Die Eistoten

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  • Erschienen: Januar 2013
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Die Eistoten
Die Eistoten
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Melanie Reichert
18°1001

Phantastik-Couch Rezension vonNov 2013

Nicht spannend, nicht mystisch, nicht empfehlenswert

Alice ist 11 Jahre alt und wohnt in einem beschaulichen Örtchen im Allgäu. Für ihr Alter ist sie extrem clever und kombiniert messerscharf, allerdings wird sie deswegen von den Einwohnern eher als besserwisserisches Gör abgetan und somit nicht ernst genommen. Dies ist auch der Grund, weswegen sie niemandem von ihrem treuen Begleiter erzählen kann, denn Wittgenstein starb bereits 1951 und taucht immer dann auf, wenn sie es am wenigsten erwartet.

Als Alice am Weihnachtstag mit ihrem Freund durch den Wald streift, entdecken sie plötzlich eine Leiche. Das Merkwürdige daran: Sie steht mit offenen Augen, aufrecht im Wald. Schnell wird klar, dass niemand einfach so erfriert. Nur Alice erkennt die Zusammenhänge zum Mord an ihrer Mutter vor vier Jahren, allerdings glaubt die Polizei an einen Unfall. Und auch sonst schenkt ihr niemand Gehör, bis sie an den falschen Zuhörer gerät ...

Von einem Mystery-Thriller hatte ich viel mehr erwartet. Wenn dann aber neben dem Mystery-Teil auch der Thriller nicht unter den Tisch fällt, kann man wohl offen von einer Enttäuschung sprechen.

Das größte Problem war wohl der abgehackte Schreibstil. Er hat dafür gesorgt, dass ich zu keinem Zeitpunkt vollkommen in der Geschichte aufgehen konnte, sondern immer einen monotonen Singsang vor mir hatte. Kurze Sätze in einer entsprechenden Szene zur Steigerung der Spannung zu verwenden, ist ja durchaus ein gängiges Mittel, wenn das dann aber im gesamten Roman der Fall ist, ist es eher kontraproduktiv zu verzeichnen. Auch muss sich der Leser auf weit ausgeholende Beschreibungen des Örtchens Hintereck und dessen Bewohner einstellen. Wer also lieber auf Handlung steht, sollte hier schon mal die Finger davon lassen.

Ein weiteres Problem ist die Unglaubwürdigkeit der Charaktere. Die Protagonistin Alice wird für ihre 11 Jahre als sehr clever und reif beschrieben. Obwohl sie etwas Besonderes ist und viel liest, drückt sie sich doch reifer aus, als das für den Leser als glaubwürdig erscheint. Ebenso normal scheint es zu sein, dass sich die Erwachsenen kaum um ihre Kinder kümmern bzw. denen nicht zuhören. Warum der Vater in manchen Situationen so mit Alice umgesprungen ist, war für mich größtenteils nicht nachvollziehbar. Auch wenn er sein Kind durch manche Handlungen beschützen wollte, war sein Verhalten eher widersprüchlich. Der Autor legt scheinbar großen Wert auf das Thema Familie, hat mit diesem Roman auch ein paar nette Stereotypen erschaffen (zickige, modebewusste, große Schwester, der Opa, der seiner Enkelin hinter dem Rücken des Vaters etwas Gutes tun will), aber für Personen, die im Gedächtnis bleiben sollen, einfach zu wenig getan.

Von den Nebencharakteren erfahren wir teilweise mehr, als von den Protagonisten. So tappt der Leser beispielsweise absolut im Dunkeln, warum sich die beiden Schwestern nicht ausstehen können. Vom Opa, der eigentlich eine größere Rolle in Alice' spielt, erfahren wir so gut wie nichts. Dafür werden die Leute vom örtlichen Stammtisch näher beschrieben und deren Fehden untereinander dargestellt. Die Atmosphäre eines urigen Dörfchens mit verschrobenen Einwohnern kommt zwar auf, wird aber durch die Blässe der Charaktere wieder zunichte gemacht.

Wie schon erwähnt, waren beide Teile des Mystery-Thrillers so gut wie nicht vorhanden. Der Geist von Wittgenstein, der Alice während ihrer "Ermittlung" unterstützt, kommt so gut wie nicht vor und ruft bei den ersten Auftritten eher Verwirrung im Leser hervor. Bis irgendwann klar wird, dass Alice tatsächlich einen Geist sieht und keine ernsthaften Problem mit ihrer Psyche hat, vergeht nach meinem Geschmack einfach zu viel Zeit. Generell ist das Übersinnliche einfach zu wenig herausgearbeitet. Hier hätte man viel mehr daraus machen können, sodass der Leser vielleicht auch daran hätte glauben können.

Auch der Thriller bzw. die Spannung bleibt auf der Strecke. Eventuell lag das aber auch daran, dass man die Ermittlungen einer 11-jährigen nicht ganz ernst nehmen konnte. Der tote Philosoph war hier auch keine wirkliche Hilfe und das Ende war ab einem gewissen Punkt sehr voraussehbar. Auch wenn Alice ein paar mal zwischendurch auf etwas hinweist und dann auch noch betont, dass sie den Zusammenhang nicht herstellen kann, so gelingt es einem als Leser aber doch, was zu weiterem Verlust der Spannung führt.

Zum Schluss möchte ich noch auf ein paar ärgerliche Fehler hinweisen. Im Klappentext wird der Fund der Leiche auf den 23. Dezember datiert, während sie im Buch tatsächlich am 24. Dezember gefunden wird. Ein unnötiger Fehler, der dem Verlag eigentlich hätte auffallen müssen. Weiterhin ist es verwunderlich, dass Menschen aus dem Koma aufwachen und noch am gleichen Tag nach Hause entlassen werden. Das hat nicht viel mit Fantasy zu tun, sondern ist einfach unrealistisch und hat meinen Gesamteindruck des Buches nur noch unterstrichen.

Insgesamt eine zähe Geschichte, die wenige bis gar keine Höhepunkte zu bieten hat. Ein Mystery-Thriller, der weder mystisch noch spannend ist und so von mir nicht empfohlen werden kann. Wie der Autor in einem beigefügten Interview andeutet, möchte er die Protagonistin Alice wohl in einer Reihe von Mystery-Thrillern verarbeiten. Ich sage dazu: Bitte nicht!

Die Eistoten

Christian Buder, -

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