Flüsternder Sand

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
Flüsternder Sand
Flüsternder Sand
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Anja Helmers
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonSep 2012

Ein spannender Selbstfindungsprozess

In Kardiastan, einer wertlosen Wüstengegend, die schon vor zwanzig Jahren dem Tyranischen Imperium in einem blutigen Eroberungsfeldzug einverleibt wurde, gären die Gerüchte über einen charismatischen Rebellenführer. Ligea kennt ihre ursprüngliche Heimat Kardiastan nicht, denn sie wurde schon im Kleinkindalter von General Gayed adoptiert und ist in Tyr aufgewachsen. Inzwischen ist ihr Adoptivvater verstorben und Ligea, seine einzige Erbin, hat Karriere gemacht als Mitglied der Bruderschaft. Diese Organisation ist ein Netzwerk aus Spionen, die für Sicherheit im ganzen Tyranischen Imperium sorgen. Als der Exaltarch Bator Korbus sie beauftragt, nach Kardiastan zu reisen, um diesen Rebellenführer ausfindig zu machen und auszulöschen, widmet sie sich der Aufgabe mit großer Loyalität. Je länger sie sich aber in Kardiastan aufhält und je mehr sie versucht, der wahren Quelle der Gerüchte auf den Grund zu gehen - der Illu Sionist genannte Mann hat angeblich seine Verbrennung auf dem Scheiterhaufen überlebt - umso mehr beginnt ihr Weltbild zu wanken und sie erkennt, dass sie in vieler Hinsicht getäuscht wurde.

Flüsternder Sand ist der erste Teil der Bund der Illusionisten-Trilogie, deren weitere Bände für Februar und Juli 2013 angekündigt sind. Glenda Larke, eine australische Autorin, erzählt in der Danksagung, dass sie angeregt wurde zu ihrer Geschichte von Ligea durch das Drama der verlorenen Generation in Australien, als Mischlingskinder ihren Familien entrissen wurden und durch die Tragödie der gestohlenen Babys während der argentinischen Militärdiktatur. Das sei ihre Art, all diesen betrogenen und ermordeten Müttern und Kindern ihr Bedauern auszudrücken. Erschaffen hat sie einen spannenden und interessanten Fantasyroman, der nachwirkt, weil er sich auf unterhaltsame Art mit einem ernsten Thema wie Kulturimperialismus beschäftigt, und gleichzeitig dazu anregt, darüber nachzudenken, was die eigene Identität ausmacht und wie wichtig kulturelle Wurzeln sind.

Zurück zu den Wurzeln

 

"Wenn ein Imperator hinter deinem Rücken über dich lacht, dann weißt du, dass du in Schwierigkeiten steckst."

 

So beginnt der Roman, als Ligea nervös im Vorzimmer des Exaltachen Bator Korbus auf- und abwandert, nicht ahnend, was der Herrscher des Tyranischen Imperiums von ihr will. Selbst als sie ihre ungewöhnliche Gabe nutzt - sie kann die Gefühle von Menschen telepathisch wahrnehmen - ist sie keinen Deut schlauer als zuvor. Warum steckt der Exaltarch so voller Häme, warum soll ausgerechnet sie die Angelegenheit regeln, fragt sie sich. In ihren Augen ist Kardiastan ein wirtschaftlich unbedeutendes Wüstenland mit ein paar läppischen Rebellen, aber kein vernünftiger Grund, um so beißend zu reagieren wie es der Exaltarch getan hatte. Erst von ihrem Vorgesetzten und Mentor Rathrox erhält sie nähere Informationen und erfährt, dass bisher alle Spione der Bruderschaft in dem öden Wüstenland gescheitert sind. Verbittert, weil sie Tyrans nicht gerne verlassen will, und sie sich abgeschoben fühlt, beginnt sie ihre Reise mit der festen Absicht, ihren Auftrag erfolgreich und loyal auszuführen, um so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren zu können. Aber als sie im Land ihrer leiblichen Eltern ankommt, muss sie Abschied nehmen von lang gehegten Vorstellungen und vertraute Beziehungsgefüge wie das zu ihrer Amme Aemid und ihrem langjährigen Sklaven Brand bekommen Risse.

Ligeas Reise zu sich selbst beginnt und ihr Leben erfährt eine aberwitzige Wendung, als sie mit ihren Wurzeln in Berührung kommt.

Trugbilder

Die Bezeichnung der Magier als Illusionisten und den daraus folgenden deutschen Titel ´Der Bund der Illusionisten´ empfinde ich als gewöhnungsbedürftig, aber er passt gut zum Inhalt. Im Original heißt der erste Band: The Heart of the Mirage. Mirage übersetzt ist eine Fata Morgana, ein Trugbild, eine Illusion. Eine Illusion ist eine beschönigende, dem Wunschdenken entsprechende Selbsttäuschung oder eine falsche Deutung von tatsächlichen Sinneswahrnehmungen. Der Begriff trifft erstens das interessante Magiesystem der Kardiastaner ziemlich gut, zweitens kennzeichnet er das bisherige Leben Ligeas auf den Punkt genau.

Die furcht- und skrupellose Spionin der Bruderschaft, die machtverliebte, arrogante Ränkeschmiedin, die kultivierte Angehörige der Tyranischen Oberschicht, die loyale Dienerin des Systems, wird mit der Erkenntnis konfrontiert, dass ihr ganzes Leben in Tyr eine Illusion war, eine einzige Geschichte aus Täuschungen und Verrat. Sie war zwar immer in gewisser Weise eine Außenseiterin mit ihrem Bildungsweg und als einzige Frau in einer Männerwelt wie der Bruderschaft, aber sie war zufrieden mit ihrer privilegierten Stellung. Eine selbstbewusste Frau, die auch in sexueller Hinsicht bekam, was sie wollte. Manchmal möchte man sie schütteln, weil sie so beharrlich an ihren Vorurteilen festhält und krampfhaft versucht, alles in ihr Weltbild passend zu biegen oder sich alles schönredet. Der Leser erlebt Ligeas mühevollen Selbstfindungsprozess, ihre anfänglich sture Weigerung, die Folgerungen, die auf der Hand liegen, zu ziehen, ganz nah, denn die Geschichte wird aus ihrer Sicht in Ich-Form erzählt. Durch ihr überhebliches Auftreten fällt es im ersten Drittel des Buches schwer, Sympathie für die Hauptprotagonistin zu entwickeln, aber man sollte sich darauf einlassen, die Figur und ihr späterer Reifeprozess wirken dadurch umso echter.

Fazit

Ein interessanter Roman mit vielen klassischen Fantasyelementen wie Magie und schwertschwingenden Kriegern, eine römisch angehauchte Welt, eine starke, selbstbewusste Heldin und lebendige, gut ausgearbeitete Nebendarsteller. Eine zutiefst menschliche Geschichte, die nicht dem Irrtum erliegt, dass jemand seine Sozialisation so einfach abstreifen kann. Die Handlung ist geschickt aufgebaut, es lohnt sich, die ersten Szenen nach der Lektüre des Buches erneut zu lesen, um sie aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

(Anja Helmers, Dezember 2012)

Flüsternder Sand

Glenda Larke, Blanvalet

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