Hüter der Worte

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2012
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Hüter der Worte
Hüter der Worte
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Heike Salzmann
75°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2013

Mögen gute Worte Dich begleiten...

 

"Das letzte Tageslicht fiel in spärlichen Streifen hoch oben durch die gläsernen Dachlichter. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf den Geist, der mit Büchern beladen eines der Pulte umrundete. Er verschwand um eine Ecke, und ihre Augen blieben an den endlosen Realreihen hängen. [..]
"Ich kann nicht mehr Trakan. Das war alles zu viel in letzter Zeit [..]." "Aber Du kannst jetzt nicht aufhören" [..].Seine dunklen Augen blickten sie flehend an, und das machte die Sache eher schlimmer für sie. "Ich werde weitermachen, das verspreche ich dir. Nur eine Pause, nur ein paar Wochen. Was sind schon ein paar Wochen?" "Die Zeit ist gegen uns fürchte ich." "Trakan ich werde ihn finden.[..]" 

 

So atmosphärisch dicht, spannend und geheimnisvoll beginnt Diana Menschings "Hüter der Worte". Erzählt wird hier die Geschichte um den jungen Autor Tom Schäfer und Laryon, den "Helden" aus Toms Buchreihe rund um die Fantasywelt 'Willerin'.

Tom Schäfer steckt in Schwierigkeiten. Hat er doch nach seinem ersten Bucherfolg eine nicht gerade kleine Fortsetzung seiner Erzählung - mit insgesamt 11 Bänden - versprochen! Und ausgerechnet jetzt, vor dem Fertigstellungstermin des ersten Folge-Bands leidet er unter einer Schreibblockade. Als würde sich seine Buchgestalt Laryon selbst seinen Gedanken und Ideen entgegensetzen, so entzieht sich die Geschichte scheinbar seiner Kontrolle. Umso erleichterter ist Tom, als er an einem Abend die attraktive und geheimnisvolle Mellie kennenlernt. Mellie scheint sich nicht nur für ihn und seine Geschichten zu interessieren, sondern auch seine Kreativität positiv zu beeinflussen.

Als Tom in Mellies Wohnung einige von ihr selbst verfasste Kapitel über Willerin findet und diese als Anregung für den weiteren Verlauf seines Buches nutzt, bringt er eine Ordnung ins Wanken, deren Existenz ihm bis dahin verborgen war. Ist er doch, wie Mellie selbst, stärker in das Geschehen auf Willerin eingebunden als er jemals hätte ahnen können. So bringt er unwissentlich nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Protagonisten Laryon in Gefahr. Den Geheimnissen Mellies auf der Spur muss Tom erfahren, dass ihn weit mehr als nur das geschriebene Wort mit Willerin und Laryon verbindet. So muss er gemeinsam mit Laryon versuchen, das durch seine Unwissenheit heraufbeschworenen Chaos zu lichten und die Geschehnisse zu einem guten Ende zu führen.

Mit "Hüter der Worte" legt Diana Menschig ein gut durchdachtes, stimmungsvolles und spannend strukturiertes Fantasyabenteuer vor. Die Idee, eine Geschichte mit der Realität zu verbinden, in der die Protagonisten zwischen den Welten wechseln, ist zwar nicht neu. Menschig bringt jedoch genügend neuartige Aspekte in die Geschichte, um sie spannend und unvorhersehbar zu gestalten. Interessanterweise lässt Menschig durch die Verknüpfung von Laryons Welt Willerin mit dem heutigen Münster nicht nur unsere Wirklichkeit fantastischer erscheinen, sondern bringt darüber hinaus einen Teil irdischen Alltags nach Willerin. Dies schafft sie nicht nur durch die immer wieder sehr detailliert einfließenden Beschreibungen alltäglicher Notwendigkeiten, sondern vor allem durch die Eigenschaften der Bewohner Willerins. "Abenteurer" sucht man hier vergeblich. Vor allem Laryon zeichnet sich eher durch Charaktermerkmale wie Vernunft und Bodenständigkeit aus, als den üblichen Eigenschaften eines Helden in einer fantastischen Abenteuergeschichte. So lernen Tom und wir als Leser mit ihm nach und nach den Unterschied zwischen einem "fiktiven Romanhelden" und einem "wirklichen Menschen" kennen, welcher sich auf Willerin durchschlagen muss. Laryon muss mehr als ein mal die fantasievollen Vorstellungen Toms gerade rücken.

 

"Deine merkwürdige Phantasie. So ein (Reit) Umhang ist nicht dazu da, romantisch hinter mir herumzuflattern, sondern um Wind und Regen abzuhalten."

 

Als die zentralen Figuren des Geschehens stehen sich Tom und Laryon nicht nur als Bewohner unterschiedlicher Welten, sondern auch als konträre Charaktere gegenüber: Laryon muss sich immer wieder aus Gefahren herauswinden, welche Tom nur der spannenden Handlung seines Buches wegen heraufbeschwört. Und das, obwohl der sich nichts mehr als ein ruhiges und beschauliches Leben wünscht.

Die so zwischen dem bodenständigen und ernsten Laryon und dem eher unreifen und oftmals unbedacht handelnden Tom auftretenden Konflikte und Reibereien treiben die Geschichte voran und geben ihr ihre eigene Würze.

 

"Meine Leser, also eigentlich mehr die Frauen, würden eine Menge geben, dich persönlich zu treffen", sagte Tom nachdenklich.
"Deine Leserinnen würde ich auch gerne kennenlernen, meinte Laryon mit unbewegter Miene.
"Im Ernst?!"
"Nein!!"

 

Neben Tom und Laryon als den zentralen Figuren der Handlung sind auch die übrigen Charaktere durchweg detailliert und liebevoll gezeichnet. Bemerkenswerterweise wahrt Menschig trotz dieser guten Darstellung ihrer Protagonisten eine gewisse Distanz zu diesen. So bleiben tiefere emotionale Ebenen, die eine Identifikation mit den Protagonisten ermöglichen würden, dem Leser verborgen. Diese zuweilen als etwas störend empfundene Distanz zeichnet allerdings konsequent eine der Grundintentionen der Geschichte nach. So werden die Protagonisten zwar von ihren "Worthütern" angeleitet, bleiben aber immer eigenständige Persönlichkeiten.

 

"Große Gefühle sind Privatsache.[..] Wut, Trauer, Angst oder Freude. Wenn Wortgestalten sich an diese Gefühle klammern, können sie die Worthüter von ihren Gedanken fernhalten. So funktioniert das."

 

Diesem Leitfaden folgend wird auch der Leser auf Distanz gehalten und bleibt ein außenstehender Beobachter.

Insgesamt zeichnet Menschig ein stimmungsvolles Bild, sowohl vom heutigen Münster, als auch von der eher mittelalterlich anmutenden Insel Willerin. Die Geschichte ist flüssig geschrieben und bietet eine spannende Handlung in einer leicht eingängigen Sprache. Einzig zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse. Die hier zur Klärung der Zusammenhänge gegebenen Informationen treffen geballt auf den Leser ein und lassen so die Handlung etwas zu konstruiert erscheinen.

"Hüter der Worte" bietet ein solides Fantasyabenteuer mit detailliert gezeichneten Charakteren und einer gut durchdachten und sorgfältig strukturierten Handlung. Der Aufbau der verschiedenen Welten spiegelt sich hervorragend in den Charakteren und ihren Interaktionen wodurch eine stimmungsvolle, bisweilen witzige und spannende Geschichte entsteht, die den Leser in ihren Bann zieht. Durch die Verknüpfung von Realität und Fiktion könnte dieser Roman nicht nur für Liebhaber des Genres, sondern auch für ein breiteres Publikum interessant sein.

(Heike Salzmann, Februar 2013)

Hüter der Worte

Diana Menschig, Droemer-Knaur

Hüter der Worte

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