Der tödliche Freund

Film-Besprechung von Marcel Scharrenbroich

Superhirne und Hirntote

Das kann ja lustig werden…

Das volle Potential künstlicher Intelligenz (KI; auch AI für artifizielle Intelligenz genannt) lässt sich bislang nur erahnen, doch sehen wir bereits jetzt, während der ersten Gehversuche in freier Wildbahn, wie diese „Zukunftstechnologie“ sich in unseren Alltag geschlichen hat. Papst Franziskus in stylisher Daunenjacke oder ein Donald Trump beim Gewichte stemmen in Knast-Kleidung sind da nur die humoristische Spitze des Deepfake-Eisberges. Künstler gehen weltweit auf die Barrikaden, da KI-Softwares mit ihren Werken gefüttert und regelrecht angelernt werden, ohne Erlaubnis der Urheber und von Laien-Hand bedient, deren Stile zu imitieren. Schauspielerinnen und Schauspieler, nicht selten aus dem Komparsen-Bereich, fürchten, in Zukunft einfach künstlich ersetzt zu werden. Wer weiß, wie viele Autorinnen und Autoren sich schon fleißig „zukunftsorientiert“ unterstützen lassen? In Zeiten, wo es für jedermann kinderleicht ist, das Tool mit Stichworten zuzutexten, sodass KI-Generatoren daraus eine (halbwegs plausible) Geschichte ausspucken? Schlimm genug, aber richtig ernst wird es, wenn Videoaufnahmen einflussreicher Persönlichkeiten, ja sogar Politiker mit hoher Entscheidungsgewalt, in sekundenschnelle derart manipuliert werden, dass sie nicht nur Sprachen sprechen, die sie nie beherrschten, sondern ihnen auch Worte in den Mund gelegt werden, die sie nie sagten. Welche brandheißen News mit vermeintlich hohen Tragweiten können in der Schnelllebigkeit des Netzes wie schnell von offiziellen Seiten bestätig oder entkräftet werden? Besonders kritisch, wenn sie sich über höchst dubiose Quellen verbreiten, denn davon gibt es bekanntlich viele. Schwurbler-Portale, private Seiten selbsternannter „Experten“ oder gleich dreist gefälschte Websites, die sich glücklicherweise oft schon durch dümmliche Rechtschreibfehler selbst entlarven. Betrugsmaschen per Telefon, vor denen mir Recht immer wieder gewarnt wird, haben ebenfalls eine neue Dimension erreicht. Ahnungslose Opfer werden mit geklonten Stimmen Angehöriger in die Irre geführt… und im schlimmsten Fall um ihren Besitz gebracht.

Ja, das ist schon viel Schwarzmalerei, aber es gibt auch Lichtblicke. Zum Beispiel bei Erleichterungen von Arbeitsabläufen. Erhöhte Produktivität und bessere Koordination, was vor allem aus wirtschaftlicher Sicht enorme Vorteile mit sich bringt. Fehlerminimierung bei repetitiven Abläufen, Datenanalysen oder das Entwerfen verschiedener Szenarien, beispielsweise in Katastrophenfällen oder sollte auf der anderen Seite der Weltkugel mal wieder jemand von einer knusprig gebratenen Fledermaus genascht haben. Vor allem in der Medizin ist jeder Fortschritt ein wahres Geschenk… sollte dieses richtig und wohlwissend genutzt werden…

Das Wunderkind und sein Spielzeug

Der Teenager Paul Conway (Matthew Laborteaux) ist das, was man ein kleines Technik-Genie nennen könnte. Nicht nur das, er ist trotz seines jugendlichen Alters auch ein Gehirnspezialist und auf dem besten Wege, mal eine große Nummer in diesem medizinischen Fachgebiet zu werden. Aus diesem Grund zog er gerade mit seiner Mutter Jeannie (Anne Twomey) ins beschauliche Welling, wo er gleich noch ein Stipendium an einer renommierten Universität bekommen hat. Dort soll er seine Forschungen - unter den Augen seines Mentors Dr. Johanson (Russ Marin) - vorantreiben. Pauls Begleiter, der ihm auf Schritt und Tritt folgt, war quasi sein Türöffner für die angestrebte Karriere. Der von ihm konstruierte Roboter BB - ein kauziges Kerlchen in modischem orange, der aussieht, als hätte man Autobot Bumblebee zu platzsparenden Zwecken durch die Schrottpresse genudelt - sorgt dabei stets für Aufsehen. Sei es bei den Studentinnen und Studenten oder beim sympathischen Zeitungsjungen Tom Toomey (Michael Sharrett), mit dem Paul sich schnell anfreundet. Jap, läuft bei unserem Wunderkind.

Erst recht, als er seine neue Nachbarin Samantha (Kristy Swanson) kennenlernt. Sam wohnt mit ihrem versoffenen Vater Harry (Richard Marcus) Tür an Tür mit den Conways. So hört Paul beinahe täglich, wie der herrische Kerl seine Tochter lautstark maßregelt. Nicht verwunderlich, dass er gar nicht erfreut über die Bekanntschaft mit dem Nachbarsjungen ist. Dass Harry Pringle seine Tochter nicht nur verbal attackiert, bleibt auch Pauls Mutter nicht verborgen. Entsprechend groß sind die Sorgen, dass die Lage früher oder später eskalieren könnte. Ersteres ist der Fall. Volltrunken und wieder mal außer Rand und Band, stößt Pringle seine Tochter eines Abends die Treppe herunter… mit fatalen Folgen.

Sam wird sofort ins Krankenhaus eingeliefert, wo die Ärzte nur noch wenig Hoffnung haben. Das Mädchen zeigt keinerlei Hirnaktivitäten. Bereits am nächsten Tag sollen die lebenserhaltenen Maßnahmen eingestellt werden. Für Paul ein Szenario, mit dem er sich nicht abfinden kann und will… ist er dem Mädchen seiner Träume doch gerade erst nähergekommen.

So kann man es fast schon als Wink des Schicksals sehen, dass BB kürzlich eine unschöne Begegnung mit der leicht verschrobenen und stets aggressiven Elvira Parker (Anne Ramsey) hatte. Die ältere „Dame“ duldet nichts und niemanden auf ihrem Grundstück und greift deshalb gerne mal zum haushaltsüblichen Schießprügel. Da BBs selbstlernender Verstand auf einem kleinen Chip platz hat, fasst Paul einen ebenso kurzentschlossenen wie wahnsinnigen Plan. Mit Hilfe von Tom will er ins Krankenhaus einbrechen, um der sterbenden Samantha den womöglich lebensrettenden Chip ins Hirn zu pflastern… ebenfalls mit fatalen Folgen.

Nach Freddy kam BB

„Der tödliche Freund“ (OT: „Deadly Friend“) lässt sich als eine Mischung aus „Frankensteins Braut“ und „Nummer 5 lebt!“ beschreiben. Der Humor von Letzterem fehlt dem Streifen zwar, dafür sind durchaus dramatische Elemente enthalten, die den Motor am Laufen halten. Und damit meine ich nicht den Antrieb des rollenden Eimers BB, der stets putzig vor sich hinbrabbelt und gerne seinen eigenen Namen in das Kauderwelsch einbaut, sondern den Missbrauch vom Vater gegenüber seiner Tochter und die aufkeimende Lovestory zwischen Sam und Paul, die nur allzu abrupt ein tragisches Ende nimmt. Hier wechselt „Der tödliche Freund“ dann auch den Ton und der Horror hält Einzug.

Die Geschichte basiert auf dem Roman „Friend“ von Diana Henstell (1936 – 2017), welcher in Deutschland 1987 vom KNAUR Verlag unter dem Titel „Das unheimliche Wunderkind“ veröffentlicht wurde. Der Drehbuchautor Bruce Joel Rubin, bekannt für „Ghost - Nachricht von Sam“, „Jacob’s Ladder“ und „Deep Impact“, verfasste das Skript, welches wiederum von Horror-Größe Wes Craven (1939 – 2015) umgesetzt wurde. Mit „The Last House on the Left“, „The Hills Have Eyes“ und „A Nightmare on Elm Street“ hatte der US-Regisseur bereits einige Genre-Bretter vorgelegt, denen noch einige gelungene Werke folgen sollten. 1996 belebte er den fast vergessenen Teenie-Slasher mit „Scream“ neu, was bis heute Fortsetzungen und dutzende ähnliche Fahrwasser-Filmchen zur Folge hatte. Nachdem „A Nightmare on Elm Street“ 1984/85 zum kommerziellen Hit und mit Freddy Krueger ein diabolischer wie kultiger (und im Laufe seiner langen Karriere sogar ikonisch verehrter) Antagonist geschaffen wurde, war die Erwartungshaltung des Publikums natürlich hoch. Welchen Horror hatte Wes Craven sich dieses Mal einfallen lassen, um die Zuschauer zu schocken?

Nun, eigentlich war das im Fall von „Der tödliche Freund“ überhaupt nicht seine Intention. Vielmehr schwebte ihm und Drehbuchautor Rubin ein von der Story getriebener Teeniefilm mit Sci-Fi-Elementen vor, der sich auf die Beziehungen der Charaktere fokussiert. Also nah am Ursprungsmaterial von Diana Henstell. Doch ebenso wie das Publikum, erwartete man auch beim produzierenden Studio WARNER BROS. einen waschechten Horrorfilm, da der Erfolg von „A Nightmare on Elm Street“ natürlich liebend gern wiederholt worden wäre. Testvorführungen belegten diese Annahme. Also wurde noch mal ordentlich am Drehbuch geschraubt, Handlungselemente wurden entfernt und ein paar saftige Kills wurden hinzugeschrieben. Während der Nachdrehs war man durchaus kreativ, was besonders eine drastische Szene belegt. War aber wieder nicht richtig, denn nun hatte das Studio zu bemängeln, dass der Gore-Gehalt zu hoch sei. Also wurden ein paar Szenen vor dem finalen Release wieder entfernt, sodass sich ein gesundes Mittelmaß ergab. Und so wurde aus „Friend“ letztendlich „Deadly Friend“.

Genutzt hat es wenig, denn „Der tödliche Freund“ konnte sein Budget an den Kinokassen nicht wieder einspielen. Das hat der Streifen allerdings nicht verdient, denn trotz einer gewissen Naivität, die vor allem heute durch das damalige Verständnis von künstlicher Intelligenz noch befeuert wird, kann man ihm seinen schönen Retro-Charme nicht absprechen. Die Chemie zwischen den Darstellern stimmt, das Tempo ist angenehm und auch die Spannungskurve steigt stetig an. Dass Darstellerin Kristy Swanson („Highway zur Hölle“, „Buffy - Der Vampir-Killer“, „Das Phantom“) für ihre Rolle im späteren Verlauf extra ein Bewegungstraining bekam, um eine mechanische Gestik und Mimik zu imitieren, wirkt im Film zwar oft unfreiwillig komisch, dafür hat Craven aber ein paar durchaus fiese Stellen in petto, die Horrorfreunden gefallen werden.

BB goes BBlu

Der Publisher PLAION PICTURES bringt die schwarzhumorige „Frankenstein“-Variante (von denen es mittlerweile so Einige gibt…) von 1986 nun erstmals in HD-Qualität auf den deutschen Markt. Blu-ray und DVD sind in einem Mediabook untergebracht, welches zusätzlich ein 20-seitiges Booklet von Wieland Schwanebeck beinhaltet. Gemessen am Alter des Films, kann sich die Bildqualität durchaus sehen lassen. In den Extras verbirgt sich noch eine alternative Restauration, die jedoch gegenüber der Fassung, die man regulär im Menü startet, schon mit Einblendung des WARNER-Logos aus dem Rennen ist. Darüber hinaus gibt es Interviews mit Sam-Darstellerin Kristy Swanson, Drehbuchautor Bruce Joel Rubin, Effekt-Maskenbildner Lance Anderson und Charles Bernstein, der über die interessante musikalische Gestaltung spricht. Produziert wurden diese Clips 2021 vom US-Publisher SHOUT! FACTORY. Fast schon obligatorisch sind diverse Trailer und TV-Spots sowie eine Bildergalerie.

Fazit

Etwas angestaubter 80’s-Horror mit Charme, Herz und ein paar typisch makabren Stellen von Horror-Großmeister Wes Craven. Wer wissen möchte, welchen Schabernack man mit einem Basketball anstellen kann, kommt an der deutschen Blu-ray-Premiere nicht vorbei. Der Film liegt mit seiner FSK-16-Freigabe komplett ungeschnitten vor.

Wertung: 7

Bilder: © Plaion Pictures

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