Die Zwölf

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2013
  • 8
Die Zwölf
Die Zwölf
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Almut Oetjen
80°1001

Phantastik-Couch Rezension vonDez 2012

Virals als überfordertes Konsumentennetzwerk

"Die Zwölf" knüpft nicht unmittelbar an den Schluss des ersten Bandes der Übergangs-Trilogie an und hat auch nicht die Jagd nach den ursprünglichen Virals zum Thema. Im Wesentlichen werden die Ereignisse der Jahre Null, 79 n.V. (nach Virusbefall) und 97 n.V. erzählt und neue Charaktere eingeführt.

Zu den Figuren, entlang deren Geschichte der Krieg zwischen den Menschen und Virals erzählt wird, gehören der Veteran Bernard Kittridge, der im Jahr Null als "Last Stand in Denver" zur Legende wird, der pädophile Lawrence Grey, der als Reinigungskraft im Projekt NOAH arbeitet, als die Zwölf geschaffen werden, Horace Guilder, der stellvertretende Direktor der Special Weapons Division, und die geisteskranke Ärztin Lila Kyle, Brad Wolgasts geschiedene Frau. Am Ende der Vorgeschichte sind die meisten Menschen tot.

Im Jahr 79 n.V. wird eine Gemeinschaft von Überlebenden vorgestellt, die eine unheimliche Begegnung mit einer schwarz gewandeten Frau und einer Gruppe Virals haben. Die meisten Menschen werden getötet, wenige mitgenommen.

Es erfolgt ein Zeitsprung in das Jahr 97 n.V., die Geschichten der Überlebenden aus dem ersten Band werden wieder aufgenommen und neue Handlungsstränge entwickelt. Die früheren Bewohner der ersten Kolonie, Amy, Alicia, Michael und Peter, rücken wieder in den Mittelpunkt. Amy ist in den vergangenen hundert Jahren zu einer jungen Frau herangewachsen. Sie kann mit den Zwölf telepathisch kommunizieren.

Es gibt eine Gruppe von Hybriden aus Mensch und Viral. Diese sind unsterblich, solange sie mit dem Blut der Virals versorgt werden. Sie haben ein totalitäres System gegründet, in dem Menschen versklavt werden. Rebellen bereiten im Untergrund den Umsturz vor. Zum Teil sind sie aus den Vorerzählungen bekannt.

Es wird religiös

In "Der Übergang" führte uns Justin Cronin in seinen Alptraum vom Weltuntergang ein. "Die Zwölf" ist der zweite Band in dieser Trilogie, in der ein Virus vom Militär benutzt wird, eine Gruppe durch die Rechtssprechung zu Todeskandidaten bestimmter Männer in Kampfmaschinen zu transformieren. Natürlich geht das Experiment schief, die Probanden werden zu mit Klauen und Krallen bewehrten, mit Haut wie einer Rüstung versehenen, sich vornehmlich von menschlichem Fleisch und Blut ernährenden Monstern, die ihrem Gefängnis entkommen und die Welt (offenbar nicht nur die USA) mit einem Katastrophenszenario beglücken, dem diese nichts entgegenzusetzen hat.

Nichts? Nicht wirklich: vereinzelt finden sich Menschen, die sich den mächtigen Feinden stellen. Ihre messianische Leitfigur nennt sich Amy. Und ist "Der Übergang" noch ein sehr bodenständiger Horrorroman, wird es nun recht religiös. "Die Zwölf" beginnt mit einer Zusammenfassung des Inhalts aus "Der Übergang", der nicht nur im Ton biblisch gehalten ist, sondern eine sehr spezielle Schöpfungsgeschichte erzählt.

Das Endzeitszenario hat das mengenmäßige Verhältnis von Mensch zu Viral umgekehrt, die wenigen Überlebenden reichen kaum noch aus, das Riesenheer an Blutsaugern zu ernähren, die deshalb zu verhungern beginnen. Das kennen wir bereits: explodierende Weltbevölkerung und rücksichtslose Ressourcenausbeutung sind kein Szenario der Zukunft.

Cronin bringt die Handlung voran über die Charakterentwicklung. Zwar gehören Amy und Alicia zu den Hauptfiguren, sind aber nur zwei in einem größeren Figurenensemble und verschwinden, nachdem sie kurz in Erinnerung gebracht wurden, für bald 300 Seiten aus der Erzählung.

Menschen als gefährliche Monster - Ein Volk, ein Reich,...

Während "Der Übergang" sich überwiegend mit dem Kampf einer Gruppe guter Menschen gegen das Böse (auch unter ihresgleichen) beschäftigt, mit ihrem Überleben in einer Welt der Auflösung, kehrt "Die Zwölf" dieses Gefüge um und zeigt Virals, die nach wie vor gefährlich sind, aber einmal mit Haustieren verglichen und durch ihre menschlichen Unterstützer noch übertroffen werden.

An George Orwells "1984" erinnern einige Passagen aus "Die Zwölf" ebenso wie an historische Ereignisse. In Fort Powell, Iowa, gibt es das Homeland unter Herrschaft eines im doppelten Wortsinn blutdurstigen Herrschers, der ein Konzentrationslager betreibt, in dem Menschen, mit Plaketten markiert, die eine Nummer als ihren Namensersatz enthalten, durch Arbeit vernichtet werden, oder, die einzige Alternative, die ihnen zugestanden wird, den Virals als Opfer gebracht werden. Dieses Vaterland "Homeland", wird von Handlangern in der Funktion von Aufsehern und Folterern am Laufen gehalten, die, auch in der deutschen Fassung, Human Resources Officers heißen. "Ein Volk! Ein Führer! Ein Homeland!", heißt es in dieser faschistischen neuen Welt. Bekämpft werden sie von Rebellen, die auch Selbstmordattentate begehen.

Die Dialoge lassen darauf schließen, dass auch nach der Apokalypse und knapp hundert Jahren Krieg die Menschen eine gute Sprachausbildung in der Schule erhalten, die zudem einer zentralen Bildungsnorm genügt. Der Roman zitiert aus Dokumenten, die 1003 Jahre nach diesen Ereignissen auf einer Tagung diskutiert werden. Die menschliche Art und eine höhere Form ihrer Zivilisation gibt es dann also noch immer.

"Die Zwölf" wechselt wie der Vorgänger zwischen Erzählebenen, folgt der Logik einer Handlungsentwicklung, die durch einen Cliffhanger unterbrochen wird, worauf es einen Szenenwechsel gibt, etc. Es gibt einige Vorgeschichten und Komplementärgeschichten zu erzählen, weshalb der Mittelband der Trilogie Personen, die im ersten Band nur eine kurze Rolle spielten, viel Raum gibt und eine Reihe neuer Figuren einführt. Da das Ensemble recht umfangreich ist, kommt es nicht zu Engpässen in der Erzählungsentwicklung, wenn die eine oder andere Hauptfigur das Leben oder die Menschlichkeit verliert. Gleichwohl ist dieser Abrieb erzählerisch notwendig, wenn die Gefährdung glaubwürdig bleiben soll.

Der Ton der Erzählung ist ein wenig unausgeglichen. Mal erzählt Cronin eine schnelle und streng auf das Ziel ausgerichtete Thriller- oder Horrorgeschichte, dann wird er ausladend sentimental, quasireligiös, bisweilen esoterisch oder auch kitschig. Es gibt harte Wechsel zwischen brutalen Gewaltszenen und markigen Dialogen, sagen wir: Männerliteratur, sowie unglaublich klebrigen Passagen, wie sie in schlecht geschriebenen Groschenheftchen für Frauen zu lesen sind. Ob Cronin damit die Genderproblematik literarisch gelöst oder sie durch harte Kontraste betont hat, mögen Leser und Leserinnen für sich entscheiden. Insgesamt aber ist Cronins Welt des Untergangs brutal und düster, nicht so gut wie der Vorgänger, aber immer noch sehr unterhaltsam.

(Almut Oetjen, April 2013)

Die Zwölf

Justin Cronin, Goldmann

Die Zwölf

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