Die Killerhand

Film-Kritik von Marcel Scharrenbroich / Titel-Motiv: © ‎justbridge entertainment

Take my hand, take my whole life, too…

High Five

Meine Großeltern hätten Anton (Devon Sawa) wohl noch altmodisch als klassischen Taugenichts bezeichnet. Als jemanden, der endlich mal sein Leben in den Griff bekommen und den Arsch hochkriegen soll. Von nichts kommt schließlich nichts… und schon gar nicht, wenn man den lieben langen Tag bekifft vor dem Fernseher des elterlichen Hauses hockt und sich in Unterwäsche stoned Cartoons reinzieht. Allerdings wissen wir spätestens seit Jeffrey Lebowski auf der Bildfläche erschien, dass Gammel-Look und regelmäßiger Cannabis-Konsum durchaus einen „dudigen“ Lebensstil wiederspiegeln können. Von Lebowskis abgehangener Coolness ist der tiefenentspannte Teenager aber noch einige Schritte (und den einen oder anderen White Russian) entfernt. Selbst Antons Eltern (Fred Willard & Connie Ray) scheinen bereits Hopfen und Malz aufgegeben zu haben, dass aus ihrem Spross noch was Gescheites wird. Wahrscheinlich würden sie eh nur gegen eine Wand aus THC-haltigem Dampf anreden, denn viel zu sagen scheint man sich im Hause Tobias nicht zu haben. So fällt es Anton nämlich zuerst gar nicht auf, dass er seine Eltern bereits seit Tagen nicht mehr gesehen hat.

Von seinen Kiffer-Kumpels Mick (Seth Green) und Pnub (Eldon Henson) hat Anton keinen Gras-Nachschub zu erwarten und scheppert sich dafür ein hausgemachtes Pfeifchen aus Muskatnuss und Oregano in die Rüstung. Das bekommt ihm eher semi-gut und er beschließt stattdessen den Magen zu füllen, anstatt die Lunge zu teeren. Da sieht er (etwas zu spät), dass Blut am Küchenmesser klebt und der Hund mit einem rausgerissenen Augapfel spielt. Geschockt und voller Panik nimmt Anton an, dass sich ein Irrer Zutritt ins Haus verschafft hat. Nicht ganz weit hergeholt… nur, dass er selbst der Killer zu sein scheint. Als er die Leichen seiner Eltern findet, bemerkt Anton, dass er die Kontrolle über seine Hand verloren hat. Die macht plötzlich was sie will, was auch die herbeigeeilten Kumpels Mick und Pnub schnell erfahren. Das eiskalte Händchen entpuppt sich als wahrlich kaltblütig und Anton rammt, ohne es zu wollen, Mick eine Flasche durch den Frontallappen. Der flüchtende Pnub wird kurzerhand mit einem schnittig aus dem Handgelenk geworfenen Sägeblatt gestoppt… beziehungsweise geköpft. Na Prost Mahlzeit.

Zeitgleich macht sich eine mit allen Wassern gewaschene Dämonenjägerin auf in die Stadt. Debi LeCure (Vivica A. Fox) hat bereits die gesamten Staaten durchquert, um die teuflische Präsenz aufzuspüren, die sich gerade in Antons Hand breitgemacht hat. Kollege Zufall spielt ihr in die Karten, als sie ein Muster entdeckt. Die Orte, in denen das dämonische Treiben zuvor für Unheil sorgte, ergeben auf einer Landkarte miteinander verbunden ein Pentagramm… und in dessen Mitte befindet sich Bolan, Antons Heimatstadt. So hat der überforderte Teenager nicht nur einige Tote (und Untote!) an der Backe, sondern muss sich trotz… oder besser gesagt WEGEN seines „Handicaps“ (hihi…) auch noch mit seinem heimlichen Schwarm Molly (Jessica Alba) arrangieren und ganz nebenbei vor einer ausgebufften Dämonenjägerin, die nicht lange fackelt, flüchten. Es wird eine harte Halloween-Nacht für alle Beteiligten. Turbulent und blutig… und turbulent… und blutig… und…

Zieh mal an meinem Finger…

…und heraus kommt nicht das, was man vielleicht erwarten würde, sondern ein Gaga-Slasher der schwer unterhaltsamen Art! 1999 war die durch den Erfolg von „Scream“ wieder erstarkte Teen-Horror-Welle noch in vollem Gange. Viele Nachahmer kopierten dessen lukratives Rezept einfach, indem sie einen maskierten Killer auf Schlitzer-Tour durch die örtlichen Highschools oder Colleges schickten, doch es fanden sich auch einige kreative Exoten unter dem Genre-Einerlei. Dazu gehörten „Jeepers Creepers“ (2001), „Final Destination“ (2000) und zweifelsohne „Die Killerhand“. Losgelassen hat diese der Regisseur Rodman Flender, der hauptsächlich Episoden von TV-Serien inszeniert, mit „Unborn - Kind des Satans“ (1991) und „Leprechaun 2“ (1994) zuvor jedoch schon Genre-Erfahrung sammeln konnte. Beides keine Sternstunden des Horrorfilms, dafür solide und amüsant. Dafür hat Flender für den kultigen Spaß ordentlich auf die Kacke gehauen und paart blutige Effekte mit brüllend komischen Slapstick-Einlagen. Eine Mischung, die sich im Horror-Bereich schon des Öfteren bewährt hat. An der Altersfreigabe hat sich im Gegensatz zu ähnlichen Vertretern nichts geändert, da „Die Killerhand“ schon 1999 ab 16 Jahren zugänglich war. Überraschend, denn die Kills fallen nicht gerade zimperlich aus. Irgendwann komme ich noch dahinter, wie bei der FSK die Altersfreigaben ausgewürfelt werden…

Daumen hoch!

Eigentlich unglaublich, dass man als Horror-Liebhaber so lange auf eine HD-Umsetzung warten musste. Und das, wo so mancher Titel schon in unzähligen Neuauflagen erschien, sodass jeder geneigte Filmsammler von so manchem Reißer gefühlt mindestens drei unterschiedliche Versionen im Regal stehen haben müsste. Dass immer mehr Streifen aus der C- und darunterliegenden Kategorien veröffentlicht werden, nachdem der B-Movie-Sektor schon reichlich abgegrast ist, macht einem das Hobby nicht gerade leichter. Schon gar nicht, wenn man weiß, dass einige Perlen noch unberührt in irgendwelchen dunklen Kammern vor sich hingammeln und auf eine würdige, längst überfällige Restauration warten. Zumindest können wir hinter „Die Killerhand“ nun einen Haken machen, denn trotz B-Charme und reichlich Logik-Löchern, ist der Fun-Streifen deutlich weiter oben in der Hit-Liste der launigen Horror-Filme zu finden. In den Videotheken (= analoge Streaming-Dienste, für die man noch das Haus verlassen musste) war er seinerzeit jedenfalls ein Renner… und zwar verdient!

Umso größer war die Überraschung, dass „Die Killerhand“ auch nach mehr als 20 Jahren nach ihrer Erstveröffentlichung noch funktioniert. Manche Gags sind zwar peinliche Rohrkrepierer mit Schubladen-Humor, aber das waren sie schon damals. Geschenkt. Mit aktuellen Komödien kann der Film es noch locker aufnehmen. Dafür gehört er zur Kategorie „Hirn aus, Film ab!“. Verhalten sich manche Charaktere unglaubwürdig und selten dämlich? Natürlich tun sie das… schließlich ist es eine US-Horror-Komödie der späten 90er. Da erwartet man nichts anderes. Saftige Splatter-Effekte und die One-Man-Show von Devon Sawa stehen hier im Vordergrund. Da ist es nicht von der „Hand“ zu weisen, dass Bruce Campbells (Selbst)zerstörungs-Orgie aus „Tanz der Teufel II“ hier Pate stand. Dessen Hand entwickelte dank Besessenheit ebenfalls ein Eigenleben und zog den armen Ash quer durch die Bude und richtete mit ihm in Schlepptau ein Chaos erster Güte an. Ähnlich engagiert geht Sawa in die Vollen und lässt dem Wahnsinn freien Lauf. Das ist handwerklich sehr gut inszeniert und oftmals brüllend komisch. Beispielsweise wenn Dexter Holland, Sänger der Punk-Band The Offspring, quasi aus dem Nichts heraus vom Händchen skalpiert wird. Der Soundtrack kann sich ebenfalls hören lassen. Es sind Tracks von Mötley Crüe, Rancid, Rob Zombie, The Living End und eben The Offspring zu hören, die unter anderem den Ramones-Hit „I Wanna Be Sedated“ ziemlich gelungen covern.

 

Gutes Händchen beim Casting

Hauptdarsteller Devon Sawa trägt den Film. Rund um den Jahrtausendwechsel war er mit „Punk!“, „Breaking Out - Gegen alle Regeln“, „Schuldig - Ein mörderischer Auftrag“, „Final Destination“ und „Extreme Ops“ ziemlich präsent in der Filmwelt, schaffte aber nie den großen Sprung in Hollywoods A-Liga. In den Staaten ist er aktuell in drei Episoden der neuen Serie „Chucky“, basierend auf den in Deutschland gleichnamigen Filmen mit und um den kleinen Good Guy-Satansbraten von Don Mancini, und im Cast der Horror-Comedy „Black Friday“, wo er ab dem 19. November auf AMAZON PRIME an der Seite von Bruce Campbell und Michael Jai White zu sehen ist, vertreten. Sawas Co-Stars in „Die Killerhand“ sind ebenfalls keine unbeschriebenen Blätter.

Allen voran die damals gerade 18-jährige Jessica Alba. Von James Cameron („Terminator“, „Titanic“, „Avatar“) produziert, lief ihre Serie „Dark Angel“ von 2000 bis 2002 im TV, wurde aber nach nur zwei Staffeln wegen geringer Einschaltquoten und zu hohen Produktionskosten eingestellt. Alba blieb dennoch im Geschäft und fokussierte sich weiterhin auf Kino-Auftritte. Man sah die ehemalige Sexiest Woman in the World (2007 von den Lesern der Zeitschrift „FHM“ auf Platz 1 gewählt) in den Comic-Adaptionen „Sin City“ und „Fantastic Four“ (sowie deren Fortsetzungen), „Into the Blue“, dem Horror-Remake „The Eye“, dem düsteren Noir-Thriller „The Killer Inside Me“ und den beiden „Machete“-Schlachtplatten von Robert Rodriguez.

Antons untote Sidekicks werden von Seth Green und Elden Henson gespielt. Beide kennt man aus zahlreichen Rollen in Film und TV. Green konnte schon vor „Die Killerhand“ auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. So spielte er 1987 in der Woody Allen-Komödie „Radio Days“, der romantischen Teenie-Komödie „Can’t Buy Me Love“ mit Patrick Dempsey, dem kultigen TV-Zweiteiler „ES“, dem glibberig-ekeligen B-Reißer „C2 - Killerinsekt“, in „Der Staatsfeind Nr.1“ an der Seite von Will Smith und Gene Hackman und natürlich den angenervten Sohn von Dr. Evil in den „Austin Powers“-Filmen. Von Staffel 2 bis 4 gehörte Green als Werwolf Oz zum festen Cast der Serie „Buffy - Im Bann der Dämonen“ und ist außerdem die Originalstimme von Chris Griffin aus „Family Guy“. Seit 2005 ist er Mit-Erfinder und Produzent der Stop-Motion-Comedy „Robot Chicken“, die vor allem durch ihre saulustige „Star Wars“-Veralberung bekannt wurde. Neben weiteren Gastauftritten in nahezu allen TV-Serien (von „Community“ über „Grey’s Anatomy“ bis hin zu „Heroes“ und „Die wilden Siebziger“) lieh er seine Stimme Leonardo in der NICKELODEON-Serie „Teenage Mutant Ninja Turtles“, King Kong im „The LEGO Batman Movie“, Howard the Duck in MARVELs „Guardians of the Galaxy“-Filmen und sprach den Charakter Jeff „Joker“ Moreau in den erfolgreichen „Mass Effect“-Games“, welcher auch an Seth Greens Aussehen angepasst wurde.

Elden Henson hatte sein TV-Debüt in der Serie „Unglaubliche Geschichten“, bevor er in der Soap „Jung und Leidenschaftlich“ und dem 80er-Hit „Ein Engel auf Erden“ zu sehen war. 1992 schloss er sich dann dem Team der „Mighty Ducks“ an. Für das Außenseiter-Drama „The Mighty - Gemeinsam sind sie stark“, wo er mit hochkarätigen Stars wie Sharon Stone, Gillian Anderson, Harry Dean Stanton, James Gandolfini und Meat Loaf vor der Kamera stand, erntete Henson viel Lob. Des Weiteren sah man ihn in „Eine wie keine“, der Shakespeare-Modernisierung „O - Vertrauen, Verführung, Verrat“, der Gurke „Dümm und dümmerer“, die nur noch von der offiziellen Fortsetzung unterboten wurde, dem dafür unglaublich guten „Butterfly Effect“ und den beiden ersten Filmen der „Die Tribute von Panem“-Reihe. Präsenter war Henson ab 2015 im TV, denn er spielte eine dauerhafte Rolle in NETFLIX‘ „Daredevil“. Als Anwalt Foggy Nelson trat er ebenfalls in den übergreifenden MARVEL-Serien „The Defenders“, „Jessica Jones“ und „Luke Cage“ auf, denen nach und nach allesamt der Stecker gezogen wurde. Ob es ein Wiedersehen mit Foggy & Co. im MARVEL CINEMATIC UNIVERSE (MCU) gibt, steht (noch) in den Sternen.

Hand drauf!

Wer sich das kürzlich erschienene „Die Killerhand“-Mediabook von JUSTBRIDGE sichern möchte, sollte schnell sein… denn erfahrungsgemäß sind solche limitierten Auflagen heiß begehrt. Allerdings sollte es nicht lange dauern, bis man eine reguläre Keep-Case-Variante für den schmaleren Geldbeutel nachschiebt. Bei der Ausstattung sollte man aber nicht zu viel erwarten, da sich lediglich ein vom Regisseur eingeleitetes alternatives Ende auf den Discs (Blu-ray & DVD) befindet. Dieses ist allerdings sehr interessant, da es sich stark vom letztlich verwendeten Finale unterscheidet. Ursprünglich sollte es in der Schwimmhalle der Highschool zum Showdown kommen, was dann aber verworfen wurde, da der ernste Ton nicht zum Rest des Films zu passen schien. Würde ich so jetzt nicht unterschreiben, denn trotz unfertiger Effekte macht das geplante Ende einen recht guten Eindruck. Dazu muss gesagt sein, dass mir das letztendlich neu gedrehte Ende etwas zu klamaukig geraten ist und in meinen Augen den größten Schwachpunkt des Filmes darstellt.

Beim Bild der Blu-ray gibt es nicht viel zu meckern. Das ist meist sauber und bis auf wenige Ausnahmen auch recht scharf. Auch hier sollte man die Qualitätsansprüche nicht an denen einer brandneuen Hochglanz-Multi-Millionen-Dollar-Produktion messen. Der Schuss würde nach hinten losgehen und es wäre unfair dem Publisher gegenüber. Ich bin jedenfalls zufrieden mit der Veröffentlichung. Sowohl mit dem lustig-überdrehten Horror-Klamauk als auch dem Mediabook von JUSTBRIDGE. Dessen (geklammerter und eingeklebter) Buchteil vom geschätzten Christoph N. Kellerbach umfasst 20 schön gestaltete Seiten und hat neben Szenenbildern interessante Einblicke rund um die Entstehung des Films zu bieten. Lediglich das quasi nicht vorhandene Innen-Artwork hinter den Discs hätte man besser lösen können. Apropos „lösen“: Das Back-Paper mit Credits und den technischen Angaben wurde mit einem Klebepunkt auf der Rückseite angebracht. Das ungeliebte FSK-Logo hingegen befindet sich erfreulicherweise AUF der Folie.

Fazit

Ein durchaus gelungenes Mediabook zum akzeptablen Preis. Sauberer Cover-Druck und kräftige Farben… das Auge isst ja schließlich mit. Der Film selbst war und ist eine Horror-Spaß-Granate, die man immer wieder schauen kann. Nicht nur zur Halloween-Zeit eine überdreht-launige Gaga-Parade mit einem blendend aufgelegten (wenn teilweise auch grenzdebilen) Cast. Zwei kleine Beispiele gefällig? Es macht mir Sorgen, dass mir das brutale Ableben von Antons Eltern näher ging als dem Vorzeige-Sohn selbst. Und dann noch Jessica Alba, die einem blutverschmierten Fremden erst den Weg in ihr Zimmer und anschließend in ihr Höschen zeigt. Junge, Junge… solche Erdloch-großen Story-Löcher sollte man vielleicht mit dem Vorspann direkt ausblenden und weiterhin missachten, dann wird’s ein runder 97 Minuten-Fun-Trip. Hand drauf!

Fotos: © ‎justbridge entertainment

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