Gefährlich winzig:
Wunder und Schrecken
aus dem Mikrokosmos
von Michael Drewniok
Teil 1: Es ist nicht leicht, sehr klein zu sein
Einleitend einige erklärende Worte zu diesem Beitrag: Das Thema sind Reisen in oder Attacken aus einer Welt, die hier vereinfachend „Mikrokosmos“ genannt wird, obwohl es in den meisten Fällen nicht wirklich so tief hinab in atomare oder gar subatomare Sphären geht. Stattdessen spielen sich die Ereignisse in der Größenordnung von Zentimetern und somit knapp außerhalb der Aufmerksamkeit des normalmenschlichen Auges ab. Daher bleiben recht deutlich sichtbare Puppen à la Chucky, Annabelle oder Barbie ebenso außen vor wie Kobolde, Feen oder Gremlins (und Schlümpfe).
Kompliziert wird dieses Ausschlussverfahren beispielsweise dann, wenn ‚belebtes‘ Spielzeug im Kleinformat aktiv wird. Ausnahmen bestätigen deshalb die Regel dort, wo Archetypen geschaffen wurden, die das phantastische Genre geprägt haben. Definitiv ausgenommen sind zwar winzige, aber hirnarme oder gar -lose Lebewesen wie Insekten, Bakterien oder Viren: Intelligenz und die daraus resultierende Fähigkeit, Schlaues oder Schlimmes zu planen und umzusetzen, ist an dieser Stelle Voraussetzung für eine nähere Betrachtung.
Der Beitrag beschränkt sich auf Phantastik in Film und Fernsehen (das durch zahlreiche Streaming-Sender neu definiert wurde). Wo es erforderlich und wissensstiftend ist, wird die Sicht auf (trivial-) literarische Werke erweitert. Übrigens stehen nicht ausschließlich Horror und Science Fiction im Vordergrund; eingegangen wird auch auf die humorvolle Seite der phantastischen Winzigkeit. Aus den Schwierigkeiten, die sich durch das Eintauchen in den Mikrokosmos ergeben, lassen sich Gags schöpfen, deren Fundament die Konfrontation mit Alltagsgegenständen (oder Haustieren) ist, die durch ihre plötzliche Überdimensionalität fremd und furchterregend wirken.
Muss betont werden, dass dieser Beitrag einen Anspruch auf Vollständigkeit weder erheben will noch kann? Der Zugriff auf recherchierbares bzw. greifbares Material bestimmt eine Auswahl, die unwissentlich/unwillentlich mit hoher Wahrscheinlichkeit aussagekräftige, aber aus der Filmhistorie verschwundene oder an deren Rand gedrängte Filme und Serien ausklammert. Hinzu kommt die für einen europäischen Autor typische Fixierung auf grenznahe Herkunftsländer und natürlich Hollywood. Doch auch im ferneren Ausland entstanden einschlägige Werke, hier die unberücksichtigt bleiben (müssen). Das Internet sorgt glücklicherweise dafür, dass sich entsprechende Wissenslücken auch für Fremdsprachler allmählich schließen.
Filme und Serien werden mit ihren Originaltiteln zitiert, weil sie nicht alle ihren Weg nach Deutschland fanden. Wurden sie hierzulande gezeigt, folgen die deutschen Titel; dies auch deshalb, weil sie nicht selten so stark verändert wurden, dass die originalen Filme und Serien sonst nicht wiederzuerkennen wären.
Größe = Macht?
Size does matter: Dass es nicht auf die Körpergröße, sondern auf den Verstand (oder wenigstens einen freundlichen Charakter) ankommt, wurde wahrscheinlich von denen in die Welt gesetzt, die zu kurz geraten waren und sich deshalb benachteiligt fühlten. Die Geschichte der Menschheit kennt viele Beispiele für Personen, die aufgrund ihres Hirns übermächtige Gegner überwanden; erinnert sei an David aus dem Alten Testament, der den Riesen Goliath mit einer Steinschleuder außer Gefecht setzte, oder die Bewohner der Insel Liliput: Dorthin verschlug es (dank Autor Jonathan Swift) den ‚Riesen‘ Gulliver, der von den Mini-Insulanern prompt überlistet und in Fesseln geschlagen wurde.
In der Tat waren und sind die Großen oft im Vorteil. Man sieht bzw. übersieht sie selten, und ihre Körperhöhe wird noch immer mit Stärke und Durchsetzungskraft gleichgesetzt. Je scheiteltiefer auf der Gegenseite die Kleinen stehen, desto schwächer und stärker der Welt ausgesetzt sind sie.
Schon der Blick in den Garten kann diese Ansicht unterstreichen. Der Mensch registriert sehr wohl die ‚Grausamkeit‘ der dort allgegenwärtigen, offenbar gefühllosen Insekten, die glücklicherweise so klein sind, dass man ihnen und ihrem gruseligen Treiben mit einer zusammengerollten Zeitung jederzeit ein Ende bereiten kann. Doch was wäre, stünde man ihnen im Maßstab 1:1 gegenüber? Aus dieser Frage (und vergrößerten Fotografien von Ameisen, Spinnen oder Blutegeln) resultierten Albträume. Wer schrumpft (oder schlimmer: geschrumpft wird), verliert an Kraft und Macht und wird zum hilflosen Zwangsgast in einer Umgebung, die unbekanntes Grauen birgt.
Aus einer grundsätzlichen Angst wurde ein Instrument der Trivialunterhaltung, die immerhin hilft, mit dem Unbehagen fertig zu werden. Muss die Schrumpfung zwangsläufig tragisch enden? Wir Menschen sind doch die Krone der Schöpfung! Können wir diesen Status womöglich als Winzling im Mikrokosmos bewahren? Schließlich ist da auch viel Faszination: Das Unbekannte mag schrecklich sein, aber es ist auch interessant; eine Kombination, die Entdecker seit jeher magisch anzieht. Wer sich anpasst, kann in einer neuen Welt überleben und existieren.
Gleichzeitig sorgt die Konfrontation mit ‚riesig‘ gewordenen und lebensgefährlich gewordenen Kreaturen für angenehmes Schaudern, das man in der Sicherheit des Kinos oder eigenen Heimes genießt. Dem trug bereits der (nach aktuellem Wissensstandard) erste ‚Film‘ Rechnung, der die Winzigkeit thematisierte; er dauert gerade eine Minute: Der Theatermann und Filmpionier Georges Méliès (1861-1938), der die meisten noch heute gängigen Genres des phantastischen Films quasi im Alleingang zum Leben erweckte, übernahm wie so oft selbst die Hauptrolle, als er 1901 „Nain et géant“ (also „Zwerg und Riese“) inszenierte und produzierte. Er hatte begriffen, dass die neue Technik (siehe dazu weiter unten) ungeahnte Möglichkeiten bot und lotete diese aus.
Méliès kombinierte in „Nain et géant“ mehrere Effekte. In Kniebundhosen und Schwalbenschwanz-Jacke gewandet, stellt er sich dem Publikum vor. Anschließend tritt ein zweiter Méliès aus dem ersten heraus. Die beiden stehen nebeneinander, dann wächst der eine in die Höhe, während der andere zu schrumpfen beginnt. Ersterer macht sich die heimliche Furcht des kleinen Mannes vor der Lächerlichkeit zu eigen und überschüttet sein konsterniertes Gegenüber spöttisch mit Konfetti. Danach gleicht das Duo seinen Größenunterschied wieder aus, schließlich geht Méliès II in Méliès I auf.
Aus heutiger Sicht wirkt die Tricktechnik rudimentär, doch sie funktionierte und deutete an, was der Film für die Phantastik leisten konnte. Schon 1903 schrumpfte vor einer englischen Kamera die Hauptdarstellerin von „Alice in Wonderland“ in voller Sicht der Zuschauer: Überall wurde experimentiert (und abgeschaut). In den folgenden Jahrzehnten wuchs mit den inhaltlichen Begehrlichkeiten die Routine im Umgang mit Kamera und Zelluloid, Requisite und Schneidetisch.
Notwendiger Exkurs: Glaubhaftes Schrumpfen vor der Kamera
Nun wird es technisch. Die Illusion glaubhafter Größenunterschiede ist kompliziert. Als „digital“ ein Wort war, das kollektiv fragendes Kopfschütteln hervorrief, musste man sich etwas einfallen lassen. Dabei konnte man glücklicherweise auf Erfahrungen aus dem Theater zurückgreifen. Dort war man lange vor dem digitalen Zeitalter durchaus in der Lage, mit vergleichsweise simplen Methoden und sogar vor den Augen eines staunenden Publikums überzeugend zu tricksen.

Die simpelste Methode, um einen Menschen im Mikrokosmos zu präsentieren, ist die Schaffung einer Kulisse, für die sämtliche Requisiten vom Möbelstück bis zum Zuckerwürfel als Großmodelle angefertigt werden. Normalgroße Schauspieler können hier agieren und sich filmen lassen. Die Illusion entsteht ohne technische Effekte. Immer noch eindrucksvoll wurde dieses Verfahren in „The Incredible Shrinking Man“ („Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“, 1957) eingesetzt, wo eine ‚haushohe‘ Streichholzschachtel als Schutzburg oder eine Nähnadel als Lanze dient.
Bereits im erwähnten „Nain et géant“ ging Georges Méliès 1901 einen Schritt weiter. Der geniale Tüftler hatte schon früher herausgefunden, dass ein Filmstreifen nicht binnen eines Kameradurchgangs belichtet werden musste. Deckt man einen Teil der Linse ab, kann man die ‚leer‘ durchlaufende Seite des Films in einem zweiten Durchgang separat mit gänzlich anderen Inhalten füllen. (Dann musste natürlich der schon belichtete Streifen abgedeckt werden.) Macht man dies sorgfältig, kaschiert die Lücke zwischen den beiden Teilfilmen und vermeidet Belichtungsunterschiede, funktioniert das Verfahren zufriedenstellend.
In den 1920er Jahren wurde mit dem Schüfftan-Verfahren eine Methode entwickelt, die deutlich bessere Bildergebnisse liefert. Benannt war es nach dem deutschen Kameramann und Erfinder Eugen Schüfftan (1886-1977), dem es gelang, mit Hilfe eines Spiegels zwei Teilbilder zu einem Gesamtbild zu kombinieren. Das Spiegelbild zeigt die Kulisse, die kostensparend als Miniatur angefertigt werden kann: Größenverhältnisse spielen bei diesem Verfahren keine Rolle, denn da ihm die reale Gegenüberstellung unterschlagen und der Größenvergleich deshalb unmöglich wird, lässt sich das menschliche Auge erfolgreich täuschen. Der Spiegel steht in einem 45°-Winkel vor der Kamera. Das Bild der Kulisse wird (seitenverkehrt) darauf geworfen und gefilmt. Wo Darsteller auftreten sollen, entfernt man die Spiegelschicht, stellt die Schauspieler hinter den Spiegel, rückt sie dabei so weit in den Hintergrund, dass sie in die Kulisse ‚passen‘, und lässt sie agieren. Die Kamera erfasst sie durch die sichtklaren Lücken des Spiegels.






So lange die Darsteller sich innerhalb der (für sie nicht sichtbaren) Kulisse bewegen, ist die Illusion glaubhaft. Allerdings bleibt die Kamera zur Untätigkeit verurteilt, da die komplexe Anordnung von Kamera, Spiegel und Schauspielern nicht verändert werden darf. Berühmt sind noch heute die trickreich sogar mehrfach eingespiegelten Miniaturen des Meisterwerks „Metropolis “ (1927). Die Freunde der plakativen Phantastik kennen das Verfahren aus „King Kong“ („King Kong und die weiße Frau“, 1932), wo es meisterhaft unter Nutzung seiner sämtlichen Möglichkeiten eingesetzt wird.
Eine weitere Methode nutzt ebenfalls die Trägheit des Auges: Man stellt den ‚Riesen‘ vor die Kamera. Den ‚Winzling‘ platziert man in größerer Entfernung. Wird nun eine Linse mit kleiner Blende eingesetzt, erkennt das Auge aufgrund der sowohl im Vorder- als auch im Hintergrund gleichermaßen tiefenscharfen Bilder die „erzwungene“ Perspektive nicht. Ein klassisches Beispiel mit noch heute eindrucksvollen Effekten ist der britische Fantasy-Film „Darby O’Gill and the Little People“ („Das Geheimnis der verwunschenen Höhle“, 1959); hier tanzt ein sehr junger Sean Connery (vor seiner James-Bond-Zeit) mit irischen Kobolden. Noch Peter Jackson nutzte diese Technik in den Trilogien „Der Herr der Ringe“ (2001-2003) und „Der Hobbit“ (2012-2014), um vor der Kamera winzige Hobbits und normalgroße Menschen ‚direkt‘ miteinander agieren zu lassen.
Zumindest erwähnt sei die einfachste Methode, Giganten und Winzlinge miteinander zu vereinen: Der Zeichentrick löst das technische Problem, da beide Welten mit Tuschfeder und Pinsel zum (Film-) Leben erweckt werden. Folgerichtig war das konfliktreiche Zusammenspiel von Makro und Mikro im gezeichneten Film stets plotpräsent; dies ging nahtlos in nun computeranimiert entstandene Werke ein, zu denen bereits klassische Streifen wie „Toy Story“ (1995) oder „Antz“ (1998) gehören.



Kleine Welten auf großer Leinwand
Obwohl der trickgestützte Film schon in der Stummfilmzeit erstaunliche Fortschritte machte, verirrte er sich nicht in Mikrowelten. Offenbar sorgten Giganten zuverlässiger für Publikumsinteresse, denn sie tauchten - so in „The Lost World“ („Die verlorene Welt“, 1925) - mehrfach auf. Erst nach Einführung des Tonfilms kamen auch die Kleinen buchstäblich zu Wort. Sie erregten Aufsehen, auch wenn sie zunächst nur Nebenrollen spielten: In „Bride of Frankenstein“ („Frankensteins Braut“, 1935), dem zweiten Film der klassischen, d. h. mit Boris Karloff als Monster besetzten Horror-Serie, arbeitet Frankenstein (Colin Clive) mit dem ebenfalls genialen, aber skrupellosen Dr. Praetorius (Ernest Thesiger) zusammen, der ihm stolz seine Galerie gelungener Homunkuli vorführt: Künstliche Menschen im Kleinformat - darunter ein König, eine Ballerina und ein Bischof - werden in Glasflaschen gehalten. (Der König nutzt die Gelegenheit und ergreift die Flucht, um zu einer ebenfalls in ihrer Flasche hausenden Königin vorzudringen.) Die Tricktechnik dieser nur wenige Minuten dauernden Szene, die mit der Primärhandlung nichts zu tun hat, ist vor allem für ihre Entstehungszeit großartig und belegt den hohen Standard, den das Kino auf diesem Feld erreicht hatte.
Dies gilt auch für den weniger bekannten, aber interessanten Grusel-Thriller „The Devil-Doll“ („Die Teufelspuppe“, 1936). Die Romanvorlage („Burn, Witch, Burn!“) stammte von Abraham Merritt, aber das Drehbuch lehnte sich an Alexandré Dumas’ „Der Graf von Monte Christo“ an: Vor 17 Jahren wurde Paul Lavond aufgrund einer Intrige vor Gericht gestellt und zu langer Haft auf der Teufelsinsel verurteilt. Er kann gemeinsam mit einem Wissenschaftler flüchten, der zwar kurz darauf stirbt, Lavond aber in sein Geheimnis eingeweiht hat, wie man Tiere und Menschen quicklebendig schrumpfen lassen kann. Auf diese Weise will Lavond sich an den drei Verrätern rächen.




Obwohl üppig produziert und von Tod Browning (1880-1962) inszeniert - ihm verdankt das Kino u. a. die Klassiker „Dracula“ (1931) oder „Freaks“ (1932) - und mit Schauspielern wie Lionel Barrymore (1878-1954) und Maureen O’Sullivan (1911-1998) besetzt, wurde „The Devil-Doll“ von der Kritik verrissen und spielte nur wenig Geld ein. Die Zeit sorgte hier für ein Umdenken, was vor allem an den glänzenden Spezialeffekten liegt. Spiegeltricks werden durch übergroße Requisiten ergänzt, für die das Studio MGM tief in die Tasche griff. (Eine auf Gewalt und Dramatik zugespitzte, nicht auf die Vorlage hinweisende Variante dieser Geschichte inszenierte Bert I. Gordon, 1922-2023, ein ‚Großmeister‘ des Trash-Horrors, 1958 als „Attack of the Puppet People“, wobei die Spezialeffekte hochwertiger ausfielen als in Gordon-Machwerken wie „The Amazing Colossal Man“/„Der Koloss“, 1957, oder gar „Empire of the Ants“/„In der Gewalt der Riesenameisen“, 1976.)

Dies galt auch für „Dr. Cyclops“ („Dr. Zyklop“, 1940), den Produzent und Regisseur Ernest B. Schoedsack (1893-1979) für die Paramount Studios realisierte: Eine US-Universität will wissen, was der von ihr bezahlte Forscher Dr. Thorkel im fernen Peru treibt. Der dorthin geschickten Expedition gehören die Biologen Dr. Bullfinch und Dr. Mary Robinson, zwei Bergbauingenieure und ein ortskundiger Führer an. Vor Ort werden sie von Thorkel ungnädig empfangen.
Als sie sein Geheimnis lüften, benutzt sie der wahnsinnig gewordene Forscher als Versuchskaninchen und lässt sie auf Nagerformat schrumpfen. So hält er das Quintett gefangen, bis eine riskante Flucht gelingt. Doch Mini-Menschen sind in der peruanischen Wildnis buchstäblich ein gefundenes Fressen, und Thorkel beteiligt sich an der Verfolgungsjagd. Die Spezialeffekte und hier die Konfrontation der geschrumpften Reisegruppe mit allerlei gierigem Getier (unter denen ein Krokodil besonders hartnäckig hinter ihnen her ist) sorgen für Spannung.
Der Titel spielt auf die griechische Sage von Odysseus an, der mit seinen Männern dem menschenfressenden Zyklopen Polyphem durch eine List entkam. Hier übernimmt der fast blinde und deshalb eine Brille mit flaschenbodendicken Gläsern tragende Thorkel dessen Rolle und wird durch die Zerstörung der Sehhilfe ausgetrickst.

Diesem Film wurde sogar Technicolor-Farbe gegönnt, was zu dieser Zeit und gerade für einen Horrorfilm die Ausnahme war. Allerdings stellte sich heraus, dass die strahlenden Farben der unheimlichen Atmosphäre abträglich waren. Zudem hatte Schoedsack, der zeitlose Phantastik wie „The Most Dangerous Game“ („Graf Zaroff - Genie des Bösen“, 1932) und natürlich „King Kong“ (1933) geschaffen hatte, seinen cineastischen Zenit überschritten.
Intensiver, dann eher locker
Der Zweite Weltkrieg (1939-1945) sorgte im phantastischen Film für eine Zäsur. Das fröhlich-gruselige Treiben klassischer Vampire, Werwölfe und ähnlicher Monster wirkte vor dem Hintergrund des realen Grauens, das nicht das Jenseits, sondern der Mensch über sich gebracht hatte, altmodisch und lächerlich. Die klassischen Horrorgestalten verschwanden nicht, aber sie wuchsen über den Status des für Angst und Schrecken sorgenden Popanzes hinaus und bekamen Gefühle, Tragik, ein Innenleben; in dieser Hinsicht war „Bride of Frankenstein“ seiner Zeit voraus und vorbildhaft gewesen.
Auch der Mikrokosmos erhielt jenen Subtext, der ihm bisher zugunsten des Spektakels vorenthalten geblieben war. Beispielhaft wurde „The Incredible Shrinking Man“ („Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“, 1957), inszeniert von Jack Arnold (1916-1992), der durch atemberaubende Effekte fesselt, aber darüber hinaus die Hauptfigur vor ein ebenso forderndes Identitätsproblem stellt. Scott Carey ist kein Held, sondern ein Durchschnittsmann, der mit Gattin Louise den US-Mittelschicht-Alltag der 1950er lebt. Er ist der Herr im Haus, sorgt für den Unterhalt und bereitet mit Louise das Nest für die sicherlich bald eintreffenden Kinder vor.
Dieses ruhige und in seinem Kurs vorbestimmte Leben endet, als Carey in einen mysteriösen radioaktiven Schauer gerät. Kurz darauf beginnt er zu schrumpfen. Ärzte und Wissenschaftler sind ratlos, die Presse belagert das Haus. Schlimmer empfindet Carey den Verlust seiner Position. Schritt für Schritt geht es nicht nur mit der Größe abwärts. Die Öffentlichkeit nimmt ihn als Kuriosität wahr. Louise kann ihn nicht mehr als Partner akzeptieren, als er seine Mannes-Macht einbüßt. Später will ihn die Katze, bisher ein willfähriges Haustier, fangen und fressen. Im Keller gestrandet und noch winziger geworden, muss sich Carey einer Spinne stellen. Der Sieg über das Ungeheuer lässt ihn aufleben. Er überwindet seine Resignation und bereitet sich auf den Übergang in den subatomaren und ‚echten‘ Mikrokosmos vor. Carey hat erfahren, dass er sich ungeachtet seiner ‚Größe‘ weiterhin als Mensch (und Mann) behaupten kann. So freut er sich sogar auf den Transit, der am Ende des Films steht.
Angesicht der Hartnäckigkeit, mit der Hollywood erfolgreiche Klassiker neu verfilmt (bzw. verbrät), ist es erstaunlich, dass dieser Film von 1957 nicht längst ‚relaunched‘ oder für eine Streaming-Serie aufgegriffen wurde. Immerhin inszenierte 1981 Joel Schumacher (1939-2020) - der später Blockbuster wie „The Lost Boys“ (1987), „Falling Down“ (1993) oder „Batman Forever“ (1995) und „Batman & Robin“ (1997) ins Kino brachte - die Komödie „The Incredible Shrinking Woman“ („Die unglaubliche Geschichte der Mrs. K.“, 1981) mit Lily Tomlin („Grace & Frankie“, 2015-2022) in der Titelrolle. Die Tragik des Schrumpfens wurde hier durch (sachte) Kritik an einem „American Way of Life“ ersetzt, der auf oberflächliches Konsumieren und Funktionieren ausgerichtet ist.
Im B-Film der 1950er und 60er Jahre durfte der Mikrokosmos natürlich nicht fehlen. In einem sehr anachronistischen ‚1980‘ erleidet US-Astronaut Frank Chapman Schiffbruch auf einem Asteroiden. Dieser wird von Menschen bewohnt, die allerdings nur wenige Zentimeter messen. Als er die ‚Luft‘ des Asteroiden einatmet, schrumpft auch Chapman. Im Inneren des Himmelskörpers schließt sich ein beliebiges, klischeelastiges SF-Abenteuer an. Es verrät, wie knapp das Budget von „The Phantom Planet“, 1961 von William Marshal inszeniert, gewesen sein muss.



Den Blödsinn auf die Spitze trieb „Anthony Dawson“ alias Antonio Margheriti (1930-2002), der genreübergreifend die Filmgeschichte plünderte, um seine storygrob zusammengebolzten, aufgrund ihrer Dürftigkeit ‚spektakulären‘ Schauwerte berühmt/berüchtigten ‚Mockbuster‘ für das italienische Trash-Kino zu inszenieren. „I criminali della galassia“ (dt. „Raumschiff Alpha“) von 1966 ist eines dieser abstrusen Werke, in denen es u. a. darum geht, dass ein verräterischer Wissenschaftler die Prominenz unserer Erde kidnappt, schrumpft und auf den Feind-Planeten „Delphos“ verschleppt. Sinn ergibt die Story nicht, aber der Film ist farbig, überaus actionreich sowie unfreiwillig komisch.
Teil 2: Mikroskopische Wunder: Die Ansprüche wachsen
In den 1960er Jahren (und schon vor der „Star-Wars“-Ära) gelang dem SF-Film der Sprung auf die ganz großen Leinwände. Altgediente Starschauspieler, die schon seit Jahrzehnten vor der Kamera standen, mussten ihr Darstellerrepertoire über Krimis, Western und Komödien hinaus erweitern. Mit den Budgets wuchs dieser phantastische Film über das B-Kino hinaus. Viel Geld wurde in solche Streifen gesteckt, und manchmal investierte man auch in die Story, übte womöglich (hollywoodgestutzte) Gesellschaftskritik oder erinnerte an den selbst errichteten Gift- und Müllberg, der aktuell über der Menschheit zusammenzubrechen drohte.

So weit gingen Drehbuchautor Harry Kleiner und Regisseur Richard Fleischer (1916-1906) nicht, als sie 1966 „Fantastic Voyage“ (dt. „Die phantastische Reise“) realisierten. Der Zeitgeist in Gestalt des Kalten Krieges mit dem „Ostblock“ brachte die Story in Gang: Wissenschaftler Beneš will aus der Tschechoslowakei in die USA überlaufen. Die Sowjets schalten ihn aus. Mit einer Schusswunde im Kopf wird Beneš in den OP geschoben. In seinem Hirn sitzt nicht nur für die US-Regierung hochinteressantes Feindwissen, sondern auch ein Blutgerinnsel, das nur vor Ort aufgelöst werden könnte.
Wie der Zufall spielt, existiert eine Methode, Maschinen und Menschen auf Mikrobengröße zu schrumpfen. Mit einer Injektionsnadel wird ein U-Boot in die Blutbahn des bewusstlosen Beneš injiziert. Durch den Körper muss man sich zum Gehirn durchkämpfen. Der Blutdruck - für die Mini-Menschen eine gewaltige Strömung -, die Magensäure und vor allem die weißen Blutkörperchen, die wie Wachhunde alles attackieren, was körperfremd ist, sorgen für Komplikationen. Mit im Boot sitzt außerdem ein Agent der Sowjets, und um das Drama auf die Spitze zu treiben, bleibt den Rettern nur eine Stunde, bevor sich der Schrumpfeffekt umkehrt.
Der Film wurde für seine spannende Handlung, aber vor allem für seine Schauwerte (inklusive der jungen Raquel Welch in der weiblichen Hauptrolle sowie des als Bordtechniker eingesetzten James „Star-Trek-Scottie“ Doohan) gerühmt und gilt als Klassiker. Das damalige medizinische Wissen um das Innere des Menschen fand seinen Weg ins Drehbuch, und was man nicht genau wusste (oder die Story störte), wurde einfallsreich erfunden (oder unterdrückt). Noch heute beeindrucken die Effekte, wenn das ikonisch geformte U-Boot durch gewaltige Ader- und Organlandschaften schwebt oder ausgestiegene Insassen von den weißen Bluthunden des Körpers gejagt werden!
1987 diente der Plot dem Film „Innerspace“ („Die Reise ins Ich“) als Grundlage. Regisseur Joe Dante betonte dieses Mal die komödiantische Seite, wobei es sich als Vorteil erwies, dass er in Hollywood eine Außenseiterrolle einnahm. Er verstand seinen Job, ließ sich aber nie gänzlich ‚zähmen‘, sondern bewahrte sich einen ruppigen, anarchistischen Witz (s. vor allem „Gremlins“ und „Gremlins 2“, 1984 bzw. 1990). In „Die Reise ins Ich“ lässt er Dennis Quaid ins Innere von Martin Short eintauchen, der anders als Dr. Beneš quicklebendig bleibt und mit dem Eindringling kommuniziert, während beide von schrägen Unholden gejagt werden. Zwar konnten die inneren ‚Körperlandschaften‘ nicht mit „Die phantastische Reise“ mithalten, aber die inzwischen fortgeschrittene Tricktechnik sorgte dennoch für Staun-Bilder. (Dante kehrte 1998 noch einmal in den Mikrokosmos zurück: In „Small Soldiers“ inszenierte er den Kampf intelligenter, aber hirnprogrammierter Spielzeug-Soldaten gegen friedliche, ebenfalls winzige ‚Außerirdische‘ und bewies, dass auch Gefechte im Miniaturformat für beträchtlichen, die Zuschauer begeisternden Sachschaden sorgen können.)
Vorstoß in die Flimmerkiste
Die 1960er Jahre brachten den Mikrokosmos auch dorthin, wo er weiterhin als der Realität enthobener Spielplatz dienen durfte: ins Fernsehen, das neben Western-, Krimi- und Comedy-Serien auch eine Nische für die Phantastik bot. „World of Giants“ (1959) setzte noch auf ‚Realität‘ und schilderte die Abenteuer des US-Spions Mel Hunter, der während eines Einsatzes hinter dem Eisernen Vorhang, also im Reich der Sowjet-Teufel, einer mysteriösen Strahlung ausgesetzt wurde, die ihn auf Maus-Format schrumpfen ließ. Weiterhin seinem Land verpflichtet, dringt Hunter als Mini-Spion dorthin vor, wo er den Feinden der (westlichen) Demokratie Schaden zufügen kann.
Marshall Thompson (der später als „Daktari“ vor allem in Deutschland berühmt wurde) übernahm die Hauptrolle der durchaus hochwertig produzierten Serie - die ins Riesenhafte vergrößerten Alltagsgegenstände wurden u. a. aus dem Film „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“ übernommen. Dennoch war nach 13 Episoden Schluss.




1966 bewies „Star Trek“, dass ‚echte‘ Science Fiction für das Fernsehen taugte. Daraufhin brachte Produzent Irwin Allen (1916-1991) „Land of the Giants“ (1968-1970) ins Programm: ‚1983‘ gerät das Passagierflugzeug „Spindrift“ in eine Raumanomalie und wird in eine Parallelwelt verschlagen, in der alles zwölfmal größer als ‚daheim‘ ist. Man muss sich der von räuberischen Insekten, Spinnen u. a. Untieren besiedelten Natur anpassen und die Aufmerksamkeit der „Giganten“ vermeiden, die auf dieser Erde die Menschen ersetzen. Zwei Staffeln waren die Neuankömmlinge damit beschäftigt, ihren Verfolgern zu entgehen sowie auf ‚ihre‘ Erde zurückzukehren. Die Serie endete nach 51 Folgen und offen: Ob die Heimkehr gelang, erfuhren die Zuschauer nicht.

Die vergleichsweise hohen Kosten und der inhaltlich limitierte Handlungsrahmen sorgten dafür, dass eine zu kleine Fangemeinde der Serie die Treue hielt. Sparsam blieb Produzent Allen zudem in Sachen Spezialeffekte. Immerhin wurden die Episoden in Farbe gedreht. Heute genießt „Land of the Giants“ gerade wegen seiner nostalgischen Altertümlichkeit einen gewissen Ruf. Begehrt sind außerdem die zeitgenössischen, aber auch die viele Jahrzehnte später neu in den Handel gebrachten Miniaturen und Dioramen, die in die Spielzeug- bzw. Modellläden kamen. Vor allem die raumschiffähnliche, knallrote „Spindrift“ gilt als Ikone der frühen TV-Phantastik.
Das Kind wird buchstäblich Mini-Mensch
Die Kombination aus Trick, Humor und Kindlichkeit drückt in der Regel die Altersbeschränkungen im Kino, sorgt für ein kopfstärkeres Publikum und damit höhere Einnahmen. So wundert es nicht, dass im Mikrokosmos das Alter seiner Besucher sank. „Honey, I Shrunk The Kids“ („Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“) wurde 1989 ein immenser Erfolg. Die Story war simpel: Wayne Szalinski, ein genialer und liebenswerter, aber selbstverständlich zerstreuter und weltfremder Wissenschaftler, arbeitet an einer Maschine, die Objekte und Lebewesen miniaturisieren soll. Seine Versuche blieben bisher vergeblich, doch ein Zufall bringt das Gerät zum Laufen. Tochter Amy und Bruder Nick sowie die Nachbarssöhne Russell jr. und Ronald geraten in den Schrumpfstrahl. Sie versuchen Wayne und Gattin Diane auf sich aufmerksam zu machen. Stattdessen zerstört der frustrierte Wayne die Maschine. Die Kinder geraten erst unter die Trümmer und dann per Müllbeutel in den Garten. Dort müssen sie gegen die üblichen Feinde (Ameise, Biene, Skorpion, Rasenmäher) bestehen, bis man sie endlich bemerkt und sie mit Hilfe der wiederhergestellten Maschine ihre alte Größe zurückerhalten.
Regisseur Joe Johnston legte mit diesem Film den Grundstein einer Karriere, die ihn zu weiteren Großproduktionen führte („Jumanji“, 1995; „Jurassic Park III“, 2001; „Captain America: The First Avenger“, 2011). Als Geniestreich erwies sich die Besetzung der männlichen Nebenrolle. Rick Moranis, der auch in den beiden „Ghostbusters“ Filmen (1984 und 1989) auftrat, war auf dem Höhepunkt seiner Karriere und außerdem ein Schauspieler, der Klamauk und gutmenschliche Überforderung auf den Punkt bringen konnte. Relativ günstig produziert, spielte der Film das Zehnfache seiner Kosten ein, sodass es kam, wie es kommen musste: 1992 stand eine Fortsetzung an. Dieses Mal spielte das Geschehen - Ideenvielfalt à la Hollywood ... - nicht im Mikrokosmos: „Honey, I Blew Up the Kid“ („Liebling, jetzt haben wir ein Riesenbaby“, 1992) lässt Szalinski-Neu-Baby Adam auf King-Kong-Format wachsen.
Der Film wurde von der Kritik verrissen, aber so erfolgreich, dass man 1994 den Kurzfilm „Honey, I Shrunk the Audience“ (mit Moranis sowie Eric Idle) produzierte. 1997 schob Disney einen weiter Film nach, wobei man dieses Mal wieder auf Nummer Sicher ging: „Honey, We Shrunk Ourselves“ („Liebling, jetzt haben wir uns geschrumpft“), kostengünstig als Direct-to-video-Produktion realisiert, zeigt Rick Moranis ein letztes Mal in seiner Paraderolle. Dieses Mal werden er und Gattin Amy verkleinert und müssen von ihren Kindern gerettet werden; ein Plot, dessen Fadenscheinigkeit weder der Kritik noch den Zuschauern entging.
Dennoch hielt man das Franchise am Leben. Der dritte Film sollte den Übergang ins Fernsehen vorbereiten. Schon 1997 ging „Honey, I Shrunk the Kids: The TV Show“ auf Sendung. Natürlich war Rick Moranis klug genug, nicht noch einmal den Wayne Szalinski zu mimen. An seine Stelle trat Peter Scolari (1955-2021), der als Kino- und TV-Profi meist Nebenrollen spielte. Gerade aus heutiger Sicht leidet dieser Film nicht nur unter der schwachen Handlung, sondern auch unter seinen Spezialeffekten: Frühe Digital-Animationen sind nicht annähernd so gut gealtert wie die ‚handgemachten‘ Tricks früherer Zeiten. Die Serie war seinerzeit erfolgreich genug, um über 66 Episoden bis 2000 zu laufen.

Dass der Mikrokosmos ein interessanter, obwohl nicht risikofreier Spielplatz für Kinder sein kann, stellte 2006 auch der französische Regisseur und Produzent Luc Besson unter Beweis. „Arthur et les Minimoys“ („Arthur und die Minimoys“) führt den im Titel erwähnten Arthur auf der Suche nach einem versteckten Schatz ins Reich der Minimoys, die im Garten leben. Der geschrumpfte Menschenjunge kann seinen Gastgebern gegen den bösen Maltazard helfen, der die Minimoys unterwerfen und die schöne Prinzessin Selenia zwangsheiraten will.
Die aus unzähligen Vorbildern zusammengeklaubte Story funktioniert vor allem über ihre Effekte. Besson konnte auf digitale Effekte setzen, die er bildgewaltig einsetzte, wenn er Maltazards Schergen auf gesattelten Moskitos in turbulente Luftkämpfe verwickelt. Auch Konfrontationen mit normalerweise kaum beachteten Kleintieren (Regenwurm, Hummel) nehmen ungeahnte Dimensionen an. Arthur kann sich unter den Minimoys einen Namen machen und das Herz der Prinzessin gewinnen, bevor er in die Welt der Großen zurückkehrt.
Seine Abenteuer ließen die Zuschauer in die Kinos strömen und generierten hohe Einkünfte. 2009 kehrten Arthur & Co. in „Arthur et la Vengeance de Maltazard“ („Arthur und die Minimoys 2 - Die Rückkehr des bösen M“) und ein Jahr später in „Arthur et la Guerre des deux Mondes“ („Arthur und die Minimoys 3 - Die große Entscheidung“) zurück: Selbstverständlich hatte Widerling Maltazard seine üblen Pläne nicht aufgegeben. Dieses Mal war ein Zweiteiler nötig, um ihn (endgültig?) in seine Schranken zu weisen.
Das Film- und Fernsehgeschäft lebt vom Abkupfern erfolgreicher Ideen. Dies wird als ‚Neuschöpfung‘ verbrämt, wobei die Durchsichtigkeit des Konzepts die Dreistigkeit der Verursacher erst recht ins Rampenlicht rückt. In Deutschland dauerte es einige Jahre, dann gerannen die Storys von „Liebling, wir haben die Kinder geschrumpft“ und „Arthur und die Minimoys“ zu einer deutschen Version. Das Drehbuch basierte auf einer Buchvorlage von Sabine Ludwig, und schon sie hatte ihrem Werk 2006 den Titel „Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft“ gegeben, was sehr an die Szalinski-Trilogie erinnerte. Den Film von 2015 inszenierte Sven Unterwaldt, der Streifen wie „7 Zwerge - Männer allein im Wald“ (2004) bzw. „Der Wald ist nicht genug“ (2007), „U-900“ (2008) oder „Otto's Eleven“ (2010) über das deutsche Kino gebracht hatte. Folgerichtig bot „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“ trotz der routiniert umgesetzten, aber einfallsarmen Schrumpfeffekte einen altbackenen „Coming-of-Age“-Plot mit entsprechenden Gag-Einlagen.



Hierzulande ist Negativkritik nicht zwangsläufig schädlich. Ein gewisser Einspielerfolg reicht aus, um Fördergelder zu generieren. 2018 folgte „Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft“, nicht von Unterwaldt verantwortet (aber mit Otto Waalkes in einer Nebenrolle) und vielleicht auch deshalb von der Kritik freundlicher aufgenommen. Ähnlich beurteilt wurde 2021 „Hilfe, ich hab meine Freunde geschrumpft“, wobei die Titel jeweils den Inhalt dieser Filme zusammenfassen.

Zwar ebenfalls kindgerecht, aber nicht auf Klamauk und Effekt, sondern auf eine Botschaft ausgerichtet war ein Film, dessen Titel man heutzutage womöglich gar nicht mehr nennen darf. Als „The Indian in the Cupboard“ (dt. „Der Indianer im Küchenschrank“) 1995 in die Kinos kam, war das I-Wort noch kein Problem. Erzählt wird die Geschichte des neunjährigen Omri, der den Schlüssel zu einem alten Schrank besitzt, in dessen Inneren realhistorische, aber verkleinerte Menschen auftauchen. Vor allem der Irokese Little Bear und der Cowboy Boo-hoo Boone, die auch in dieser bizarren Umgebung ihren Kampf fortsetzen, lehren Omri auf gelungene Weise, also nicht plump moralisierend, Lektionen über das Menschsein, dessen gute und dessen schattige Seiten. „Der Indianer ...“ ist einer der letzten Filme, in denen der Mikrokosmos auf klassische Weise (s. Teil 1) entstand. Der Wandschrank und sein Inhalt wurden als Großkulisse gebaut, zwischen dessen Wänden sich die Schauspieler frei bewegen konnten, aber winzig wirkten.

Spektakel und Comic
2006 startete - dieses Mal wieder in den USA - ein Film, in dem Winzlinge nicht die Hauptrolle spielen, aber ins Geschehen eingreifen: „Night at the Museum“ („Nachts im Museum“, 2006) erzählt vom redlichen, liebenswerten und gerade deshalb vom Schicksal gebeutelten Träumer Larry Daley (Ben Stiller), der sich in New York City als Nachtwächter im „Museum of Natural History“ sein kärglich Brot verdient. Dort erwachen aufgrund eines altägyptischen Zaubers die Exponate in jeder Nacht zum Leben.
Sie dürfen das Museum nicht verlassen, weil das Sonnenlicht sie zerstört. Larry übernimmt den Job, die undisziplinierten Insassen zu bändigen, wobei ihm u. a. eine Wachsfigur von Ex-Präsident Theodore „Teddy“ Roosevelt (gespielt von Robin Williams) mit Rat und Tat zur Seite steht.
Zwar sind die Exponate meist sehr gut mit bloßem Auge sichtbar - dies gilt vor allem für das Skelett eines Tyrannosauriers -, doch Larry wird u. a. wie einst Gulliver von den Figürchen eines Miniatur-Dioramas aus dem Wilden Westen gefangengesetzt. Stärker waren allerdings die Ketten des Erfolgs: „Nachts im Museum“ spielte mehr als eine halbe Milliarde Dollar ein. Die ohnehin harmlose, wenn nicht sogar zahnarme Phantastik-Komödie „für die Familie“ bekam deshalb 2009 und 2014 zwei noch einfallsärmere, aber immer noch einträgliche Fortsetzungen.
Der Mikrokosmos, seine Wunder und vor allem seine Schrecken sind natürlich auch im Comic präsent - und damit automatisch im Film, denn seit mehr als zwei Jahrzehnten fluten die Verlage „DC“ und „Marvel“ die Kinos mit ultrabunten Trickspektakeln, in denen kostümierte Superhelden unter immer neuen Vorwänden aufeinander eindreschen, dabei spektakuläre Flurschäden anrichten und zwischen den Actionszenen mit aufgebauschten Privatproblemchen ringen. Da man inzwischen Schauspieler vor sogar bewegliche Green oder Blue Screens stellen und sie digital mit jedem beliebigen Hintergrund verschmelzen kann, sind die Effekt-Einschränkungen der Vergangenheit verschwunden.



Im Mikrokosmos werden die Marvel-Helden von Henry „Hank“ Pym (Michael Douglas) und seinem Nachfolger Scott Lang (Paul Rudd) vertreten, die in „Ant-Man“ (2015) erstmals auftraten. Pym hat eine Technologie entwickelt, mit dem sich die „Räume zwischen den Atomen“ verkleinern lassen. Im Laufe der Entwicklung ging seine am Projekt „Yellowjacket“ mitarbeitende Gattin Janet, mit der Pym als „Ant-Man“ und „Wasp“ ein Team bildete, im Mikrokosmos verloren. Später wurde Pym aus seiner Firma verdrängt, die seine Erfindung seither militärisch nutzen und dann sogar an die Schurkenorganisation „Hydra“ verkaufen will. Pym selbst hat sich zurückgezogen, forscht aber weiter an seinem Gerät, denn noch immer will er Janet retten.
Der Ingenieur Scott Lang, eigentlich ein Gutmensch, ist auf die schiefe Bahn geraten. Als er in Pyms Haus einbricht, spielt ihm dieser einen Anzug zu, der seinen Träger auf Ameisengröße verkleinert. Es dauert, bis der zunächst entsetzte Scott seine neuen Fähigkeiten als „Ant-Man“ erkennt und zu beherrschen lernt; dazu gehört auch die Kommunikation mit Ameisen, die auf seine Befehle hören und ihre Winzigkeit durch Quantität und Wildheit wettmachen. Irgendwann gibt sich Pym zu erkennen, und es beginnt ein Kampf gegen die Bösen, der simultan in Mikro- und Makrokosmos ausgefochten wird. Die Gerechtigkeit siegt, und Scott wird von den „Avengers“ aufgefordert, sich ihnen anzuschließen.
Er reihte sich ein, um 2016 in „The First Avenger: Civil War“ („Captain America: Civil War“) den Schurken Zemo zu stoppen, und war selbstverständlich auch 2019 in „Avengers: Endgame“ dabei. Dazwischen blieb noch Zeit, um im Rahmen eines eigenen Film-Abenteuers („Ant-Man and the Wasp“, 2018) seinem Mentor Hank Pym zu helfen, endlich Janet (Michelle Pfeiffer) aus dem subatomaren Universum zu retten. Parallel dazu muss ein weiterer Übeltäter ausgeschaltet werden. Abermals mischen gut gelenkte Echt- Ameisen mit, und sie waren auch dabei, als es 2023 hieß: „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ (2023). Dieses Mal ging es gegen Kang, den Eroberer, aus dem „Quantum-Universum“, der wie üblich in unterschiedlichen Größen attackiert werden musste. Ob „Ant-Man“ zurückkehren wird, bleibt offen; Teil 3 konnte das Interesse eines marvel-überdrüssig werdenden Publikums nicht mehr in der üblichen Größenordnung finden. Geblieben ist der handwerklich bzw. tricktechnisch immer perfekter gewordene und erstaunliche Wechsel zwischen Groß und Klein, der über generische Drehbücher und Klischees hinweghilft.

Auf ein deutlich höheres Niveau brachte Regisseur und Drehbuchautor Alexander Payne das Thema 2017 in seinem Film „Downsizing“. Er investierte nicht nur viel Geld, sondern auch Geist in die Geschichte von Paul Safranek (Matt Damon), der in der Verkleinerung auf 12 Zentimeter die Chance sieht, der durch Klimawandel und Umweltverschmutzung drohenden Apokalypse zu entkommen. Leider macht seine Gattin ohne sein Wissen einen Rückzieher, sodass Paul nach der Schrumpfprozedur allein in der Kolonie der Mini-Menschen erwacht. Dort lernt er, dass die gemachten Versprechen Lügen sind: Wie bei den ‚Großen‘ gibt es auch hier eine unterdrückte und ausgenutzte Unterschicht, die für die Drecksarbeit zuständig ist. Paul muss sich entscheiden - ein Prozess, den Payne mit scharfem, oft boshaften und gesellschaftskritischen Witz begleitet und dabei den Finger in Wunden legt, mit denen zumindest das US-amerikanische Publikum nicht konfrontiert werden mochte: Dort beurteilte man „Downsizing“ ungeachtet der hochwertigen Effekte überwiegend ambivalent bis negativ.
Ungleich leichtgewichtiger kam 2020 „Sweet Taste of Souls“ daher: Die hexenhafte Inhaberin eines Straßencafés lockt junge Menschen an, um diese nicht nur zu schrumpfen, sondern als ‚lebende Fotografien‘ in ihre ganz besonderen ‚Kunstwerke‘ zu integrieren. Die inhaltliche Leichtigkeit (bzw. Belanglosigkeit) der Story und die soliden Effekte sorgten für eine freundliche Aufnahme dieses kleinbudgetierten Films.
Teil 3: Klein und gemein, weil unsichtbar
Die Schrecken der Mikrowelt können uns auch heimsuchen, ohne dass wir unsere Körpergröße verlieren. Insekten lassen sich in Schach halten, weil sie (s. o.) glücklicherweise ziemlich dämlich sind: Sie werden sich nicht zusammenrotten, um uns gezielt zu attackieren. Doch was wäre, täten sie es doch?


Noch erschreckender: Gibt es womöglich Kreaturen, die zwar klein, aber intelligent sind? Nicht alle Winzlinge wollen nur in Frieden gelassen werden wie die „Borrowers“, (dt. „Borger“) deren Abenteuer als möglichst unauffällig bleibende Menschenhausgäste die englische Kinderbuchautorin Mary Norton (1903-1992) zwischen 1952 und 1984 beschrieb und die dreimal (1973, 1997 und 2011) verfilmt wurden. Geringe Größe bietet den Vorteil der Unsichtbarkeit, weil sich Winzlinge besser verstecken und so geschützt heranschleichen können. Selbst ein nur zentimeterlanger Speer kann schlimme Schäden anrichten, wenn er dort hineingestochen wird, wo der menschliche Körper empfindlich ist. Womöglich erfolgt ein solcher Angriff in dunkler Nacht, die das Anpirschen sowie ein sorgfältiges Zielen mit der Waffe erleichtert!


Glücklicherweise waren die Mini-Menschen der Insel Liliput eher misstrauisch als angriffslustig, als sie den bereits erwähnten ‚Riesen‘ Gulliver im Schlaf überrumpelten und mit unzähligen Seilen banden. Nach einem Zeichentrickfilm, den die Fleischer-Brüder Dave und Max 1939 ins Kino brachten, realisierte Stop-Motion-Trickmeister Ray Harryhausen (1920-2013) - sonst eher spezialisiert auf riesige Monster und Zyklopen - 1960 diese und andere Effekte der Real-Version „The Three Worlds of Gulliver“ („Herr der drei Welten“). (Zwei Jahre zuvor hatte Harryhausen in „The 7th Voyage of Sinbad“/„Sindbads siebte Reise“ eine orientalische Prinzessin unter bösem Zaubereinfluss auf Miniformat schrumpfen lassen.) Gulliver gehört zu den Stehaufmännchen der Phantastik und kehrte noch mehrfach zurück, so 1996 in einem aufwändigen TV-Zweiteiler mit Ted Danson oder 2010 in einer Klamauk-Version mit Jack Black in der Titelrolle.

Wem kann man trauen?
„Magie“ ist das Stichwort. Das zur Sprache gebrachte Misstrauen wird durch einen weltweit verbreiteten (Ur-) Glauben an Wesen außerhalb unserer Alltagswelt verschärft. Bevor Naturwissenschaft und Technik (plus die zunächst katholische Kirche) ihren Siegeszug antraten, war die Natur unmittelbar und ‚lebendig‘. Der Mensch teilte seinen Lebensraum mit Ungeheuern, Geistern und anderen Schrecken, die durchaus klein, aber gemein sein konnten. Elfen, Kobolde, Trolle: Dies sind einige der gefährlichen Nachbarn, die schon wenige Schritte jenseits der menschlichen Siedlungen lauerten oder sich gar im Menschenhaus selbst niederließen, wo sie Unfug trieben, Babys raubten oder buchstäblich lebensgefährlichen Aktivitäten nachgingen. (Wie das ausufern kann, zeigte uns Drehbuchautor und Produzent Guillermo del Toro 2010 in „Don’t Be Afraid of the Dark“.)
Der erwähnte Fortschritt machte solchem Aberglauben einerseits den Garaus, setzte aber neue Albträume in die Welt: Was Wissenschaftler in ihren Laboren trieben, war für den Durchschnittsbürger vage oder gar nicht verständlich. Wenn man den Forschern Glauben schenken wollte (bzw. ihre Äußerungen missinterpretierte), war es ihnen u. a. möglich, Menschen zu schrumpfen - aus Bosheit oder einfach, weil sie es konnten und wollten, wie es weiter oben beschrieben wird. Das Misstrauen denen gegenüber, die man für schlauer und deshalb gefährlich und/oder verrückt hält, ist kein Phänomen der Trump-verseuchten Gegenwart.
Womöglich gingen diese „mad scientists“ noch einen Schritt weiter und säten Leben dort, wo der jeweilige Gott dies wohlweislich unterlassen hatte. Dabei ließ sich auf einer uralten Tradition aufsatteln. Schon in der Steinzeit stellten Menschen Figürchen her. Sie mögen aus religiösen Motiven entstanden sein, um beispielsweise die Götter der Jagd günstig zu stimmen und sie darauf hinweisen, was man gern im Kochtopf sah, oder um böse Nachbarn durch Schutzzauber zu bannen. Hinzu kam profanes Spielzeug, das auch Höhlenkinder zu schätzen wussten.
Solche Figuren gab es überall, wo Menschen lebten. Was, wenn nun ein Geist hineinschlüpfte und die Winzigkeit des besetzten Körpers durch Bosheit wettmachte? Sicherlich gab es Zauberer, die dies aus der Ferne bewerkstelligen konnten! Sie wurden später durch Wissenschaftler ersetzt, die mit modernen Methoden nicht nur Figuren in Mordpuppen verwandelten, sondern auch Todesmaschinen en miniature anfertigen und auf kriminelle Missionen schicken konnten. Der Kreis schloss sich, wenn solcher Schrecken als Spielzeug getarnt war und direkt in die Kinderzimmer vordrang, wo die schwächsten Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft arglos schliefen!
Eigentlich ist man nirgendwo sicher. Hohe Mauern und fest verschlossene Türen behindern eher die ‚Großen‘, während mordlüsterne Gestalten = buchstäbliche Böse-Wichte durch Spalten und Lücken dorthin gelangen, wo sie über ihre Opfer herfallen können. Kameras oder menschliche Wächteraugen versagen, weil sie nur ansatzweise erfassen, was unterhalb jener Größe existiert, die Instinkt und Erfahrung als gefährlich definieren. Schon hohes Gras reicht aus, um dem Grauen Deckung zu geben. Sehr anschaulich wird in diesem Punkt „The Mummy Returns“ („Die Mumie kehrt zurück“, 2001), als Zombie-Pygmäen über unvorsichtige Eindringlinge herfallen.


Sie finden jedes Schlupfloch
Auf den Punkt wurde es 1972 im britischen Horrorfilm „Asylum“ („Asylum - Irrgarten des Schreckens“) von Roy Ward Baker auf den Punkt gebracht. Das Drehbuch basiert auf den Geschichten „Frozen Fear“, „The Weird Taylor“, „Lucy Comes to Stay“ und „Mannequins of Horror“ von Robert Bloch und war der fünfte Anthologie-Film der kleinen britischen Produktionsfirma Amicus, die einige Jahre erfolgreich war, indem sie ihr Programm an den Werken des „Hammer-Film“-Studios ausrichtete. Die deutlich geringeren Budgets wurden u. a. dadurch kompensiert, dass man der Konkurrenz diverse Stars abwarb. So trat in einer der vier Episoden Peter Cushing auf, der für „Hammer“ mehrfach Professor van Helsing und Dr. Frankenstein verkörperte.
Der junge Arzt Dr. Martin bewirbt sich in einer psychiatrischen Klinik. Dort empfängt ihn Dr. Rutherford, der vom ehemaligen Anstaltsleiter und nun Patienten Dr. Starr so schwer verletzt wurde, dass er im Rollstuhl sitzt. Rutherfords Aufnahmeprüfung ist einfach: Martin soll herauszufinden, wer von den Patienten im Obergeschoss Starr ist.
Unter den übrigen Insassen befindet sich der Physiker und Neurologe Dr. Byron. Er bastelt in seinem Zimmer kleine Roboter mit organischem Innenleben, in die er seinen Geist versetzen will. Es klappt, und im ‚Kopf‘ seiner Figur kann sich Byron Rutherford nähern und mit einem Skalpell erstechen. Dr. Martin kommt zu spät, aber er zertritt den ‚Roboter‘, woraufhin nicht nur dieser, sondern auch der Körper von Dr. Byron blutig zerfetzt wird.
Es dauerte bis 1989, bevor ein findiger (bzw. skrupelarmer) Produzent daran ging, den Plot vom Killer-Spielzeug nicht nur aufzugreifen, sondern in endloser Serie auszuschlachten. Charles Band sorgte dafür, dass möglichst wenig Geld in diese Filme gesteckt wurde; ein Manko, das er durch die Zelebrierung bizarr-blutiger (aber ebenfalls kostengünstiger) Metzeleffekte auszugleichen gedachte. „Puppet Master“ („Puppetmaster“), den ersten Film, inszenierte David Schmoeller: Der Puppenspieler André Toulon hat ein Elixier erfunden, mit dem er seine grotesken Puppen zum Leben erwecken kann. Als ihm 1939 die Nazis dieses Geheimnis entreißen wollen, versteckt er seine Puppen und das Rezept für das Gebräu und bringt sich um.
Jahrzehnte später will der Wissenschaftler und Okkultist Neil Gallagher Toulons Werk vollenden. Vier befreundete Parapsychologen sollen ihm helfen. Doch Gallagher ist wahnsinnig geworden. Er will das Elixier für die eigene Unsterblichkeit missbrauchen und sämtliche Zeugen mit Hilfe der ‚aufgeweckten‘ Puppen umbringen. Letztlich übertreibt Gallagher seine Mordlust und erregt das Misstrauen der Puppen, die letztlich ihn auf grausige Weise töten.



Band mag ein Geizkragen sein, aber er verstand sein Handwerk. Ungeachtet des limitierten Budgets fand auch Schmoeller eine Bildsprache, die der simplen, robusten Story entgegenkam. Vor allem die skurrilen Puppen mit ihren zu Mordinstrumenten umgestalteten Gliedmaßen erregten das Interesse der Horrorfans. Band wusste nun, worauf sein Publikum Wert legte, und sorgte für raschen, dies berücksichtigenden Nachschub: „Puppet Master II“ (1991), „Puppet Master III“ („Puppet Master III - Toulons Rache“, 1991), „Puppet Master 4“ (1993), „Puppet Master 5: The Final Chapter“ („Puppet Master 5“, 1994) - Es wurde immer obskurer, blutiger und billiger, während die gleiche Story wieder und wieder erzählt und durch Schnetzeleffekte ‚bereichert‘ wurde.
Dass diese Kuh buchstäblich totgemolken war, ließ den schlauen Band nur einhalten, aber nicht aufgeben: Nach einigen Jahren, in denen die Mickrigkeiten der letzten „Puppet-Master“-Streifen halbwegs in Vergessenheit gerieten, war er 1998 mit „Curse of the Puppet Master“ wieder da. Schlag auf Schlag ging es erneut weiter. Band - schon lange nur noch Produzent der Reihe - lotete die Vergangenheit aus und belebte Toulon wieder („Retro Puppet Master“, 1999), richtete den Blick aber auch nach vorn („Puppet Master: The Legacy“, 2003). Um wirklich den letzten Tropfen aus dem Franchise zu pressen, verknüpfte er im TV-Film „Puppet Master vs. Demonic Toys: Dämonische Spiele“ („Puppet Master vs. Demonic Toys“, 2004) die „Puppet-Master“-Serie mit dem ebenfalls von ihm geschaffenen „Demonic Toys“-Mikroversum. Diese Streifen wurden direkt für den Video- bzw. später DVD-Markt produziert.
Wieder ging das Franchise in den Winterschlaf, bis es sich 2010 erneut rührte. Da Band ‚politisch korrekte‘ Unterhaltung nie interessiert hatte, ging er in die Vollen, indem er endgültig auf jene Nazis setzte, die Hollywood als parallelhistorisch-exotische, ihrer banalen Bösartigkeit beraubte Schurken seit Jahrzehnten tücken lässt. „Puppet Master: Axis of Evil“ (2010), „Puppet Master X: Axis Rising“ (2012), „Puppet Master: Axis Termination“ (2017) und „Puppet Master: The Littlest Reich“ („Puppet Master: Das tödlichste Reich“, 2018) ließen André Toulon erneut auftauchen und seine Puppen gegen die Nazi-Widerlinge antreten.





Auch diese Masche war irgendwann ausgeleiert, aber Band wusste Rat: Er stellte nun einzelne Puppen in den Vordergrund und ließ sie eigene ‚Abenteuer‘ erleben. Auf Solo-Pfaden wandelten bereits „Blade“, der fiese Gestapo-Major Kraus, den Toulon in eine leichenähnliche Marionette verwandelt hatte, die ihre Hände durch allerlei spitze Aufsätze ersetzen kann („The Iron Cross“, 2020), und „Dr. Death“, der mit ‚ärztlichen Instrumenten‘ mordet („Puppet Master: Doktor Death“, 2022).


Wo besessene Puppen für Münzgenklingel sorgen, ist sicherlich noch Platz für dämonisch angetriebenes Spielzeug, dachte sich Band. Also kreierte er 1992 den Film „Demonic Toys“, wobei er als treibende Kraft hinter den Kulissen wie üblich die Sparsamkeit über den Einfallsreichtum setzte: Die inhaltlichen und formalen Ähnlichkeiten ermöglichten 2004 den bereits erwähnten Monster-Mash „Puppet Master vs. Demonic Toys“ („Puppet Master vs. Demonic Toys: Dämonische Spiele“).


Die Polizisten Judith und Matt stellen die Gangster Lincoln und Hesse in einem Warenhaus. Dort haust allerdings auch ein Dämon, der nach einem menschlichen Körper giert, um endlich fit für die ersehnten Übeltaten zu sein. Um die ins Lagerhaus geratenen ‚Kandidaten‘ nicht mehr entkommen zu lassen, lässt der Dämon dort aufbewahrte Spielzeuge ‚lebendig‘ werden. Diverse ebenso verwickelte wie logikfreie Plotknoten später kommt es zum blutigen Finalgefecht zwischen Mensch und Spielzeug. Der Bodycount ist beträchtlich, weshalb eine Reihe ansonsten unwichtiger Nebenfiguren als Dämonenfutter eingeführt wird. Die Heldin überlebt - und muss selbstverständlich in „Dollman vs. Demonic Toys“ („Tod im Spielzeugland“, 1993) erneut antreten.
Charles Band ließ die Dämonen-Spielzeuge nicht mit der Frequenzdichte wie die „Puppet-Master“-Marionetten auftreten, aber sie waren immer da: „Demonic Toys: Personal Demons“ (2010), „Demonic Toys: Pumpkinhead“ (2014), „Demonic Toys: Jack-Attack“ (2023). Wie sehr und warum Band so auf seine Spielzeuge setzt, verriet er 2024 in der zweiteiligen Dokumentation „Charles Band on Demonic Toys“; ein Blick hinter die Kulissen des B-Kino-Grusels, der wesentlich interessanter als die Filme selbst geraten ist!

Der Witz aus dem Winzigen
Nicht alle Bewohner des Mikrokosmos’ sind böse. Sie können zwischenmenschliche Alltagsprobleme symbolisieren, die verfremdet werden und dadurch die Bitterkeit ihrer Medizin verlieren, sodass einer solchen Geschichte quasi unbemerkt eine Botschaft untergehoben werden kann. Klein zu sein sollte kein Diskriminierungsgrund sein. Schon. lokale Folklore und Märchen thematisierten dies. Den Brüdern und Sammlern Jacob und Wilhelm Grimm entgingen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts solche Geschichten nicht. Zu diesen gehörte das Märchen von „Tom Thumb“ (dt. „Der kleine Däumling“), der ungeachtet seiner Winzigkeit seine Brüder gegen einen bösen Oger verteidigen kann. George Pal (1908-1980) griff diese Geschichte auf, strich die ‚erschreckenden‘ Elemente, ersetzte sie durch abenteuerliche Verwicklungen und inszenierte 1958 den familientauglichen „Tom Thumb“. Russ Tamblyn muss in der Titelrolle buchstäblich über sich hinauswachsen, was ihm - dies ist die Botschaft - gelingt, wofür ihm Anerkennung gezollt wird.

Dass Besuch aus dem Mikrokosmos nicht nur für Schrecken und Mut, sondern auch für absichtsfreien Spaß sorgen kann, liegt auf der Hand; schließlich haben wir in Teil 2 erfahren, welches Humor-Potenzial die umgekehrte Reise bietet. 2008 mimte Eddie Murphy in „Meet Dave“ (dt. „Mensch, Dave“) einen menschengleichen, aber winzigen Außerirdischen (sowie den von innen gesteuerten, menschengroßen Roboter, mit dem sich die Besucher vom Planeten „Nil“ unter die irdische Bevölkerung mischen). Dieser Film ging nicht in die Kinogeschichte ein, um es beschönigend auszudrücken, obwohl die Tricks einmal mehr gelungen waren. In einer Zeit, in der wie schon erwähnt tricktechnisch alles möglich ist, will das Publikum mehr als schöne Bilder, die man ganz selbstverständlich erwartet.
Fazit
Dem Mikrokosmos statten wir filmisch schon seit mehr als einem Jahrhundert Besuche ab. Das wird sich zukünftig nicht ändern. Zu verlockend sind die Schauwerte, die in der Begegnung (und Konfrontation) mit einer real so nicht erfahrbaren Welt und ihren Bewohnern möglich werden. Weil die Tricktechnik immer weiter voranschreitet, werden Bilder möglich, in denen sich die Grenzen zwischen Realität und Imagination verwischen. Die Effektschmieden produzieren außerdem kostengünstig, was die Schwellenangst senkt, Geschichten aus einer Mini-Welt zu erzählen.
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