Inferno

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
Inferno
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Almut Oetjen
68°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2013

Inferno – Mit Kleinigkeiten Großes bewirken

Der Symbol-Versteher und Harvard-Professor für Kunstgeschichte Robert Langdon wacht mit einer Kopfverletzung in einem Krankenhaus in Florenz auf. Er kann sich nicht an die Ereignisse der vergangenen Stunden erinnern. Die Ärztin Sienna Brooks erzählt ihm, er sei von einem Projektil gestreift worden, aber mit einer Gehirnerschütterung davongekommen. Eine Frau namens Vayentha dringt in den Krankenhausflügel ein und erschießt auf der Suche nach Robert Doktor Marconi. Sienna flieht mit Robert in ihre Wohnung. Robert ruft das US-Konsulat an, nachdem er in seinem Jackett einen Zylinder mit Biohazard-Symbol und unbekanntem Inhalt gefunden hat. Er gibt als Standort das gegenüber liegende Hotel an. Wenige Augenblicke später erscheint Vayentha und sucht ihn dort vergeblich.
Robert öffnet den Zylinder, in dem sich ein mittelalterlicher Behälter mit einer bearbeiteten "Karte der Hölle" Botticellis befindet. Plötzlich stürmen in Schwarz gekleidete Soldaten das Gebäude. Robert und Sienna können im letzten Moment fliehen und fahren in Richtung historische Altstadt, weil der geheimnisvolle Zylinder etwas mit Dante und seinem Hauptwerk Die Göttliche Komödie zu tun haben muss. Polizei und Militär haben jedoch die Einfahrten in die Altstadt gesperrt und suchen die beiden. In einem Lauf gegen die Zeit und ihre Verfolger müssen Robert und Sienna das Geheimnis lüften, das den Zylinder umgibt.

Robert Langdon illuminiert wieder

Nach "Illuminati", "Sakrileg" und "Das verlorene Symbol" ist Inferno der vierte Band in Dan Browns Serie um Robert Langdon. In für Serien üblicher Weise arbeitet Brown formulaisch. Das Zeitkorsett ist sehr eng, der Großteil der Handlung spielt in Florenz. Brown beschreibt jedes Detail, auch schon mal ausführlich Gemälde. Im Buch sind sogar Schaubilder abgedruckt, die Gegenstand von Diskussionen sind.
Der Thriller umfasst 682 Seiten, zwischen dem Prolog und dem Epilog bringt er 104 Kapitel unter. Ständig wird die Handlung unterbrochen, oft bleibt sie an einer Klippe hängen. Redundanzen sorgen dafür, dass die Leser keine Wahrnehmungsverluste erleiden.
In "Das verlorene Symbol" setzt Kapitel 88 mit den Worten ein: "Die Zeit wird knapp". "Inferno" bietet diesen Satz bereits in Kapitel 38, S.240. Es wird dieses Mal also besonders eng für unseren Helden und seine Begleiterin. Und wer glaubt, gemütlich im Wissen um die erzählerische Formel durch den Roman gleiten zu können, dem oder der wird dies zwar weitgehend gelingen, aber mit einem bösen Twist im späteren Verlauf der Handlung.
Auch muss Langdon in der vierten Episode seiner Abenteuer Informationen rekonstruieren, die aus dem Kurzzeitgedächtnis gelöscht wurden, weil man ihm vor Beginn der Erzählung eine gehörige Dosis Benzodiazepine verabreichte, bei uns in einer Form bestens unter dem Namen der Vergewaltigungsdroge Rohypnol bekannt.

Die perfekte Autodidaktin

Langdons Mitstreiterin Sienna übertrifft ihre Vorgängerinnen: sie sieht noch großartiger aus, hat einen IQ von 208, bringt sich innerhalb eines Monats eine Fremdsprache vollständig bei, hat sich in einigen Wissenschaften hervorragend ausgebildet. Die perfekte Autodidaktin ist zwar keine studierte Medizinerin. Dennoch arbeitete sie mit Doktor Marconi zusammen im Krankenhaus. Dante hat sie vor einem Vierteljahrhundert als Kind gelesen, kann sich aber noch ganz gut an Details erinnern.

Der posthumane Mensch

Brown erzählt nicht nur eine seiner üblichen Abenteuergeschichten um einen Mann und eine Frau, die ein Mysterium innerhalb kürzester Zeit aufklären müssen. Eine seiner Figuren hat auch ein echtes Anliegen. Der Mensch ist unvollkommen, leidet unter Krankheiten, körperlichen und geistigen Beschränkungen, und hält sich dabei für die bekannte Krone der Schöpfung. Er hat den Planeten heruntergewirtschaftet und verhält sich, als gäbe es kein Morgen, was umso absurder ist, weil er doch ständig auf seine Zukunft in Gestalt seines Nachwuchses verweist.
Diese geistig hybride Grundkonstellation hat einen extrem Hochbegabten, der nicht unter Einfluss von Psychopharmaka steht, zu einer Einsicht kommen lassen, deren Konsequenzen den Katalysator und die Hefe für Browns Geschichte bilden. In diesem Zusammenhang spielt die Utopie des Posthumanismus (und des Transhumanismus als Entwicklungspfad dorthin) eine große Rolle. Vielleicht wäre es angezeigt, sich vor oder während der Lektüre des Romans ein wenig Kenntnis darüber zu verschaffen. Die Sonderstellung des Menschen wird in diesem Gedankengebäude verneint, was wiederum den Ausgangspunkt dafür bildet, den Menschen im Interesse von irgendwem optimieren zu wollen.

Um dieses Kernstück herum baut Brown seine Geschichte auf und reichert sie an mit Ausflügen in die Kunstgeschichte und kommentierten Hinweisen für Touristen in Florenz und, weniger, aber auch, Venedig und Istanbul. Dies geschieht überwiegend mit unmittelbarem inhaltlichem Bezug.

Die Exkurse nehmen oft das Tempo aus der Handlung. Eben noch flieht man mit Robert Langdon vor den Verfolgern, die plötzlich ganz nahe bei ihm sind, als ihm etwas zu Dante, zu einem Gemälde, das er aus seinem Versteck sehen kann, oder zu einem Baumeister der reichhaltigen Architekturschönheiten von Florenz einfällt, was er uns auch rasch erzählen muss, bis er sich entschließt, seine Flucht fortzusetzen. Selbstredend gehören seine Verfolger nicht zu seinen Seminarteilnehmern.

Fazit

"Inferno" ist der vierte Band in einer Romanserie, die sich am ehesten vielleicht so charakterisieren ließe: Die Zeit wird knapp, reicht aber noch zur Rettung der Welt. Wer Dan Brown liest und weiß, wie Serien funktionieren, wird dies ebenso wenig überraschend finden, wie die Gestaltungswerte, die sich unter dem Begriffspaar des Formulaischen und der überbordenden Redundanz vereinen lassen. Überraschungen hält der Roman dennoch bereit, sogar, es soll noch einmal kurz erwähnt werden, eine recht ungewöhnliche. Für Hasser von Dan Brown ist "Inferno" ein weiterer Beitrag in deren leidgefüllter Rezipientengeschichte, für Fans von Dan Brown eins seiner schlechtesten oder besten Bücher.

Almut Oetjen, Mai 2013

Inferno

Dan Brown, Bastei-Lübbe

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