzt sich ungebrochen fort. Vater Ainsley Gosling hatte - dieses Mal im Tausch gegen die Macht über Frauen - auch die Seele seiner Tochter Robyn verkauft. Die ist inzwischen 31 Jahre alt und ahnt nicht, dass sie in zwei Jahren der Dämon Frimost holen wird.

Jack fühlt brüderliche Gefühle in sich aufsteigen. Er konnte Proserpina, jener Dämonin, der seine Seele versprochen war, in letzter Sekunde von der Schippe springen, und weiß daher, was Robyn erwartet. Doch wo ist die Schwester geblieben? Gosling hat nur spärliche Hinweise hinterlassen. Jack soll sich an den "Orden der neun Ecken" wenden, deren Mitglieder allerdings dem Teufel Menschenopfer darbringen und schon deshalb für neugierige Außenseiter wenig übrig haben.

So muss sich Jack notgedrungen an Proserpina wenden, die hocherfreut die Möglichkeit nutzt, einen neuen Deal einzufädeln; weil ihr Jack entkam, hat ihr Ruf in Höllenkreisen gelitten. Zwar beantwortet Proserpina Jacks Fragen, doch für jede Antwort wird sie ihm einen Killer hinterherschicken. Drei sind es insgesamt, die sich umgehend auf seine Fährte setzen.

Jack ist gefährlich abgelenkt, denn als er seine Schwester endlich findet, sitzt Robyn Reynolds in einem Sanatorium für geisteskranke Schwerverbrecher: Sie ist eine Serienmörderin, die sich auf Kinder spezialisiert hatte, bevor man sie endlich fassen konnte. Allerdings kommen Jack bald Zweifel an der Schuld der Schwester. Offenbar hat man sie geistig manipuliert, um sie der Polizei als Sündengeiß präsentieren zu können. Die Spur führt ausgerechnet zum "Orden der neun Ecken" ...

Neuer Dämon, altes Spiel

Der in Serie gedrechselte Unterhaltungs-Erfolg basiert auf dem Spiel mit bewährten Elementen, die nur sparsam verändert und höchstens ansatzweise weiterentwickelt werden. Nachdem er für den Auftaktband recherchiert hat, möchte der ökonomisch arbeitende (und in dieser Branche nie üppig entlohnte) Autor den weiteren Aufwand und das Risiko möglichst gering halten. Warum sich mehr Mühe als nötig machen, zumal dies womöglich nicht einmal gewürdigt wird, sondern ein Publikum verschreckt, das seinen Lektüre-Spaß am liebsten mit hohen Wiedererkennungswerten goutiert?

Stephen Leather ist ein fleißiger Schreiber. 2013 setzt er die Jack-Nightingale-Serie sogar mit zwei Bänden fort. Viele hundert Seiten wollen mit Inhalt gefüllt werden. Warum nicht auf Nummer Sicher gehen und die Geschehnisse des ersten Bandes noch einmal erzählen? Damals rang Jack Nightingale mit der Dämonenfrau Proserpina um seine Seele. Jetzt wiederholt sich dies, wenn Nightingale mit dem Dämon Frimost um die Seele seiner Schwester streitet.

Die Parallelen sind mehr als offensichtlich. Sie reichen bis ins Detail. In Teil 1 fuhren ständig böse Geister in die Hirne von Jacks Mitmenschen, um ihn über den baldigen Ablauf seines Lebens zu informieren. Da dies für die erwünschten Irritationen sorgte, bleiben sie dabei. Nur die Botschaft wird aktualisiert: Nun lassen besagte Geister Jack wissen, dass seine Schwester an der Reihe ist.

Alter Dämon, neues Spiel

Weil es schon einmal geklappt hat, beschwört Jack abermals die finstere Proserpina herauf. Für den Fall, dass wir vergessen haben, wie man so etwas macht, wiederholt Leather gern die Beschreibung der erforderlichen Prozeduren. Auch sonst sorgt er dafür, dass wir uns stets in der Geschichte zurechtfinden. So spielen viele Szenen erneut im satanisch verseuchten Keller von Gosling Manor, jenem Landsitz in der Grafschaft Surrey, der Jack von seinem Rabenvater vererbt wurde. (Wundert es uns, dass der alte Gosling Jack ein zweites Bekenner-Video zukommen lässt? Die Frage ist wohl eher, wie viele solcher Scheiben noch auf ihren zukünftigen Einsatz warten.)

Jack raucht und trinkt zu viel und wird dafür von seiner Assistentin Jenny (jung, schön, klug, reich) vorwurfs- aber liebevoll gerügt. Jack wird von den ehemaligen Polizei-Kollegen wahlweise gehasst oder heimlich verehrt, weil er (angeblich) einen Sittenstrolch umgebracht hat. Jack ermittelt in okkultistischen Kreisen, was Dämonen und Satanisten dazu bringt, etwaige Zeugen blutige Morde und Selbstmorde begehen zu lassen. Ständiger Hauptverdächtiger: Jack, der daraufhin ein weiteres Mal von seinem Intimfeind Superintendent Chalmers geschurigelt wird und diesen mit pampigen Antworten ärgert.

Für ein wenig frischen Handlungswind soll jenes teuflische Frage-und-Antwort-Spiel sorgen, das Jack gleich drei irre Mörder an die Kehle bringt. Allerdings dient dies deutlich auch dem Zweck, dieses Buch auf Länge zu bringen: Wenn gerade Zeit ist und kein Teufelsknecht beschattet wird, springt ersatzweise einer dieser Killer aus dem Off, ohne Jack ernsthaft in Lebensgefahr zu bringen. (Was Leather aber selbst anspricht sowie im Finale für einen gelungenen Gag nutzt.)

Das Rezept stimmt

Wer sich angesichts der bisher hier niedergeschriebenen Äußerungen über die recht positive Bewertung von "Brut des Teufels" wundert, hat den diese Rezension einleitenden Satz einseitig und damit falsch interpretiert: Die Schablonisierung des Abenteuers bedingt keineswegs automatisch schlechte Unterhaltung. An ausschließlich der Unterhaltung dienende Romane und Reihen wie diese müssen andere Maßstäbe angelegt werden. Sie ranken sich um die Frage, ob es dem Verfasser gelungen ist, bekannte aber bewährte Genre-Elemente so zu mischen und aufzubereiten, dass daraus weitab literarischer Weihen ein angenehmer Zeitvertreib entstanden ist.

In diesem Punkt darf man Leather gratulieren. Was in "Höllennacht" noch arg holperte, kommt in "Brut des Teufels" reibungsarm über die Runden. Falls die angenehm lesbare Übersetzung den O-Ton adäquat einfängt, ist Leather ein Routinier, der die handwerkliche Seite seines Jobs versteht. Die Geschichte trägt den Leser schwungvoll über beinahe 500 Seiten. Verschnaufpausen werden weder gewährt noch gewünscht.

Die Figuren sind reihentauglich, d. h. mit wenigen Strichen gerade so sehr profiliert, dass sie im Gedächtnis haften sowie geliebt oder gehasst werden können. Einige Ecken und Kanten unterstützen geschickt die Illusion von Persönlichkeiten. Wie es sich gehört, ist das Finale gleichzeitig Vorbereitung der Fortsetzung. Wiederum bringt Leather auch diese Hürde sicher hinter sich und bestätigt dieses Gesamturteil: Ungeachtet des Ideen-Recyclings bietet "Brut des Teufels" jene leichte Lektüre, die sich ein hirnmüder Leser eben auch manchmal wünscht, ohne dafür mit Dumm-Dumm-Mystery bestraft zu werden.

(Dr. Michael Drewniok, Januar 2013)

Brut des Teufels

Stephen Leather, Blanvalet

Brut des Teufels

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