Star Trek - Die Kunst von Dan Curry

  • Cross Cult
  • Erschienen: Juni 2024
  • 0
Star Trek - Die Kunst von Dan Curry
Star Trek - Die Kunst von Dan Curry
Wertung wird geladen
Michael Drewniok
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJan 2025

Die Evolution der fiktionalen Realität

Dan Curry gehört zu den Menschen, die über viele Jahre mit- oder sogar hauptverantwortlich dafür waren, dass die Fans in eine „Star-Trek“-Welt eintauchen konnte, welche optisch möglichst akkurat jene Zukunft abbildete, die Gene Roddenberry in den 1960er Jahren entworfen hatte. „Star Trek“ wurde bekanntlich zu einem Phänomen, schuf einen modernen (Trivial-) Mythos und begründete ein Franchise, das viele Jahrzehnte später so präsent ist wie selten zuvor - ein Erfolg, der eben auch auf Dan Curry zurückgeht.

Er war in seiner Zeit vor „Star Trek“ ein Künstler und Weltenbummler, der vor allem den asiatischen Raum nicht nur bereiste, sondern sich mit der lokalen Kultur vertraut machte; ein Lernprozess, der sich in seiner Kunst niederschlug und ihn mit einer Formen- und Bildsprache in Verbindung brachte, die jenseits des Mainstreams existierte. Curry konnte darauf zurückgreifen, als er Anfang der 1980er Jahre in den Vereinigten Staaten beruflich Fuß zu fassen versuchte.

Da die hehre Kunst nur in Ausnahmefällen den Mann (und seine Familie) ernährt, suchte Curry nach Arbeitsfeldern, die es ihm ermöglichten, Kunst und Alltagsleben auf eine Basis zu stellen. In seiner Biografie gibt es die üblichen Verwindungen, aber irgendwann landete Curry in Hollywood, wo einerseits sein Talent für ungewöhnliche Bilder und andererseits sein Arbeitstempo in Verbindung mit trotzdem beachtlichen Ergebnissen auffielen: Solche engagierten, die Selbstausbeutung nicht scheuenden Talente werden vor allem vom Fernsehen gesucht, wo Zeit und Geld stets Mangelware sind. Die abenteuerliche Geschichte der drei „klassischen“ „Star-Trek“-Staffeln ist ein  Beispiel dafür, wie große Ideen in der Umsetzung entweder improvisiert realisiert wurden - oder eben nicht, was uns u. a. jenen Sackrupfen-Pappmaché-Gorn bescherte, der mit James Kirk raufte und trotz seines lachhaften Erscheinungsbildes TV-Geschichte schrieb!

Neue Crew, alte Probleme

Curry wurde Teil des „Star-Trek“-Franchises, sobald dieses ab 1986 eine neue Crew um den glatzköpfigen Jean-Luc Picard ins All schickte. Als die neue Serie startete, war dies oft ein Stolpern: 26 Episoden mussten pro Saison entstehen. Das Budget war nie üppig, was im Rahmen einer Science-Fiction-Handlung besonders problematisch ist. Längst hatte sich auch ein TV-Publikum an die Effektgewalt eines SF-Kinos gewöhnt, dass vor allem George Lucas mit seiner „Star-Wars“-Trilogie auf ein nie gekanntes Niveau gehoben hatte. Hier musste ungeachtet des Sparstrumpfs, der den „Next-Generation“-Machern wie ein Würgestrick um den Hals lag, geliefert werden!

Nun schlug Currys große Stunde. Er lernte sein Handwerk in einer Ära, als Raumschiffe noch als Modelle und fremde Planeten als Kulissen vor die Kamera gestellt wurden. Die Möglichkeiten einer tricktechnischen Politur waren aus heutiger Sicht primitiv und arbeitsaufwändig, aber Curry und seine Kollegen stellten sich der Herausforderung. Vor allem schauten sie immer über den Tellerrand und erkannten die Möglichkeiten einer sich rasant entwickelnden Technik.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eroberte Video die Fernsehwelt. „Video-Compositing“ und „Motion Control“ erleichterten nicht nur die Aufgabe, binnen kurzer Zeit exotische Zukunftswelten und -wesen zu erschaffen, sondern verkürzten auch bisher langfristige Arbeitsprozesse. Die gesparte Zeit wurde nicht vergnüglich vertan, sondern in noch spektakulärere Schauwerte investiert: Kunsthandwerker wie Dan Curry sind nie zufrieden, sondern wollen immer mehr und bessere Effekte.

Die Kraft der Routine

In den folgenden Jahrzehnten blieb Curry dem Franchise treu. Er ließ sich nicht auf einen bestimmten Bereich der Effektvisualisierung festnageln, sondern folgte seiner natürlichen Neugier und beschäftigte sich mit sämtlichen Aspekten des „Star-Trek“-Universums. So findet man Currys Handschrift überall: Er realisierte immer eindrucksvollere Explosionen, malte „Matte Paintings“, die auch im modernen Film aufwendige Großmodelle ersetzen, erfand das legendäre klingonische Bügelschwert „Bat’leth“, schuf Gemälde, die angeblich der Kunstmensch Data gepinselt hatte, war mitverantwortlich für den Vorspann des ST-Ablegers „Voyager“ sowie zeitweise hauptverantwortlich für sämtliche zeitgleich entstehenden ST-Serien einschließlich „Enterprise“.

Ungeachtet seines Ansehens ruhte sich Curry nie auf seinen Lorbeeren aus. Als „Star Trek“ ins 21. Jahrhundert eintrat, war er aktiv daran beteiligt, die moderne CG-Technik zu etablieren: Modelle, Weltraumausschnitte und Planeten, aber auch Außerirdische mussten nicht mehr als Modelle ‚gebaut‘ bzw. bewegt werden. Die Zukunft und ihre Bewohner entstanden als Bits & Bytes, was zum einen ungeahnte Möglichkeiten der Darstellung schuf, aber auch für neue Probleme sorgte, denn selbstverständlich war das neue Verfahren nicht soforttauglich für das Medium Fernsehen.

„Star Trek: Enterprise“ wurde die letzte Serie, an der Dan Curry nicht mehr feder-, sondern tastenführend beteiligt war. Eines hatte sich nicht geändert: die Improvisation als Ergebnis einer Suche nach möglichst rasch und überzeugend wirkenden Effekten. Insofern fand der findige und erfindungsreiche Curry auch jenseits seiner nun ‚altmodischen‘ (aber notfalls weiterhin eingesetzten) Visualisierungsmethoden ein für ihn interessantes Arbeitsumfeld.

Die Macht der Erfahrung

Currys mehr als drei Jahrzehnte umspannendes Wissen um die „Star-Trek“-Tricktechnik ließen ihn auch zum Idealkandidaten werden, als die „Paramount“-Studios ab 2008 daran gingen, die „Next-Generation“-Serie für den DVD- und Blu-ray-Markt aufzubereiten. Hier wurde die einst so nützliche Videotechnik zum Fluch, denn die entstandenen Bilder boten nur eine niedrige, für das damalige Fernsehen kompatible Auflösung. Glücklicherweise waren ‚nur‘ die Effekte betroffen: Die Szenen mit den Schauspielern hatte man noch ganz klassisch auf Film aufgezeichnet, der auch für digitale Medien taugliche Bilder liefert.

Die Tricksequenzen wurden überarbeitet oder notfalls gänzlich neu geschaffen. Curry nutzte die Gelegenheit und besserte nach, was einst unter Termindruck gesendet wurde, obwohl er mit dem Ergebnis gehadert hatte. Solche Erfahrungen waren von Nutzen, als es daran ging, Serie wie „Deep Space Nine“ und „Voyager“ dieselbe Bearbeitung angedeihen zu lassen.

„Die Kunst von Dan Curry“ ist der gelungene Versuch, auch Laien mit einer Technik bekannt zu machen, die nie ihren Höhepunkt erreicht, sondern stetig fortschreitet. Das Buch wurde für Nicht-Fachleute geschrieben, ohne die komplexe Thematik auszublenden. Stattdessen wählen die Autoren - Curry selbst und Sachbuch-Profi Ben Robinson - den schwierigen, aber besseren Weg: Sie schildern technische Prozesse auf allgemeinverständliche Weise und vergessen nie, dass ein Bild oft mehr erklärt als viele Worte.

Curry und Robinson sind tief in die „Star-Trek“-Archive hinabgetaucht. Was dort zum Vorschein kam, stammte natürlich oft von Curry selbst, der über seine Bilder, Skizzen, Modelle u. a. Versuche, eine zweidimensionale Welt so real wie möglich wirken zu lassen, viel Erhellendes beitragen kann. Entstanden ist ein echter Prachtband, in dem höchstens die für ältere Leseraugen gar zu winzige Schrift zu kritisieren ist. Die Bilder sind dagegen überwältigend. Auf qualitativ hochwertiges Papier gedruckt, lassen sie jedes Detail erkennen. Das Layout ist modern und kontrastkräftig, sodass die zahlreichen Einschübe und Exkurskapitel den Lesefluss nicht unterbrechen. Die deutsche Fassung wurde sorgfältig übersetzt, das Buchergebnis zwischen dicken Deckeln fest gebunden: In diesem Band wird man immer wieder gern blättern!

Fazit:

Was einen aufreibenden Arbeitsalltag markiert, ist auch eine interessante Quelle für jenen Prozess, der zwischen einer nur erzählten und schließlich verfilmten „Star-Trek“-Geschichte stattfindet: Hinter den Kulissen sorgen talentierte Künstler/Handwerker wie Dan Curry dafür, dass Zuschauer staunen und träumen können. Dieser steinige Weg wird hier plausibel und prachtvoll nachgezeichnet.

Star Trek - Die Kunst von Dan Curry

Dan Curry, Ben Robinson, Cross Cult

Star Trek - Die Kunst von Dan Curry

Deine Meinung zu »Star Trek - Die Kunst von Dan Curry«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Sci-Fi & Mystery
(MUSIC.FOR.BOOKS)

Du hast das Buch. Wir haben den Soundtrack. Jetzt kannst Du beim Lesen noch mehr eintauchen in die Geschichte. Thematisch abgestimmte Kompositionen bieten Dir die passende Klangkulisse für noch mehr Atmosphäre auf jeder Seite.

Sci-Fi & Mystery