Salomons Thron

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 1989
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Salomons Thron
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Michael Drewniok
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2013

Das Böse (in) einer schrecklichen Welt

London im Jahre 1848: Schwarzmagier Jonathan hat zweimal vergeblich versucht, Asmodeus, den König der Dämonen, zu beschwören und sich untertan zu machen. Asmodeus wird sich grausam für diese Dreistigkeit rächen. Jonathan bleibt nur, sich des Thrones Salomons zu bemächtigen. Gelingt ihm dies, ist er nicht nur den wütenden Dämon los, sondern kann sich auch zum Herrn aller bösen Geister aufschwingen.

Allerdings ist Salomons Thron seit Äonen verschollen. Es gibt drei äußerst seltene Bücher, die Jonathan in ihrer Gesamtheit einen Weg zum Objekt seiner Begierde weisen können. Doch jemand ist ihm zuvorgekommen: Justin Coltman, ein reicher aber todkranker Amerikaner, der sich aus der Lektüre Lebensrettung erhofft. Gerade ist Coltman mit den Büchern im Gepäck in die USA zurückgereist.

Nicht nur Jonathan folgt ihm über den Atlantik. Dem Magier sitzt ein unerbittlicher Rächer im Nacken. Pierce James Figg ist ein ehemaliger Preisboxer, dem Jonathan die Gattin und den Sohn ermordet hat. Sogar Jonathan fürchtet den Zorn des kampfstarken Figg, dem er alles nahm, was diesem im Leben wichtig war.

Weil Figg einst seiner Familie beistand, hilft der Schriftsteller Charles Dickens dem Boxer. Er finanziert ihm die Überfahrt nach Amerika und vermittelt den Kontakt zu einem alten Freund: Edgar Allan Poe, ebenfalls Schriftsteller, ist mit der Unterwelt von New York vertraut und nimmt sich des Neuankömmlings an.

Poe ist abgelenkt, denn er soll für seine Freundin Rachel Coltman die aus dem Grab entführte Leiche ihres Gatten finden: Justin ist kurz nach der Heimkehr seiner Krankheit erlegen. Die magischen Bücher hatte er noch gut versteckt. Der wütende Jonathan will den toten Coltman mit Zauberkraft verhören. Er jagt die Leichendiebe, auf deren Spur sich auch Poe und Figg gesetzt haben. Sie ahnen Jonathans abscheuliches Vorhaben und jagen ihm noch in den finstersten Winkeln von New York hinterher ...

Höllen-Horror und reale Schrecken

Im Werk des Schriftstellers Marc Olden stellt "Salomons Thron" eine Besonderheit dar: Sein einziger Horror-Roman steht neben einer langen Reihe von Thrillern, die in der Gegenwart spielen. Die gemeinsame Basis stellt die ausgiebige Recherche des Verfassers dar, der sich vor allem in seinen späteren, nicht mehr nur für den schnellen Dollar geschriebenen Werken intensiv mit den politischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten des jeweils gewählten Schauplatzes beschäftigte.

"Salomons Thron" wurzelt in Oldens Faszination für Edgar Allan Poe. Die Biografie dieses ebenso talentierten wie alltagsuntauglichen und selbstzerstörerischen Mannes bietet mehr als genug weiße Flecken für fiktive Abenteuer, wobei das größte Rätsel weiterhin Poes Tod bleibt, über den zahlreiche Fragezeichen kreisen. Olden siedelt seine Geschichte in jener Spät- und Endzeit von Poes Leben an, in der dieser gehetzter denn je versuchte, seinem unsteten Leben eine sichere Basis zu verschaffen, ohne gleichzeitig eigene Ideale zu verraten - ein Bemühen, das aufgrund Poes widersprüchlichen und auf Konfrontation ausgerichteten Charakters zum Scheitern verurteilt war.

Poe war darüber hinaus ein (durchaus nicht ohne eigenes Verschulden) gestrandeter Frei- und Fremdgeist. Immer wieder stellt Olden ihn als Künstler dar, der in einer allzu sehr auf Geld und Ruhm bedachten Welt quasi chancenlos bleiben musste, weil er sich nicht an der allgemeinen Jagd nach den genannten Götzen beteiligen bzw. sich nicht verbiegen lassen wollte. Poe wurde zum Opfer der eigenen künstlerischen Ansprüche, die er so hoch steckte, dass ihn die meisten Zeitgenossen entweder nicht verstanden oder ihn ablehnten. Sie ließen sich lieber von Phineas T. Barnum, den für seine faulen Tricks berüchtigten König der Schausteller, unterhalten, der folgerichtig ebenfalls in die Jagd nach "Salomons Thron" verwickelt wird.

Die Hölle und die Kloake

Olden konfrontiert den Geistesmenschen Poe mit einer Personifizierung roher Kraft. James Figg (1695-1734) gilt als erster anerkannter Schwergewichtsmeister Englands. Mit Pierce James Figg schuf Olden einen Nachfahren, den er ohne die Belastung durch eine gesicherte Biografie in einen ganz eigenen Ring schicken konnte. Figg steht trotz seiner sportlichen Reputation nur wenig über dem Gros der zeitgenössischen Unterschicht. Geboxt wurde zu seiner Zeit mit blanken Fäusten und nach eher rudimentären Regeln. Vorbei war der Kampf nicht nach 15 Runden, sondern erst, wenn einer der Gegner aufgab oder nicht mehr konnte. Die Gesundheit der Boxer war Nebensache, schwere Verletzungen oder der Tod im Ring galten als Berufsrisiken.

Wer nicht rechtzeitig für den (womöglich erzwungenen) Ruhestand vorsorgte, versank in einer Zeit ohne soziale Netze in einer Armut, die schlimmer als der Tod sein konnte. "Salomons Thron" erreicht die größte Intensität nicht in der Beschreibung diverser Dämonen-Beschwörungen. Wesentlich erschreckender sind Oldens Streifzüge durch die Slums von New York. Der Verfasser konnte sich hier auf zeitgenössische Quellen stützen, die er mit großem Geschick in eine schier endlose Litanei immer neuer Schrecken verwandelt.

Denn in der Welt von Poe und Figg gilt der Schwache als Versager, der sein Schicksal selbst verschuldet hat und Mitleid deshalb nicht verdient. Er wird ins gesellschaftliche Abseits abgeschoben, wo er unter Seinesgleichen dahinvegetiert. Das auf Ausbeutung fußende System setzt sich im kollektiven Elend ungebrochen fort. Die Ärmsten der Armen bestehlen, prostituieren und zerfleischen sich sogar noch unerbittlicher. Das Maß voll machen brutal umgesetzte Vorurteile, von denen auch Poe und Figg keineswegs frei sind. Der eine ist für die Sklaverei und gegen die Gleichheit der Rassen, der andere hasst Homosexuelle: So war es, und Olden beschönigt es nicht.

Der Teufel als Zaungast

Im Pfuhl von New York sind Asmodeus und seine Mit-Dämonen eigentlich überflüssig: Die Menschen machen sich auch ohne ihre Mitwirkung das Leben zur Hölle. Oldens Geschichte hätte als Historien-Thriller mit sozialkritischer Komponente ohne übernatürliche Elemente sicherlich ebenso gut funktioniert. Der Thron des Salomon bleibt ohnehin ein "MacGuffin", der zwar das Geschehen begründet und oft Erwähnung findet, ohne jemals entdeckt zu werden.

Da der Verfasser allerdings Edgar Allan Poe als Hauptfigur einsetzt, lag der Gedanke nahe, dessen imaginäre Schrecken Handlungsgestalt annehmen zu lassen. Olden ist dabei klug genug, die dämonischen Auftritte zu dosieren. Erst im Finale geht es unverhohlen spukhaft zur Sache, aber auch dabei hält der Autor die Verbindung zur ´Realität´, der er seiner Geschichte bisher gewidmet hatte: Jonathan führt seine Beschwörung authentisch nach dem Vorbild historischer Vorgaben durch, die Olden abermals recherchiert hat.

Jonathan ist einer der wenigen Schwachpunkte der Geschichte. Olden scheint sich nicht wirklich bzw. nicht annähernd so stark für ihn zu interessieren wie für Figg oder Poe. Er kommt zwar mehrfach auf Jonathans aus schwarzer Magie gewonnene Macht und seine absolute Skrupellosigkeit zurück. Dennoch verschwindet dieser eigentlich interessante Unhold vor allem im Mittelteil quasi aus der Handlung; ein Eindruck, der durch das zahlen- und eindrucksstarke Figurenpersonal unterstrichen wird, das Olden wesentlich eindrucksvoller weil ohne Charisma aber menschlich, farbenfroh und unverstellt tücken lässt.

Ende mit Schrecken = Fortsetzung des Schreckens

Die Auflösung folgt einerseits logisch aus der Handlung, weiß aber andererseits in mehrfacher Hinsicht zu überraschen. Sie wirkt angesichts der zuvor angehäuften Gräuel beinahe versöhnlich, lässt jedoch bei näherer Betrachtung wieder verschiedene Widerhaken erkennen: Die ausgestandenen Schrecken haben bei den Figuren ihre Spuren hinterlassen, doch sie werden als Teil einer Gegenwart begriffen, in der es schon als Sieg gelten kann, einen weiteren Tag zu überleben.

"Salomons Thron" erschien in Deutschland mit 21-jähriger Verspätung und ist längst vergriffen. Marc Olden hat hierzulande zumindest in der Phantastik keinen Namen, was seinen einzigen Horror-Roman immerhin antiquarisch kostengünstig hält. Sorgfältig übersetzt und schön gestaltet entspricht das Äußere dem spannenden Inhalt und rundet ein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes bzw. nie wirklich in seinem Wert begriffenes Lektüre-Erlebnis ab.

(Dr. Michael Drewniok, Februar 2013)

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