47 Meters Down: Uncaged
Film-Kritik von Michael Drewniok

Mehr Haie, mehr Opfer, mehr Klischees

Mia und Sasha tolerieren sich eher, statt sich stiefschwesterlich zu lieben, wie ihre Patchwork-Eltern Grant und Jennifer es wünschen bzw. fordern. Die ‚Familie‘ lebt auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan, wo Grant sich mit seinen beiden Gehilfen Ben und Carl als Taucher verdingt. Aktuell ist er für Archäologen tätig, die eine im Meer versunkene Maya-Stadt untersuchen wollen. Das Trio legt Sicherheitsleinen und Stromkabel, denn dort, wohin es die Wissenschaftler zieht, ist es dunkel und gefährlich: Die Stadt wurde einst in Höhlen errichtet, die später in den Fluten versanken.

Den Schwestern wurde der Tauchgang in die Stadt streng verboten, weshalb es sie und ihre beiden Freundinnen Alexa und Nicole selbstverständlich genau dorthin lockt. Das Quartett greift sich heimlich die für die Archäologen bereitgelegten Taucheranzüge und schwimmt in die dunkle, unheimliche, aber faszinierende Unterwasser-Stadt hinab. Dort tollt man sich (zu dröhnend eingespieltem Klassik-Rock) manisch jugendlich umher, weshalb erst eine Wand einstürzt, deren Trümmer den Rückweg blockieren, und anschließend ein riesiger, zwar blinder, aber trotzdem hungriger Hai erscheint, der die vier Mädels sofort zum Fressen gernhat.

Man muss auf die andere Seite der Stadt tauchen, um dort erst Grant und seine Assistenten zu finden und anschließend aufzutauchen. Dummerweise führt dieser Weg noch tiefer hinunter sowie durch brüchige Gewölbe und Gänge, wo bald ein weiterer Blind-Hai den inzwischen panischen Taucherinnen hinterherpirscht. Selbstverständlich herrscht in den Sauerstoffflaschen Ebbe, weshalb die Flucht möglichst rasch gelingen muss, was ebenso selbstverständlich durch die labyrinthische Struktur der Anlage, die überall & nirgendwo erscheinenden Haie und panikbedingte Fehlentscheidungen durchkreuzt wird …

Der Fluch des (leidlichen) Erfolgs

Was macht man nicht alles, wenn man zwar fleißig, aber (trotzdem) nicht wirklich erfolgreich ist! Johannes Roberts hat seit 2000 schon mehrere auf (gruselige) Spannung setzende Thriller gedreht, ohne sich deshalb bei einem Fan-Publikum oder den garstigen Kritiker einen Namen machen zu können. Seine Filme spielen immerhin Geld ein, weshalb Roberts keine Probleme hat Projekt zu verwirklichen, so lange sie im Rahmen dessen bleiben, was eine an Innovationen nicht wirklich interessierte Unterhaltungsindustrie zu realisieren bereit ist.

Der umtriebige Regisseur und Drehbuchautor kennt die Spielregeln seines Metiers, weshalb er nicht absagte, als der von ihm geschriebene und inszenierte „47 Meters Down“ 2017 einen in Relation zur Herstellungssumme beträchtlichen Gewinn einfuhr, was nicht nur in Hollywood eine Fortsetzung fordert: Original und Fortsetzung wurden in Großbritannien produziert. Roberts nahm den Job an und durfte sich über ein aufgestocktes Budget freuen. Inhaltlich gab es zwar keinen Ansatz für eine echte Fortsetzung, was in Kino oder Fernsehen aber ebenfalls kein Hindernis darstellt. Aus „47 Meters Down“ wurde die Grundidee übernommen: Junge Frauen werden von Riesenhaien attackiert.

2017 genügten zwei weibliche Pechvögel, die auf dem Meeresgrund in einem von der Kette gerissenen Stahlkäfig von den hungrigen Raubfischen belauert wurden, um anderthalb Stunden Spannung zu generieren. Zwei Jahre später wurde die Zahl der Frauen vorsichtshalber verdoppelt und der Käfig eliminiert bzw. durch das Labyrinth einer Unterwasserstadt ersetzt; dies war erforderlich, weil die Story sonst gar keinen Sinn ergäbe, da kein Mensch einem Hai entkommen kann, wenn es keine Verstecke gibt.

Sonne, Beine, Kreischen & Reifen im Zeitraffertempo

Wirklich dazugelernt hat Roberts zumindest als Autor nicht. Wie sonst ließe sich eine ebenso lange wie überflüssige Einleitung erklären, die nach dem Vorbild generischer Teenie-Schmonzetten eine cheerleadergemobbte Außenseiterin (Mia) mit einer allseits beliebten Model-Stiefschwester (Sasha) zusammenspannt? Die daraus resultierenden Konflikte sind uninteressant und lösen sich buchstäblich in (die ebenfalls knappe) Luft auf, als die Haie den Schwestern im Nacken sitzen; traurig, dass Nia Long als (Stief-) Mutter Jennifer in einer Null-Rolle verheizt wird.

Viel zu spät sind wir dort, wo der Film problemlos ohne die langatmige Vorstellung der Hauptfiguren beginnen könnte: unter Wasser, wo die Haie warten! Es ist höchste Zeit, denn Mia, Sasha, Alexa und Nicole sind leider keine interessanten Personen. Roberts zeichnet sie zudem so, dass wir bereits wissen, wen es erwischen und wen die Moral retten wird. Diese Frauen sind ohne Eigenschaften und neigen zu krankhaftem Kreischen, was wie gesagt Ausgelassenheit signalisieren soll. Ansonsten sind sie jung, rank & schlank, was uns stets vor Augen steht, weil von den ‚entliehenen‘ Taucheranzeigen seltsamerweise nur die Oberteile passen, weshalb allseits knackige Hinterteile und Beine so textilfrei wie zensurmöglich der Kamera präsentiert werden: So ist das halt weiterhin, wenn man als Schauspielerin jung, hübsch und noch namenlos ist. (Dies schließt Sistine Stallone - eine der zahlreichen Töchter von Sylvester - ein.)

Unter der Oberfläche wird es endlich spannend. Zwar bleibt das Drehbuch weiterhin eine Sammlung einschlägiger Klischees, aber selbst ausgelaugte Buh!-Effekte und Jump-Scares funktionieren, wenn dicke Haie im Spiel sind. Die sind hier besonders schauerlich anzuschauen: blind, mit schrundiger Haut bedeckt und zombiehaft. Das tröstet darüber hinweg, dass sie eher unbeholfen zu künstlichem Leben erweckt wurden: Die CGI-Effekte sind selbst für einen Film dieser moderaten Preisklasse (12 Mio. Dollar) oft miserabel! Dass es nicht schlimmer kam, liegt am kostengünstig ausgelagerten Drehort: Die Außenaufnahmen entstanden in der Dominikanischen Republik.

Keine stillen Tode unter Wasser

Manchmal sorgt das Spiel von Licht und Schatten für wirklich gruselige Momente. Mark Silk kann hinter der Kamera oft ausgleichen, was Roberts davor verbockt. Es ist erfreulich, dass sich diese Mühe auszahlt; die Bildqualität bleibt auch auf Bildschirm oder Monitor bemerkenswert! Hinzu kommt der generell klug gewählte Schauplatz. Die Unterwasser-Ruinenstadt ist primär eine Todesfalle, und obwohl auch beim Kulissenbau Schmalhans der Küchenmeister war, sorgen enge Gänge, gewundene Treppenschächte, zerfressene Statuen, aufgewühlter Schlamm u. a. Unerfreulichkeiten für klaustrophobische Anfälle, zunehmende Orientierungslosigkeit und die scheinbare Allgegenwart der Haie, während die Uhr tickt, weil der Sauerstoff ausgeht.

Echte Überraschungen entstehen daraus freilich nicht. Roberts hat kaum Gespür für eine Handlung, die den Knoten langsam zuziehen sollte, bis er sich im Finale schürzt. Er setzt stattdessen auf Episoden, klammert die Haie sogar mehrfach aus, um sie durch mörderische Strudel oder andere Gefahren zu ersetzen. Das funktioniert im Detail, keineswegs jedoch im Zusammenhang und führt in die Katastrophe, als Roberts glaubt, das Entkommen der Überlebenden in einem Epilog toppen zu müssen/können: Die Blind-Haie werden durch normale Weiße Haie ersetzt, mit denen sich Mia und Sasha nun herumprügeln müssen. Glücklicherweise ist Mia zur Unterwasser-Kriegerin mutiert, die den Untieren die Fischhäute gerbt!

Mit diesem unheilvollen Anfall vermeintlicher Originalität droht Roberts den positiven Eindruck zu zerstören, den sein Film aufgrund solider Routine zumindest im Hauptteil erzeugen konnte. Plötzlich erinnert man sich der bisher verdrängten Bockschüsse. Besonders laut dröhnt jener „Deep-Blue-Sea“-Moment, der wohl als Reminiszenz gedacht ist: Wer den genannten Film von 1999 gesehen hat, erinnert sich sicher an Samuel L. Jacksons letzte Lebenssekunden bzw. sein unerwartet-abruptes Ende (sowie an die - allerdings entstehungszeitbedingt - ebenfalls minderwertigen CGI-Haie). Weiterhin ‚geehrt‘ werden „Cliffhanger - Nur die Starken überleben“ (1993) und natürlich „Jaws“ (1974; dt. „Der weiße Hai“). Film-Nerds können sicherlich weitere ‚Zitate‘ entdecken.

Solcher Zierrat ändert nichts daran, dass „47 Meters Down: Uncaged“ zwischen Unterhaltung und Enttäuschung schlingert. Man bereut den Film weniger als manchen kapitalen Blockbuster, muss ihn aber keineswegs gesehen haben - und es bleibt eine echte Drohung: Zwar war „Uncaged“ nicht so einträglich wie sein Vorgänger, aber es blieb doch genug Geld hängen, um eine weitere ‚Fortsetzung‘ real werden zu lassen ...

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47 Meters Down: Uncaged

  • Originaltitel: 47 Meters Down: Uncaged (GB 2019)
  • Regie: Johannes Roberts
  • Drehbuch: Johannes Roberts u. Ernest Riera
  • Kamera: Mark Silk
  • Schnitt: Martin Brinkler
  • Musik: Tomandandy [= Thomas Hajdu u. Andy Milburn]
  • Darsteller: Sophie Nélisse (Mia), Corinne Foxx (Sasha), Brianne Tju (Alexa), Sistine Rose Stallone (Nicole), John Corbett (Grant), Nia Long (Jennifer), Brec Bassinger (Catherine), Davi Santos (Ben), Khylin Rhambo (Carl)
  • Label/Vertrieb: Concorde Home Entertainment
  • Erscheinungsdatum: 20.02.2020
  • Bildformat: 16 : 9 (2,39 : 1, anamorph)
  • Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch), Dolby Digital 2.0 (Englisch; Extras)
  • Untertitel: Deutsch
  • DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
  • Länge: 87 min. (DVD)/89 min. (Blu-ray)
  • FSK: 16

Extras

  • Audiokommentar (Regisseur Johannes Roberts, Produzent James Harris und Autor Ernest Riera)
  • Featurette/Making of („Diving Deeper: Uncaging 47 Meters Down“; 12:30 min.)
  • Deutscher Trailer

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