Die Leiden eines Chinesen in China

  • Hartleben
  • Erschienen: Dezember 1901
  • 0
Die Leiden eines Chinesen in China
Die Leiden eines Chinesen in China
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Lars Hermanns
91°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2006

Abenteuergeschichte mit einem Schuss Dramatik

Wir befinden uns in China, dem Reich der Mitte, Ende des 19. Jahrhunderts. Erzählt wird die Geschichte des reichen aber dennoch jungen Chinesen Kin-Fo, der das Leben als solches nicht zu schätzen weiß. Dank seines Reichtums musste er nie erfahren, was es bedeutet, glücklich oder unglücklich zu sein. Er kennt den Unterschied nicht. Als er jedoch bei Spekulationen sein gesamtes Vermögen verloren glaubt, schließt er bei einer amerikanischen Versicherungsgesellschaft eine Lebensversicherung ab, die auch das Ableben durch Selbstmord mit einschließt. Dadurch möchte er seine geliebte Freundin und seinen besten Freund, den Philosophen Wang, nach seinem Tode finanziell absichern. Wang, der in früheren Zeiten einst ein Mörder und Rebell war, solle ihm das Leben nehmen, damit die Versicherungssumme ausgezahlt werden könne. Als Kin-Fo nach der Erteilung dieses Mordauftrags plötzlich erfährt, dass er gar nicht bankrott ist, beginnt seine persönliche Drangsale. Plötzlich möchte er nicht mehr sterben und verhindern, durch seinen treuen und zuverlässigen Freund ins Jenseits befördert zu werden. Doch Wang ist unauffindbar…

Kulturelle und religiöse Besonderheiten der Chinesen

";Die Drangsale eines Chinesen in China"; entführt den Leser in eine Zeit, die wir uns heute kaum mehr vorstellen können. Vieles, was wir nun lesen können, war in der damaligen Zeit wirklich noch Zukunftsmusik. So erfährt man von einem Phonographen, mit dem man damals Sprach- und Tonaufzeichnungen vornehmen konnte. Ein Gerät, das damals nur wenigen wohlhabenden Personen vergönnt war. Aber auch von Schwimm- und Tauchutensilien, die heute Gang und Gebe sind.

Die eigentliche Geschichte hat daher aus heutiger Sicht weniger mit der für Jules Verne berühmten Science Fiction zu tun, denn viel mehr mit einer Mischung aus Abenteuer und Drama. Der Ort der Handlung ist es, der hier eher fremd wirken mag. China im späten 19. Jahrhundert entführt den Leser in eine Welt, die man sich heute kaum mehr vorzustellen vermag. Akribisch erläutert Jules Verne in seinem Werk, wie die kulturellen und auch religiösen Besonderheiten der Chinesen zu verstehen sind. Eigentümlichkeiten, die dem Leser äußerst fremdartig und zum Teil auch komisch vorkommen mögen. Dazu die Gegensätze zwischen den Chinesen an sich und den Amerikanern, die in der Geschichte ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen. So erfährt man von dem Versuch vieler Chinesen, ihrer Armut in Amerika zu entfliehen, um dann doch oftmals verarmt wieder zu ihrer eigenen Beerdigung nach China verschifft zu werden. Man erfährt aber auch von den geschichtlichen Hintergründen der Mandschus und den daraus resultierenden Übergriffen der chinesischen Rebellen, die sich vorzugsweise hinter der großen Chinesischen Mauer versteckt halten.

Die Geschichte beginnt ziemlich langsam bei einem Festmahl auf einem Boot, das als Einleitung und der Vorstellung der Personen dient. Hier erfährt man erstmals von Kin-Fo und seinem Philosophen Wang. Man erfährt, wie es um die Gesinnung des reichen Chinesen bestimmt ist, und welche Auswirkungen diese auf sein Umfeld hat. Es braucht eine Weile, ehe die Geschichte an Spannung gewinnt und den Leser in ihren Bann zieht. Dies liegt jedoch maßgeblich an dem Umstand, dass dem Leser von heute vieles nicht mehr so fremd erscheinen mag, wie dies noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Fall war. 1879 ist das Buch erschienen und ins Deutsche übersetzt worden. Eine Zeit, in der Vieles, was in dem Buch zu lesen ist, fremdartig und neu war.

Der Klang der Wellen während der Dschunkenfahrt

Mit der ersten Flucht vor dem Attentäter nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Dabei erfährt der Leser immer wieder, wie es einst um das Verhältnis zwischen Dienstherrn und Lakaien bestellt war. Man erfährt, welchen symbolischen Wert der Zopf für den Chinesen und welche Strafe die Beschneidung des Selbigen an Bedeutung hatte. Man erfährt aber auch, wie die Zusammenarbeit mit Amerika sich auf das Verhalten der Chinesen des späten 19. Jahrhunderts auswirkte und kann damit unwillkürlich Vergleiche zur heutigen Zeit ziehen.

Jules Vernes gelingt es, mit seinen Worten ein Bild vor das geistige Auge des Lesers zu zaubern, wie es damals gewesen sein muss. Man kann förmlich das bunte Treiben auf den Straßen sehen. Den Klängen der Musiker bei den Hochzeitsfeierlichkeiten lauschen oder den Klang der Wellen während der Dschunkenfahrt vernehmen. Man kann sich aber auch die technischen Apparaturen vorstellen, mit denen Kin-Fo und seine Begleiter zu tun bekommen. Kurzum: Mit dem Beginn der Flucht beginnt das Abenteuer interessant und spannend zu werden!

Das Abenteuer ist in der mir vorliegenden Ausgabe von 1879 ähnlich einem Theaterstück gegliedert. Jedes Kapitel trägt eine knappe Überschrift, die einen bereits im Vorfeld auf das vorbereitet, was einen beim Lesen erwartet. Dadurch wird zusätzlich eine Spannung und Neugier erzeugt, die einen automatisch weiter lesen lässt. Der seicht ansteigende Spannungsbogen zieht sich somit durch das gesamte Buch hindurch, ehe er erst am Ende des Buches mit einer Überraschung abrupt endet.

Aus heutiger Sicht hat die Geschichte ";Die Drangsale eines Chinesen in China";, die später den neuen Titel ";Die Leiden eines Chinesen in China"; erhielt, nichts mehr mit Science Fiction zu tun. Es gibt keine Riesenmonster wie in ";20.000 Meilen unter dem Meer"; oder Ausflüge zum Mond oder dem Mittelpunkt der Erde. Wer jedoch Spaß an Abenteuergeschichten mit einem Schuss Dramatik hat, dem kann man dieses Abenteuer getrost ans Herz legen. Die Ausdrucksweise ist heutzutage ein wenig gewöhnungsbedürftig, doch stellt diese keine besondere Beschränkung dar. Mir hat diese Geschichte jedenfalls gut gefallen. Lediglich das Fehlen von Spannung zu Beginn der Geschichte hat mir nicht allzu sehr gefallen. Bedenkt man, dass die Bücher von Jules Verne primär an Jugendliche gerichtet waren, so muss man für diesen langsamen Einstieg wahrlich einen Punkt für die fehlende Spannung abziehen.

Die Leiden eines Chinesen in China

Jules Verne, Hartleben

Die Leiden eines Chinesen in China

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