Halloween - Filmtipps 3

von Marcel Scharrenbroich

WATCH OR TREAT III oder „Horror zum Runterkommen“

Nennt mich Nostradamus…

Hatte ich in den letztjährigen Halloween-Filmtipps noch prophezeit, dass das Jahr 2021 erstmal beschissen weitergeht, wissen wir nun: Ich hatte recht! Der runde Komiker von der Partei mit den drei Buchstaben kriegt es nicht gebacken, eigenhändig seinen Schreibtisch leerzuräumen (braucht wohl Pack-Hilfe aus Bayern), das Wetter hat den meisten von uns den Sommer und ziemlich vielen Menschen die ganze Zukunft versaut, der alltägliche Hass zeigt eine Fratze, die nicht mal ein Jason unter einer Maske verstecken könnte, und selbst nach den alltäglichen Horror-Nachrichten macht es keinen Spaß mehr, beim Fußball abzuschalten. Nicht, wo wir in grenzenlosen Jubel bei einem Sieg über Liechtenstein verfallen sollen, wie bei einen WM-Sieg… und schon gar nicht, wenn sich mir beim Marktwert der Spieler der Kopf schneller im Kreis dreht als es der verschobene Wirsing von Regan MacNeil je könnte! Das Jahr ist fast rum und Corona ist auch immer noch ein Thema… oder wie wir Pessimisten optimistisch sagen: Pandemie-Halbzeit. Wer hätte das gedacht? Nicht, dass wir keinen Impfstoff hätten. Gleich mehrere stehen für Freunde des vielfältigen Angebots parat. Doch gerade diejenigen, die sich bei Impfungen für Urlaubsreisen ins Ausland ungefragt doppelt und dreifach perforieren lassen, tun so, als wäre Edward mit den Spritzenfingern hinter ihnen her. Wird wohl noch ein längeres Spielchen werden, aber jeder so, wie er mag. Mit Zwang ist auch niemandem wirklich geholfen, was den Keil wohl nur weiter in die Gesellschaft treiben würde. Also erstmal weiter im Text… mit Masken, Abstand, 3G und 2G… obwohl mir vernünftiges 5G eigentlich am liebsten wäre.

So, genug aufgeregt. Sonst kommt noch Dr. Mabuse und verpasst mir nicht nur die dritte Dröhnung, sondern gleich noch die letzte Ölung. Trotz des alltäglichen Wahnsinns sollten wir nicht vergessen, dass das herbstliche Kürbisfest wieder vor der Tür steht. Und was läge da näher, als die Nacht mit ein paar gepfefferten Schocks einzuläuten, bevor der Blick in die Morgenzeitung uns wieder den Rest gibt? Richtig… nichts. Also legt die Blutdruck-Senker bereit, nippelt kurz am Baldrian und putzt die Opium-Pfeifen, denn jetzt folgen ein paar Film-Empfehlungen, um Euch die Nachtruhe zu verkürzen.

„Dr. Giggles“

(USA 1992)

Steigen wir mit einer kleinen Horror-Perle ein, die den Löwenanteil ihres Daseins in der Dunkelkammer verbrachte. „Dr. Giggles“ wurde in Deutschland 1994 indiziert und erst Ende 2016 wieder rausgelassen. Und das, obwohl diese Fassung bereits um einige Minuten für eine Freigabe entschärft wurde. Um die FSK 18-Fassung sollte man auch heute noch einen Bogen machen, da diese ebenfalls die ursprüngliche Cut-Version enthält. Glücklicherweise gibt es aber ungeprüfte Mediabooks von Xcess Entertainment, auf denen sich die komplett synchronisierte Uncut-Fassung befindet. Inhaltlich folgt der Film bester Slasher-Tradition, bei der ein Teenager nach dem anderen (und jeder, der sich dem medizinischen Aushilfspersonal sonst so in den Weg stellt) möglichst kreativ über den Jordan geschickt wird. Da geht es schon ordentlich zur Sache… aber wieso die vom Härtegrad ähnlich angelegten Genre-Kollegen von der FSK grünes Licht bekommen haben, während der eifrige Learing-by-Doing-Doktor für den regulären Handel kastriert wurde, bleibt mir schleierhaft. Zur Erinnerung: „Tanz der Teufel“ ist uncut ab 16 Jahren freigegeben. Da hat der Schnetzler mit der weißen Kutte wohl einen schlechten Tag in der Prüfungs-Etage erwischt…

Evan Rendell wäre so gerne wie sein Vater geworden. Der war einst ein angesehener Arzt, bevor er nach dem Tod seiner Gattin dem Wahnsinn verfiel. Er ermordete seine Patienten, während Klein-Evan die Instrumente schon mal an seiner Stofftier-Kundschaft ausprobierte. Die Bewohner des Städtchens Moorehigh nahmen dem Doc sein Treiben freilich übel und übten Selbstjustiz. Mittlerweile ist Evan Rendell (Larry Drake) erwachsen und befindet sich – oh Wunder! – in der Irrenanstalt. Wegen seines verstörenden Kicherns wird er nur „Dr. Giggles“ genannt. Eines Tages gelingt ihm – oh Wunder!!! – die Flucht und es zieht ihn zurück in seine alte Heimat. Dort lebt die Teenagerin Jennifer Campbell (Holly Marie Combs), die an einem Herzfehler leidet. Da wäre es eigentlich praktisch, wenn ein Doktor im Haus ist, nicht wahr? Nun, es mag nicht überraschen, dass Jennifers und Evans Wege sich kreuzen, wobei „Dr. Giggles“ seine blutige Spur rachsüchtig durch die ganze Kleinstadt zieht. Schließlich möchte er das Werk seines Vaters vollenden und trotz fehlender Approbation eine Herztransplantation durchführen. Dabei veranstaltet der selbsternannte Halbgott in Weiß eine ordentliche Sauerei, die sich sehen lassen kann.

Die Rolle des psychopathischen Even Rendell ist dem Schauspieler Larry Drake (1950 – 2016) wahrlich auf den Leib geschrieben. Sein durchdringender, eiskalter Blick, gepaart mit dem wahnsinnigen Kichern eines komplett Gestörten, hat schon Kult-Potential mit Wiedererkennungswert. Allerdings blieb es bei einem Film, obwohl parallel sogar eine Comic-Umsetzung erschien. Der amerikanische Verlag DARK HORSE hatte bei der Produktion seine Finger im Spiel (ebenso bei den Filmen „Die Maske“, „Timecop“, „Barb Wire“, „Virus“ oder „Mystery Men“ und den „Hellboy“- und „Alien vs. Predator“-Franchises, die allesamt auch in Comic-Form veröffentlicht wurden) und brachte Ende 1992 zwei Ausgaben von „Dr. Giggles“ heraus. Zuvor wurde der Charakter bereits in den Heften #64 bis 66 des hauseigenen Comic-Magazins „Dark Horse Presents“ etabliert. Neben Drake, den man auch als Bösewicht Robert G. Durant aus Sam Raimis „Darkman“ (und der eher mauen Fortsetzung) kennt, trifft man auf eine junge Holly Marie Combs als Jennifer. Combs dürfte den meisten ein Begriff durch die langlebige TV-Serie „Charmed“ sein, in der sie acht Staffeln lang als Piper Halliwell zu sehen war. Damit ist „Dr. Giggles“ gut besetzt, knackig von Regisseur Manny Coto inszeniert und mit seinen kernigen One-Linern ein echter 90’s-Heuler mit hohem Unterhaltungsfaktor.

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„The Lazarus Effect“

(USA 2015)

Beim Erwecken von Toten denken wir wohl am ehesten an Viktor Frankenstein oder vielleicht noch den „Re-Animator“ Herbert West. Irgendwo zwischen „Flatliners“, „Hollow Man“ und den bereits genannten Vertretern, finden sich die beiden Wissenschaftler Frank Walton (Mark Duplass) und seine Verlobte Zoe McConnell (Olivia Wilde) wieder. Sie haben ein Serum namens Lazarus entwickelt, welches in der Lage ist, Tote wieder zum Leben zu erwecken. Ebenso wie bei der Entdeckung vieler Medikamente, spielte auch hier der Zufall eine große Rolle, denn eigentlich zielte ihre Forschung darauf ab, Koma-Patienten zu helfen. Gemeinsam mit ihren Freunden Niko (Donald Glover), Clay (Evan Peters) und der neu ins Team aufgenommenen Eva (Sarah Bolger), die die Fortschritte mit einer Kamera dokumentiert, wagen Frank und Zoe einen Versuch. Sie injizieren das Lazarus-Serum in das Hirn eines toten Hundes. Nach anfänglichen Zweifeln (und mehreren Stromstößen) ist der Vierbeiner tatsächlich schnell wieder putzmunter. Scheinbar ein voller Erfolg. Sogar noch mehr, denn der graue Star des Hundes ist nach der wundersamen Erweckung ebenfalls verschwunden. Die Freude über den Ausgang des Experiments währt jedoch nicht lange. Rocky zeigt schon bald Verhaltensauffälligkeiten. Es lässt sich nicht verleugnen, dass das Serum kräftig in seinem Gehirn rumpfuscht. Zu allem Überfluss werden den Wissenschaftlern dann noch alle Mittel gestrichen. Nicht nur das. Der Dekan der Universität lässt das Labor schließen, nachdem Informationen über die Experimente nach außen gedrungen sind. Ein mächtiger Pharma-Konzern hat die Firma, die die Forschungen finanziert, geschluckt und konfisziert alle Unterlagen. Alles für die Katz? Nicht ganz…, denn Eva hat noch eine Schlüsselkarte zum Labor und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dringt das Team verbotenerweise ein, um das Experiment zu wiederholen. Nur so können sie beweisen, dass sie es waren, die für diesen medizinischen Durchbruch die Lorbeeren verdienen. Als Zoe den Stromstoß einleitet, knallen jedoch plötzlich alle Sicherungen durch und es wird dunkel. Eine tödliche Ladung schoss durch ihren Körper und sie bleibt leblos auf dem Boden liegen. Alle Wiederbelebungsversuche scheitern. Eine Tragödie, die Mark so unmöglich akzeptieren will und kann… schließlich ist noch genügend vom Lazarus-Serum vorhanden.

Produziert von Jason Blums Horror-Schmiede BLUMHOUSE, in der neben großen Kino-Projekten gerne auch mal kleinere Produktionen finanziert werden, lief „The Lazarus Effect“ den namhaften und bereits etablierten Vertretern des Studios weitestgehend chancenlos hinterher. „Conjuring“ und „Insidious“ hatten ihr Publikum bereits gefunden und bei uns schaffte es der eigentlich sehr prominent besetzte Horror-Thriller erst gar nicht in die Kinos. Dennoch spielte die 3,3 Millionen Dollar-Produktion beinahe das 12-fache ihrer Kosten wieder ein. Die Kritiker hingegen waren weniger gnädig und watschten den Film größtenteils ab. Nicht verdient, wie ich finde. „The Lazarus Effect“ erfindet das Rad zwar nicht neu, bietet dafür aber eine spannende Atmosphäre und gut platzierte Schreckmomente. Die Darsteller spielen allesamt souverän und ich mag den Look des Films. Die düster-kühle Umgebung des Uni-Labors liefert dafür das bestens geeignete Setting, um eine stets bedrohliche Stimmung aufzubauen. Regisseur David Gelb ist eigentlich dafür bekannt, Dokumentationen zu drehen, macht sich allerdings als Horror-Regisseur durchaus gut. Ein kurzweiliger Reißer, der sich hervorragend als Halloween-Fast Food eignet und ohne große Längen auskommt.

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„Come Play“

(USA 2020)

Kommen wir nun zu einem recht aktuellen Genre-Vertreter. Im Trailer wird „Come Play“ als bester Horrorfilm des Jahres angepriesen… und das würde ich so fast unterschreiben. Kollegen wie den neusten „Conjuring“-Ableger und „Don’t Breathe 2“ steckt er überraschend in die Tasche und den gurkigen „Saw: Spiral“, für dessen aufgewärmte Idee man Chris Rock nachträglich noch ins tiefste Loch sperren sollte, lässt er wie einen schlechten Witz aussehen. Freilich kennt man thematisch ähnliche Filme (gebeutelte Familie + heimgesuchtes Kind + übernatürliche Bedrohung), da kann und will „Come Play“ auch keinen Sonderstatus beanspruchen. Jedoch ist die Inszenierung derart hervorragend, dass ich gleich mehrfach zusammengezuckt bin, wie schon lange nicht mehr. Regisseur Jacob Chase hat seinen fünfminütigen Kurzfilm „Larry“ aufgegriffen, um ein echtes Horror-Highlight mit Drama-Einflüssen auf die Beine zu stellen. Er spielt mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer und bringt die moderne Kommunikationstechnik kreativ ein, um wirkungsvolle Schocks zu erzielen.

Oliver (Azhy Robertson) ist ein autistischer Junge. Er spricht nicht und kommuniziert nur über ein Smartphone bzw. Tablet. Seine Eltern Sarah (Gillian Jacobs) und Marty (John Gallagher Jr.) machen sich Sorgen, denn in der Schule hat der Junge keine Freunde. Stattdessen ist er regelmäßig Zielscheibe für Spott und Hohn seiner Mitschüler. Die Anspannung ist jedem anzumerken. So sehr, dass immer mehr der Haussegen schiefhängt und Marty kurzzeitig auszieht. Als eine mysteriöse App in Form eines gruseligen Kinderbuchs auf Olivers Tablet erscheint, wird es jedoch richtig turbulent im Leben der Familie. Die Geschichte „Misunderstood Monsters“ handelt von einer Kreatur namens Larry. Larry ist allein und hat keine Freunde. Und je mehr Oliver Larrys Geschichte Aufmerksamkeit schenkt, desto größer ist es im Interesse der deformierten Gestalt, seine Einsamkeit hinter dem Bildschirm gegen einen Horror-Trip in unsere Welt einzutauschen…

Wer jetzt mit berechtigtem Entsetzen an den ätzenden Kreisch-Braten aus „Der Babadook“ denkt, darf erleichtert aufatmen. Jungschauspieler Azhy Robertson („Marriage Story“) liefert großartig ab. Seine Figur weckt schnell einen Beschützerinstinkt und auch die gebeutelten Eltern wachsen einem schnell ans Herz. Allen voran Gillian Jacobs („Fear Street“, TV-Serien „Community“ und „Love“), der der Schmerz förmlich ins Gesicht geschrieben steht, dass ihr Sohn ihr noch nie in die Augen geblickt hat. Die Angst vor Einsamkeit und die Sehnsucht nach Normalität sind stets greifbare Ebenen, die gekonnt Brücken durch das Horror-Drama bauen. Also haben wir starke Schauspieler, eine gelungene Story, einen fähigen Regisseur, treffsichere Schockmomente… und mit Larry einen Antagonisten, gegen den der verkackte Slender Man wie der Li-La-Launebär rüberkommt.

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„Werwolf von Tarker Mills“

(OT: „Silver Bullet“; USA 1985)

Ein Werwolf-Kracher darf bei einem gepflegten Grusel-Abend nicht fehlen. Wer den Genre-Primus „An American Werewolf in London“ schon mitsprechen kann, bei Joe Dantes eher behäbigen „The Howling“ regelmäßig auf die Uhr schaut und auf NETFLIX schon Wes Cravens zu Unrecht verrissenen „Cursed - Verflucht“ geschaut hat, sollte mal im reichhaltigen Stephen King-Fundus wühlen. Dort ist Regisseur Daniel Attias, der seit den frühen 80ern TV-Serien wie „Six Feet Under“, „The Sopranos“, „Alias“, „Dr. House“ oder „Homeland“ inszeniert, ebenfalls fündig geworden. Er adaptierte Kings Kurzgeschichte „Das Jahr des Werwolfs“ – einst illustriert vom fantastischen Bernie Wrightson – und das Werwolf-Genre war um einen weiteren Mitspieler angewachsen.

Im verschlafenen Nest Tarker’s Mills kennt jeder jeden. Eigentlich ist dort nicht viel los… höchstens mal ein gemütliches Volksfest hier und da. Da fällt so eine Mord-Serie natürlich gleich auf. Vor allem, wenn sie derart bestialisch und willkürlich ist, dass sich bald niemand mehr sicher fühlt. Einzig der elfjährige Marty (Corey Haim) hat schon früh den richtigen Riecher. Allerdings ist dessen These so steil, dass der auf einen Rollstuhl angewiesene Junge mit seiner Werwolf-Vermutung nur auf taube Ohren stößt. Selbst sein Onkel Red (Gary Busey), das ausgewiesene schwarze Schaf der Familie, das gerne mal einen tiefen Blick in die Flasche wirft und nach Trennungen hin und wieder auf der Couch der Familie Coslaw nächtigt, hält Martys Verdacht für arg überzogen. Doch Red hat trotz seiner Ecken und Kanten das Herz am rechten Fleck und versucht Verständnis für seinen Lieblings-Neffen aufzubringen. Währenddessen macht die Stadt eigenmächtig mobil und fährt schwere Geschütze auf. Als Martys bester Freund ermordet aufgefunden wird, bewaffnen sich die Männer der Stadt, um den Killer zu stellen. Eines Nachts, als Marty mit seinem motorisierten Rollstuhl eine Spritztour macht, steht er dem Monstrum plötzlich Auge in Auge gegenüber. Er kann den Werwolf verletzen und in letzter Sekunde entkommen. Daraufhin spannt Marty seine ältere Schwester Jane (Megan Follows) ein, um alle männlichen Einwohner von Tarker’s Mills genauer unter die Lupe zu nehmen. Irgendjemand sollte eine auffällige Verletzung haben…

Machen wir uns nichts vor: Die Story ist dünn und hier und da finden sich Logiklöcher. Der Werwolf ist keine tricktechnische Meisterleistung und das Budget war überschaubar. Macht aber alles nix, denn der Film hat Charme. Wenn der Junge, dem keiner seine abenteuerliche Geschichte glaubt, auf eigene Faust ermittelt, ist das einfach spannend und triggert den Detektiv-Sinn. Hauptdarsteller Corey Haim war in den 80ern ein aufstrebender Jung-Star, der den Ruhm, dem ihm Filme wie „Lucas“, „The Lost Boys“ oder „Daddy’s Cadillac“ einbrachten, nicht verpacken konnte. Der drogenreiche Absturz folgte und die großen Rollen blieben aus. Haim verstarb 2010 im Alter von nur 38 Jahren. Der mittlerweile 77-jährige Gary Busey, das inoffizielle Gesichtsdouble von Boris Johnson, hielt sich hingegen wacker, obwohl er Ende der 80er-Jahre einen Motorrad-Unfall nur knapp überlebte. Als Onkel Red ist der sympathische Chaot ein absoluter Scene-Stealer. Stets mit dem Wahnsinn auf Du und Du, fühlte sich der Oscar-nominierte Schauspieler sichtlich wohl in seiner Rolle. Busey spielte von TV-Serien, hochkarätigen Hollywood-Produktionen bis hin zum Trash der C-Kategorie so ziemlich alles. Darunter Rollen in „Die Buddy Holly Story“, „Lethal Weapon“, „Predator 2“, „Alarmstufe: Rot“, „Die Firma“, „Lost Highway“ und in der… „Sharknado“-Reihe. Tja, das vergessen wir jetzt mal ganz schnell und erfreuen uns an seiner Onkel Red-Darbietung. Mit ein Grund, warum ich diesen sympathischen Film immer wieder schauen mag. Ich sag nur zwei Worte: „Ta-daaaaaaaaaaaaaaaaa!

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„The Empty Man“

(USA 2020)

Nach „Come Play“ mein zweites Horror-Highlight des Jahres. Der „Candyman“ hatte 2021 zwar ebenfalls sein Comeback (sogar ein sehr sehenswertes!), aber ein anderer Bursche hat es mir noch mehr angetan. Um den Empty Man zu beschwören muss man sich nicht vor einen Spiegel stellen und fünfmal dessen Namen sagen, dafür auf einer Brücke in eine Flasche pusten… klingt komisch, is‘ aber so. Hat man den Sack dann an der Backe, ist der Zug auch schon halbwegs abgefahren. Es darauf herunterzubrechen, würde dem mit 138 Minuten überlangen Horror-Thriller aber nicht im Ansatz gerecht.

Die Geschichte beginnt im südasiatischen Bhutan im Jahr 1995, in den luftigen Höhen des Himalayas. Dort sind vier Freunde auf einer Trekking-Tour, als Paul (Aaron Poole), nachdem er ein pfeifendes Geräusch vernimmt, in eine Felsspalte stürzt. Sein besorgter Freund Greg (Evan Jonigkeit) klettert hinterher und entdeckt dort eine unterirdische Höhle. Dort hockt Paul wie in Trance vor einem monströsen Skelett. Greg missachtet Pauls Warnung, ihn nicht anzufassen, und schafft den Weggetretenen wieder an die Oberfläche. Die beiden Männer und ihre Freundinnen finden Unterschlupf in einer verlassenen Hütte, wo sie sich während eines Schneesturms kurzzeitig in Sicherheit wähnen. Am nächsten Tag macht Ruthie (Virginia Kull) die Bekanntschaft mit etwas Übernatürlichen. Direkt vor der Hütte rast eine Gestalt auf sie zu, doch sie kann sich in die Hütte retten. Es bleibt mysteriös, denn am dritten Tag in der eisigen Kälte ist Paul plötzlich verschwunden. Sie finden ihn meditierend vor einer Hängebrücke, wo Paul auf einer alten Flöte bläst, die er in der Höhle fand. Dort nimmt das Drama seinen Lauf… Einen harten Schnitt später finden wir uns 2018 in Missouri wieder. Mitten in der Zivilisation. Hier hat der Ex-Cop James Lasombra (James Badge Dale) mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen, nimmt jedoch trotzdem die privaten Ermittlungen in einem Vermisstenfall auf. Amanda (Sasha Frolova), die Tochter seiner Nachbarin und guten Freundin Nora (Marin Ireland) verschwindet plötzlich spurlos. Im Badezimmer wurde mit Blut der Satz „Der Empty Man hat mich dazu gebracht“ an den Spiegel geschmiert. Nora ist verzweifelt und die Polizei ratlos… bzw. nicht wirklich daran interessiert, den Fall zu lösen. James jedoch gräbt tiefer. Als er in Amandas Umfeld auf Spurensuche geht, stößt er auf die Sage des Empty Man. Dass man ihn mit einer Flasche auf einer Brücke rufen kann. Nur eine düstere Legende? Seltsame Vorfälle häufen sich. Teenager, die sich zunehmend merkwürdig verhalten. Einige werden ebenfalls vermisst. Als die Hinweise James zu einer mysteriösen Sekte führen, beginnt erst sein ganz persönlicher Albtraum.

„The Empty Man“ von Regisseur und Drehbuchautor David Prior nimmt sich Zeit. Das ist bei einer für einen Horrorfilm unüblichen Lauflänge auch gut gewählt. Die ersten 20 Minuten in Bhutan wirken schon wie ein ganz eigener Film, bevor die Handlung mit dem Vorspann in die Gegenwart wechselt und sich von einem Detektiv-Thriller langsam in einen waschechten Schocker mit doppeltem Boden hochschraubt. Die Entstehungsgeschichte von „The Empty Man“ ist dabei mindestens so abenteuerlich, wie die Story selbst. Größtenteils schon 2016 gedreht, lagen der Produktion einige Stolpersteine im Weg. Wechsel in der Führungsetage von 20TH CENTURY FOX, der Aufkauf durch DISNEY, eine zu eilige Fertigstellung des Schnitts für Testvorführungen (wovon man letztendlich aber absah und Prior die finale Schnittfassung fertigstellen ließ) und selbstverständlich unser neuer täglicher Begleiter COVID. Im Oktober 2020 startete der Film nach Verschiebungen und grenz-beschissenem Marketing doch noch in den Kinos, wo er wenig überraschend unterging. Hierzulande ist der Film im Sommer 2021 direkt bei DISNEY+ gelandet, wo er noch immer zum Abruf bereitsteht. Die Geschichte basiert lose auf der gleichnamigen Comic-Reihe von Autor Cullen Bunn und Zeichnerin Vanesa R. Del Rey. Die sechsteilige Mini-Serie erschien beim Publisher BOOM! STUDIOS, der auch führend in die Produktion des Filmes eingebunden war. Mit Zeichner Jesús Hervás folgte ab November 2018 eine achtteilige Comic-Fortsetzung, die im Juni 2019 beendet wurde. Comic und Film haben jedoch nur wenige Parallelen und stehen jeweils auf eigenen Beinen.

„Strange Dreams“

(OT: „Come True“; CA 2020)

Abschließend kommen wir zu einem Film, der mich unglaublich beeindruckt hat. Völlig ohne Vorkenntnisse und nicht ahnend, was da auf mich zukommt, hat mich „Strange Dreams“ eiskalt erwischt. Nicht nur wegen seiner surreal-hypnotischen Story und den entsprechenden Bildern, sondern auch wegen des eindringlichen Synthie-Soundtracks. Der stammt nämlich vom kanadischen Synth-Pop-Duo „Electric Youth“, die mit dem Song „A Real Hero“ (in Zusammenarbeit mit dem französischen Künstler „College“) bereits 2011 in Nicolas Winding Refns Neo(n)-Noir-Thriller „Drive“ den musikalisch-richtigen Riecher hatten. Stets düster und in unterkühlten Bildern, sind Träume das Kernthema des Films. Nach seinem Langfilm-Debüt „Our House“ (2018) ist „Strange Dreams“ Anthony Scott Burns zweite Regiearbeit, zu der er ebenfalls das Drehbuch verfasste. Nicht im klassischen Sinne Horror und damit nicht nur eine reine Halloween-Empfehlung, dafür ein cleveres, schwer durchschaubares Spiel mit Urängsten, das noch länger im Gedächtnis bleibt. Mitverantwortlich ist das Schauspiel der jungen Kanadierin Julia Sarah Stone („The Unseen“, TV-Serie „The Killing“).

Sarah Dunn hat sich mit ihrer Mutter überworfen und ist von Zuhause ausgerissen. Zwischen Schule und der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz für die Nacht, streift sie planlos umher. Als sie an einem schwarzen Brett die Annonce eines Schlaflabors entdeckt, greift sie kurzentschlossen zu. Damit schlägt sie gleich drei Fliegen mit einer Klappe: die mehrwöchige Teilnahme wird bezahlt, sie hat einen Ort zum Übernachten und kann so vielleicht etwas über die Albträume herausfinden, die sie seit längerer Zeit plagen und ihr regelmäßig den Schlaf rauben. Nach kurzer Zeit verschlechtert sich der Zustand der labilen Sarah allerdings merklich. Als sie während einer Befragung der Wissenschaftler mit einem schemenhaften Foto konfrontiert wird, erleidet sie einen Anfall. Zu sehen ist dort die dunkle, gesichtslose Gestalt aus ihren Träumen. Die gleiche bedrohliche Gestalt, die in den Träumen aller Probanden auftaucht…

„Strange Dreams“ ist einer dieser Filme, die unglaublich polarisieren. Es wird Leute geben, die die kühle Ästhetik nicht aufnehmen können und schnell in Richtung „Langeweile“ tendieren werden. Dann wird mit Sicherheit auch bemängelt werden, dass die Story wirr und unbefriedigend sei. Ist sie das? Wirr ist sie, keine Frage… gleichzeitig ist es aber auch einer dieser Streifen, bei denen der Abspann vor sich hinplätschert und man ganz vergisst abzuschalten, weil das Hirn noch versucht, die Puzzlestücke logisch zu arrangieren. Fast schon ein Arthouse-Mystery-Drama mit Sci-Fi-Einschlag und beunruhigenden Horror-Elementen. Sehr lange Einstellungen, zurückgenommene Dialoge und berauschende Klangteppiche, die sphärisch perfekt zur visuellen Umsetzung passen. Ein kunstvoller Independent-Diamant!

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Prophezeiung:

So… 2021 wäre jetzt also fast geschafft. Aber keine Angst, 2022 wird mit ziemlicher Sicherheit wieder viel kranker Scheiß passieren. Warum? Weil es immer so war. Aber so lange wir am Ende des Tages immer noch entspannt zu einem guten Buch greifen und launige Filmabende im Kreise der Liebsten genießen können, kann es nicht so schlimm sein. Erfreuen wir uns an den kleinen Dingen. An einem Blümelein am Wegesrand, zwitschernden Vögelchen, am bescheuerten Nachbarn, der kreischend die Kellertreppe hinunterstürzt, nachdem ich dort „zufällig“ die Altpapier-Kiste vergessen habe… hach, herrlich. Ich bin da echt genügsam und recht entspannt… es sei denn, das Internet fällt aus und alle Buchhandlungen schließen über Nacht dauerhaft. DANN GNADE EUCH GOTT!!!

Titel-Motiv Halloween-Kürbis: istock.com/darioZg

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