Kriegsklingen (Die Klingen-Romane 1)

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2007
  • 27
Kriegsklingen (Die Klingen-Romane 1)
Kriegsklingen (Die Klingen-Romane 1)
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Carsten Kuhr
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonDez 2006

Die Dinge sind nicht so, wie sie einst waren

High-Fantasy Romane gibt es wie Sand am Meer. Viele, gerade junge, aufstrebende Autoren versuchen sich in der Nachfolge J. R. R. Tolkiens, die Ergebnisse sind meist eher enttäuschend, Ausnahmen bestätigen nur die Regel.

Als der Heyne Verlag ";das definitive Fantasy-Epos von einem der neuen Stars der phantastischen Literatur"; anpries, ging ich daher mit Ressentiments an die Lektüre. Würde es dieser neue Stimme im Chor der Fantasy-Schreiber wirklich gelingen, mich zu packen, würde der Autor neue Akzente setzen können?

Zunächst ein eher gewohntes Bild: Die Grundsituation, die den Leser erwartet, ist nicht eben neu. In drei zunächst getrennt laufenden Handlungssträngen berichtet uns Abercrombie von einem Imperium, das – in einstiger Grösse und Selbstgefälligkeit erstarrt – mehr mit sich selbst als mit seinen Gegnern beschäftigt ist. Machtgier, Korruption, Intrigen nehmen die Adeligen der Union in Beschlag; die sie bedrohenden Barbaren aus dem Norden und die Gurkhul, Piraten und Seefahrer aus dem Süden sind da fast schon Nebensache. Ein Zweifrontenkrieg bedroht das Reich, doch niemand scheint sonderlich beunruhigt zu sein.

Wie fasst der Autor dies auf Seite 385 so treffend zusammen: ";Die Hochstehenden führen geheime Kriege um Macht und Reichtum, und nennen es Regierung. Dabei gibt es zahllose Opfer.";. Jeder schaut nur nach sich selbst, die Anderen, die Schwächeren und der Staat bleiben auf der Strecke.

Die Helden

Die Geschehnisse in Adua, der Hauptstadt des Reiches wird zunächst aus Sicht zweier Männer erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Jezal dan Luthar ist ein bornierter, junger Adeliger aus guten Haus. Sein Vater sorgt dafür, dass er Karriere im Militär macht, seine Begabung im Saufen und am Spieltisch wird nur noch von seiner Berufung mit dem Degen übertroffen. So ist es nur folgerichtig, dass er sich zum jährlichen Wettstreit der besten Fechter des Imperiums anmeldet. Sein Ausbilder aber schindet den jungen Tunichtgut, lehrt ihn Disziplin und formt ihn zu einem wirklich überragenden Kämpfer. Doch wird es zum prestigeträchtigen Sieg im Wettkampf reichen, noch dazu, da sich unser Meisterfechter gerade verliebt hat? Ausgerechnet Ardee, die Schwester seines besten Freundes Collem West, des Heerführers im anstehenden Krieg gegen die Barbaren aus dem Norden verdreht ihm den Kopf – schlimmer noch, sie ist eine Bürgerliche ohne Geld! Eigentlich nun wirklich keine passende Partie, mal ein Appetitanreger für eine Nacht, aber mehr doch nicht. Wenn da nicht die glänzenden Augen, das hinreissende Lächeln und die ungekünstelte, erfrischend ehrliche Art der jungen Dame wäre, die Jezal nicht mehr loslässt.

Auch Großinquestor Glokta hat in seiner Jugend das Turnier der Fechter für sich entschieden. Immer noch sprechen die Zuschauer über seine unübertroffene Fechtkunst, die Feurigkeit seines Kampstils. Dann aber wurde er im Krieg von Barbaren gefangen genommen und monatelang gefoltert. Seitdem ernährt er sich mangels eines Gebisses von Haferschleim, humpelt ohne Zehen von Schmerzen geplagt durch die Korridore der Festung und gilt als einer der fähigsten Folterknechte im Dienst des Königs. Er wird auf die mächtige Tuchmachergilde angesetzt, deckt gnadenlos und effizient deren Bestechungsversuche und Steuerhinterziehung auf. Dann aber muss auch der ins Selbsthass erstarrte Glokta erkennen, dass er nur benutzt wurde. Sein Vorgesetzter, der Innere Rat, sie alle haben nur ihren eigenen Vorteil im Sinn, doch ist er in der Position den Mächtigen des Reiches Paroli zu bieten?

Logen, der Barbarenkrieger aus dem Norden ist ein Mann, der schon fast alles gesehen hat. Wo es gefährlich zuging, wo gekämpft, gemordet und geschlachtet wurde, da war er dabei. Seine Narben bezeugen seine Fähigkeit im Kampf, dass er immer noch unter den Lebenden weilt beweist, dass er weiss, wann er seine Beine in die Hand nehmen muss. Doch er ist kein dumber Schlagetot, er geht überlegt in seine Auseinandersetzungen hinein, nutzt seinen Kopf nicht nur um Haaren darauf wachsen zu lassen. Als ihn Bayaz, der Erste der Magi zu sich bestellt weiss er noch nicht, dass Abenteuer auf ihn warten, wie er sie sich in seinen wildesten Alpträumen nicht vorgestellt hätte.

Zusammen begeben sich die beiden begleitet von einem nicht sonderlich hellen oder begabten Lehrling Bayaz´ nach Adua. Hier hatte Bayaz vor Generationen zusammen mit seinen Mitmagi den letzten verbliebenen Gott gestürzt, hier hat er die Reichsgründung auf den Weg gebracht, und hier will er seinen Stuhl im Inneren Rat wieder einnehmen, warten doch Bedrohungen und Gefahren ohne Vorbild auf das Reich.

Bayaz hatte ja nicht erwartet mit offenen Armen empfangen zu werden, aber dass die Mächtigen ihn so abkanzeln, mit Missachtung strafen, ihn ausspionieren lassen, das hatte er nicht erwartet. So gilt es zunächst den aufgeblasenen Pfeffersäcken und überheblichen Adeligen zu beweisen, dass er der ist, für den er sich ausgibt. Zusammen mit zwei Zeugen, Jezal und Gloka macht er sich auf, das seit Jahrhunderten verschlossene Haus des Schöpfers zu öffnen…

800 Seiten faszinierende Personen

Eigentlich passiert nicht sonderlich viel in diesem immerhin fast 800 Seiten starken Wälzer. Es gibt ein paar kleine Scharmützel auf dem Weg, mehrere grosse Konflikte zeichnen sich ab, im Turnier wird mit stumpfen Waffen gekämpft, ja selbst die Folterungen der Inquisition werden eher angedeutet als detailliert beschrieben, und die Opfer gehen, ein wenig wackelig zwar aber auf ihren eigenen Beinen in den Gerichtshof. Grosse Actionszenen, wilde Verfolgungsjagden, gigantische Schlachtengemälde, blutige Gefechte und Metzeleien, böse Zauberer – auf all dies wartet der Leser vergebens.

Und dennoch erweist sich das Buch als veritabler Pageturner. Statt uns – wie viele uninspirierte und untalentierte Autoren – mit Handlung abzuspeisen, setzt Abercrombie auf die Darstellung faszinierender Figuren in einem Beziehungsgeflecht, das in seiner Komplexität seines Gleichen sucht, dabei aber für den Leser jederzeit nachvollziehbar bleibt.

Jede der auftretenden Personen wird sorgfältig mit einem glaubwürdigen Hintergrund eingeführt, macht in der recht kurzen Dauer der Handlung eine nachvollziehbaren Entwicklung durch. Wir betrachten mit Distanz, aber auch Grauen, das Werk des ob seiner Verkrüppelung mitleidlosen Folterers, wir lehnen den arroganten Meisterfechter ab, wir misstrauen dem undurchsichtigen Ersten der Magi, wir fürchten den Barbaren-Berserker.

Gleichzeitig aber rührt uns der Inquisitor ob seines Schicksals und seiner trotz dieser Schicksalsschläge verbliebenen Menschlichkeit gerade im Vergleich zu seinen Vorgesetzten, offenbart der Fechter charakterliche Stärken und die Fähigkeit zu Toleranz und Entwicklung, zeigt der Söldner mitfühlende, menschliche Eigenschaften. Einzig Bayaz bleibt rätselhaft, wobei auch dieser gerade im Umgang mit seinem untalentierten Lehrling Langmut und Einfühlungsvermögen offenbart, die man einem allmächtigen Zauberer nicht zugetraut hätte.

Man merkt dem Text an, dass der Autor seine Figuren minutiös entworfen hat, sie alle jeden auf seine eigene Art ins Herz geschlossen hat. Die Art und Weise, wie sie in der Handlung agieren, wie sie aufeinander reagieren, wie sich hier etwas entwickelt, ohne dass wir in diesem ersten Band schon wissen in welche Richtung es gehen wird macht das Buch interessant. Einziger, wenn auch kleiner Kritikpunkt bleibt, dass der Autor uns keine weibliche Person offeriert, die wirklich eine tragende Rolle einnimmt.

Einer der Protagonisten sagt einmal ";Die Dinge sind nicht so, wie sie einst waren"; – ein Ausspruch, der gut auch als Motto über dem Buch thronen könnte. Immer wieder nimmt die Handlung eine unerwartete Wendung, nie tritt das Erwartete, das Gewohnte ein, selten nur nutzt der Autor bekannte Versatzstücke, und wenn, dann wandelt er diese zumindest geringfügig ab, spielt mit den Erwartungen des Lesers, nur um diesen ein ums andere Mal zu überraschen.

Es sind die leisen Töne, die innere Dramatik, die Entwicklung der Charaktere, die mich an die Seiten fesselte. Nie ahnt man, wie es weitergehen wird, nie kommt das Gefühl auf, etwas Ähnliches bereits einmal, und oftmals besser gelesen zu haben, oder zu wissen, wie der Plot sich entwickeln wird. Dies unverbrauchte Frische, gepaart mit den faszinierenden Figuren sorgt für einen Lesereiz der besonderen Art.

Kriegsklingen (Die Klingen-Romane 1)

Joe Abercrombie, Heyne

Kriegsklingen (Die Klingen-Romane 1)

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